1205 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 27. 8. 1998

Regierungsvorlage


Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich


ÜBEREINKOMMEN

ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN ÜBER DAS VERBOT DER DOPPELTEN STRAFVERFOLGUNG

Präambel

DIE MITGLIEDSTAATEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, im folgenden als “Mitgliedstaaten” bezeichnet –

EINGEDENK der engen Beziehungen, die zwischen ihren Völkern bestehen;

IN ANBETRACHT der Entwicklung, die auf den Abbau der Hindernisse für die Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten abzielt;

IN DEM WUNSCH, ihre Zusammenarbeit in Strafsachen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens, gegenseitigen Verständnisses und gegenseitiger Achtung auszuweiten;

ÜBERZEUGT, daß es Ausdruck solchen Vertrauens, solchen Verständnisses und solcher Achtung ist, wenn das Verbot der doppelten Strafverfolgung in bezug auf ausländische Justizentscheidungen wechselseitig anerkannt wird –

SIND wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

Wer in einem Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt worden ist, darf in einem anderen Mitgliedstaat wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, daß im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann.

Artikel 2

(1) Ein Mitgliedstaat kann bei der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung dieses Übereinkommens erklären, daß er in einem oder mehreren der folgenden Fälle nicht durch Artikel 1 gebunden ist:

           a) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde. Im letzteren Fall gilt diese Ausnahme jedoch nicht, wenn diese Tat teilweise im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist;

          b) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, eine gegen die Sicherheit oder andere gleichermaßen wesentliche Interessen dieses Mitgliedstaats gerichtete Straftat darstellt;

           c) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, von einem Bediensteten dieses Mitgliedstaats unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen wurde.

(2) Ein Mitgliedstaat, der eine Erklärung betreffend die in Absatz 1 Buchstabe b genannte Ausnahme abgibt, bezeichnet die Arten von Straftaten, auf diese Ausnahme Anwendung finden kann.

(3) Ein Mitgliedstaat kann eine solche Erklärung betreffend eine oder mehrere der in Absatz 1 genannten Ausnahmen jederzeit zurücknehmen. Die Rücknahme wird dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens notifiziert und wird am ersten Tag des auf den Tag dieser Notifkation folgenden Monats wirksam.

(4) Ausnahmen, die Gegenstand einer Erklärung nach Absatz 1 waren, finden keine Anwendung wenn der betreffende Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaat wegen derselben Tat um Verfolgung ersucht oder die Auslieferung des Betroffenen bewilligt hat.

Artikel 3

Wird in einem Mitgliedstaat eine erneute Verfolgung gegen eine Person eingeleitet, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat wegen derselben Tat rechtskräftig abgeurteilt wurde, so wird jede in dem zuletzt genannten Mitgliedstaat wegen dieser Tat erlittene Freiheitsentziehung auf eine etwa zu verhängende Sanktion angerechnet. Soweit das innerstaatliche Recht dies erlaubt, werden andere als freiheitsentziehende Sanktionen ebenfalls berücksichtigt, sofern sie bereits vollstreckt wurden.

Artikel 4

(1) Ist eine Person in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat angeschuldigt und haben die zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats Grund zu der Annahme, daß die Anschuldigung dieselbe Tat betrifft, derentwegen der Betreffende in einem anderen Mitgliedstaat bereits rechtskräftig abgeurteilt wurde, so ersuchen sie, sofern sie es für erforderlich halten, die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, um sachdienliche Auskünfte.

(2) Die erbetenen Auskünfte werden so bald wie möglich erteilt und sind bei der Entscheidung über eine Fortsetzung des Verfahrens zu berücksichtigen.

(3) Jeder Mitgliedstaat gibt bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung dieses Übereinkommens die Behörden an, die befugt sind, um Auskünfte nach diesem Artikel zu ersuchen und solche entgegenzunehmen.

Artikel 5

Die vorstehenden Bestimmungen stehen der Anwendung weitergehender innerstaatlicher Bestim­mungen über die Geltung des Verbots der doppelten Strafverfolgung in bezug auf ausländische Justiz­entscheidungen nicht entgegen.

Artikel 6

(1) Dieses Übereinkommen liegt für die Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens hinterlegt.

(2) Dieses Übereinkommen tritt 90 Tage nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden durch alle Staaten in Kraft, die an dem Tag, an dem es zur Unterzeichnung aufgelegt wird, Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft sind.

(3) Bis zum Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann jeder Staat bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde oder jederzeit danach erklären, daß dieses Übereinkommen für ihn im Verhältnis zu anderen Staaten, welche dieselbe Erklärung abgegeben haben, 90 Tage nach der Hinterlegung in Kraft tritt.

Artikel 7

(1) Dieses Übereinkommen steht jedem Staat, der Mitglied der Europäischen Gemeinschaften wird, zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens hinterlegt.

(2) Dieses Übereinkommen tritt für jeden Staat, der ihm beitritt, 90 Tage nach Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft.

Artikel 8

(1) Jeder Mitgliedstaat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Übereinkommen Anwendung findet.

(2) Jeder Mitgliedstaat kann bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde oder jederzeit danach durch eine an das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens gerichtete Erklärung dieses Übereinkommen auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt oder für das er Vereinbarungen treffen kann.

(3) Jede nach Absatz 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens gerichtete Notifikation zurückgenommen werden.


Die Rücknahme wird sofort oder zu einem in der Notifikation genannten späteren Zeitpunkt wirksam.

Artikel 9

Das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens notifiziert allen Mitgliedstaaten jede Unterzeichnung, Hinterlegung von Urkunden, Erklärung oder Notifikation.

Das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens übermittelt der Regierung jedes Mitgliedstaates eine beglaubigte Abschrift.

GESCHEHEN zu Brüssel am fünfundzwanzigsten Mai  neunzehnhundertsiebenundachtzig in allen Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaften, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten Belgiens hinterlegt wird.

ERKLÄRUNGEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH

1. Gemäß Artikel 2 des Übereinkommens erklärt Österreich, in folgenden Fällen nicht durch Artikel 1 des Übereinkommens gebunden zu sein:

           a) wenn die Tat, die dem Urteil zugrundelag, ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde. Im letzteren Fall gilt diese Ausnahme jedoch nicht, wenn diese Tat teilweise im Hoheits­gebiet des Mitgliedstaates begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist;

          b) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrundelag, einen der folgenden Straftatbestände erfüllt hat:

                 – Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands (§ 124 StGB);

                 – Hochverrat und Vorbereitung eines Hochverrats (§§ 242 und 244 StGB);

                 – Staatsfeindliche Verbindungen (§ 246 StGB);

                 – Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole (§ 248 StGB);

                 – Angriffe auf oberste Staatsorgane (§§ 249 bis 251 StGB);

                 – Landesverrat (§§ 252 bis 258 StGB);

                 – strafbare Handlungen gegen das Bundesheer (§§ 259 bis 260 StGB);

                 – strafbare Handlungen, die jemand gegen einen österreichischen Beamten (§ 74 Z 4 StGB) während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben begeht;

                 – Straftaten nach dem Außenhandelsgesetz 1995; und

                 – Straftaten nach dem Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial.

           c) wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrundelag, von einem österreichischen Beamten (§ 74 Z 4 StGB) unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen wurde.

2. Nach Artikel 4 Absatz 3 des Übereinkommens sind für die Republik Österreich als ersuchende Behörden die zuständigen Staatsanwaltschaften und als ersuchte Behörden das Bundesministerium für Justiz, Abt. IV 1, das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Gruppe D, sowie die jeweils örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften, in deren Sprengel die rechtskräftige Verurteilung vermutlich erfolgt ist, anzusehen.

3. Gemäß Artikel 6 Absatz 3 des Übereinkommens erklärt Österreich, daß dieses Übereinkommen bis zu seinem Inkrafttreten gegenüber den Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben, anwendbar ist.

Vorblatt

Problem:

Das Übereinkommen zur Durchführung des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 (Schengener Durchführungsübereinkommen, in der Folge: SDÜ), BGBl. III Nr. 90/1997, enthält in seinen Art. 54 bis 58 Regelungen betreffend das Verbot der Doppelbestrafung. Nahezu identische Regelungen sind in dem Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung vom 25. Mai 1987 enthalten, welches von Österreich bisher nicht ratifiziert wurde. Im Hinblick auf die bevorstehende EU-Präsidentschaft Österreichs erscheint nunmehr die Ratifikation des erwähnten Übereinkommens zweckmäßig.

Lösung:

Ratifikation des Übereinkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung vom 25. Mai 1987.

Inhalt:

Regelungen zur Vermeidung von Doppelbestrafungen in den Mitgliedstaaten, Einrichtung eines Konsultationsmechanismus zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsparteien zwecks Gewähr­leistung der Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem.

Alternativen:

Keine.

Kosten:

Keine.

EU-Konformität:

Ist gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen ist gesetzesergänzend und gesetzändernd. Es bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1
B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Das Übereinkommen enthält keine verfassungsändernden oder -ergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Das Übereinkommen und die Erklärungen der Republik Österreich werden in deutscher Sprache im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Hinsichtlich der ebenfalls authentischen Textfassungen des Überein­kommens in dänischer, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache wäre vom Nationalrat anläßlich der Genehmigung zu beschließen, daß diese gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, daß sie im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit wurde am 25. Mai 1987 das Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung abgeschlossen. Die darin enthaltenen Regelungen mit dem Ziel der Vermeidung von Doppelbestrafungen in den Mitgliedstaaten sind mit den Bestimmungen der Art. 54 bis 58 SDÜ, welches von Österreich bereits ratifiziert wurde, nahezu identisch. In Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem wird vorgesehen, daß eine Person, die durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt wurde, durch eine andere Vertragspartei nicht wegen derselben Tat verfolgt werden darf, sofern im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt wurde, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann. Die Anwendung des Grundsatzes des Verbots der Doppelbestrafung kann allerdings in bestimmten Fällen, in denen zwischen der verübten Straftat und jenem Vertragsstaat, dem ein anderer Vertragsstaat mit dem Strafverfahren zuvorkam, eine enge Beziehung besteht, durch Erklärung ausgeschlossen werden. Um die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem zu gewährleisten, ist ein Konsultationsmechanismus zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsparteien vorgesehen.

Die Anwendung des Übereinkommens wird auf den Bundeshaushalt keine belastenden Auswirkungen haben.

Das Übereinkommen wurde bisher von Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Portugal ratifiziert, welche Staaten sämtlich eine Erklärung über dessen vorläufige Anwendung abgegeben haben. Die Ratifikation durch Deutschland wurde in die Wege geleitet.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1:

Diese Bestimmung sieht in Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem vor, daß eine Person, die durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt wurde, durch eine andere Vertragspartei nicht wegen derselben Tat verfolgt werden darf, sofern die verhängte Sanktion bereits vollstreckt wurde, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann. Eine idente Regelung ist in Art. 54 SDÜ enthalten, eine ähnliche Bestimmung findet sich in § 65 Abs. 4 Z 3 StGB.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung soll auch ein in einem Mitgliedstaat erfolgter Freispruch eine erneute Verfolgung durch einen anderen Mitgliedstaat hindern. Verfahrensabschließende Entscheidungen anderer Art, die nicht in Form eines Gerichtsurteiles ergangen sind, entfalten hingegen auch dann keine Wirkung nach Art. 1, wenn ihnen urteilsähnlicher Charakter zukommt. Zu denken wäre etwa an die ausländische Verfahrenseinstellung durch den Staatsanwalt nach Zahlung einer Geldbuße oder Erfüllung von Auflagen durch Zahlungen an gemeinnützige Einrichtungen oder an die Staatskasse (vgl. § 153a dStPO). Hingegen ist eine Strafverfügung als Aburteilung im Sinne von Art. 1 zu beurteilen, da eine gerichtliche Prüfung des Sachverhalts stattgefunden hat. Im Falle einer bedingten Strafnachsicht ist während der Probezeit davon auszugehen, daß die Sanktion “gerade vollstreckt wird”. Der Erläuternde Bericht (ABl. C 11 vom 15. Jänner 1998, S 5) zu dem Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 313 vom 23. Oktober 1996, S 1) hält zu einer im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung ebenfalls fest, daß die Vollstreckung eines Urteils auch die Fälle umfaßt, in denen die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist. In diesem Sinne ist die Sanktion nach Ablauf der Probezeit “bereits vollstreckt worden”. Ebenso ist die Zahlung einer Geldstrafe als “Vollstreckung” anzusehen.

Bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 1 vorliegen, kommt es auf den Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung an.

Zu Artikel 2:

Nach Art. 2 kann die Anwendung der Bestimmung des Art. 1 von einem Mitgliedstaat in bestimmten Fällen, in welchen die betreffende Straftat der Gerichtsbarkeit des erwähnten Mitgliedstaates unterliegt, durch Erklärung ausgeschlossen werden. Österreich wird zu dieser Bestimmung die Erklärung abgeben, in den in Art. 2 Abs. 1 lit. a bis c angeführten Fällen nicht durch Art. 1 gebunden zu sein, wobei hinsichtlich der in lit. b angeführten Ausnahmen auf die im 14. bis 17. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB angeführten Straftaten sowie auf das Delikt nach § 124 StGB und die Straftaten nach dem Außenhandelsgesetz sowie nach dem Kriegsmaterialgesetz verwiesen werden wird. Eine entsprechende Erklärung wurde bereits zur gleichlautenden Bestimmung des Art. 55 SDÜ abgegeben.

Nach Abs. 4 finden derartige Ausnahmen vom Verbot der Doppelbestrafung allerdings keine Anwendung, wenn der betreffende Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaat um Übernahme der Strafverfolgung wegen der Tat ersucht oder diesbezüglich die Auslieferung des Beschuldigten bewilligt hat.

Zu Artikel 3:

Diese Bestimmung statuiert für den Fall der Einleitung eines neuerlichen Strafverfahrens gegen eine Person, die wegen derselben Tat bereits durch einen anderen Mitgliedstaat rechtskräftig abgeurteilt wurde, die Verpflichtung zur Anrechnung des bereits erlittenen Freiheitsentzuges auf die zu verhängende Sanktion. Dieser Verpflichtung, die auch in Art. 56 SDÜ enthalten ist, ist durch die §§ 38 und 66 StGB Rechnung getragen.

Zu Artikel 4:

Um die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem sicherzustellen und soweit wie möglich zu beschleunigen, ist in Art. 4 ein Konsultationsmechanismus zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vorgesehen. Nach Abs. 3 hat jeder Mitgliedstaat bei der Ratifikation des Übereinkommens die Behörden anzugeben, die befugt sind, um Auskünfte nach dieser Bestimmung zu ersuchen und solche entgegenzunehmen. Österreich wird dabei die zuständigen Staatsanwaltschaften, das Bundesministerium für Justiz, Abt. IV 1, und das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Gruppe D, als zu solchen Konsultationen befugte Behörden angeben. Die entsprechende Erklärung wurde auch zur gleichlautenden Bestimmung des Art. 57 SDÜ abgegeben.

Zu Artikel 5:

Dieser Artikel stellt klar, daß die vorhergehenden Bestimmungen weitergehenden innerstaatlichen Regelungen über den Ausschluß der Doppelbestrafung nicht entgegenstehen.

Zu Artikel 6:

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Übereinkommens. Nach Abs. 2 tritt dieses 90 Tage nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch alle Staaten in Kraft, die zum Zeitpunkt seiner Auflegung zur Unterzeichnung Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften waren. Damit das Übereinkommen zwischen interessierten Staaten jedoch so rasch wie möglich angewandt werden kann, ist in Abs. 3 vorgesehen, daß jeder Staat bei der Ratifikation oder zu einem späteren Zeitpunkt erklären kann, daß er das Übereinkommen bis zu dessen Inkrafttreten gegenüber anderen Mitgliedstaaten anwenden wird, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben. Österreich wird eine entsprechende Erklärung abgeben.

Zu Artikel 7:

Nach diesem Artikel steht das Übereinkommen allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen. Ferner werden darin die Modalitäten für den Beitritt geregelt.

Zu Artikel 8:

Nach dieser Bestimmung kann jeder Mitgliedstaat bei der Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die das Übereinkommen für ihn Anwendung findet.

Zu Artikel 9:

Diese Bestimmung legt fest, daß Belgien, welches als Verwahrer des gegenständlichen Übereinkommens agiert, allen Mitgliedstaaten jede Unterzeichnung, Hinterlegung von Urkunden, Erklärung oder Notifikation notifiziert.

Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anläßlich der Genehmigung des Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, daß die Fassungen des Übereinkommens in dänischer, englischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen sind, daß sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.


Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen.

Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf.