1626 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Justizausschusses


über den Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und die Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern geändert werden (698/A)


Die Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Dr. Martin Graf, Dr. Michael Krüger und Genossen haben den gegenständlichen Antrag am 26. Februar 1998 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

”Der vorliegende Antrag – der bereits im März 1996 eingebracht, aber nicht beschlossen wurde – bezweckt eine Stärkung der Rechtsstellung des Opfers nach folgenden Grundsätzen:

Durch die Einbringung als Prozeßpartei neben dem Staatsanwalt soll den Erfordernissen eines modernen, demokratischen Strafverfahrens Genüge getan werden, das den Geschädigten nicht nur als passives Objekt des Verfahrens und Beweismittel sieht. Eine von privatrechtlichen Ansprüchen unabhängige eigene Rechtsstellung entspricht außerdem dem natürlichen Interesse des Opfers am Ausgang des Strafverfahrens.

Ebenfalls im Interesse des Geschädigten soll die Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Straf­verfahren zum Regelfall gemacht (und damit auch eine Verwaltungsvereinfachung erreicht) werden. Der vorliegende Antrag stellt insofern eine konsequente Weiterenwicklung des außergerichtlichen Tataus­gleichs dar, bei dem ja auch die Befriedigung der Ansprüche des Geschädigten im Vordergrund steht.

Der Vollzug einer Freiheitsstrafe hindert in vielen Fällen die Befriedigung des Opfers. Durch die Strafvollzugsnovelle 1993 wurde das Arbeitsentgelt der Strafhäftlinge an die Einkommen in Freiheit angeglichen. Die Einkünfte während der Haft sind aber für deren Dauer der Exekution entzogen. dies ist gerade gegenüber dem Opfer der Straftat nicht gerechtfertigt, weshalb eine Ausnahme von den Pfändungsschutzbestimmungen vorgeschlagen wird.

Zu Artikel 1

Zu Z 1 (§ 4):

Die Möglichkeit der Verweisung vor die Zivilgerichte, wenn weitere Ausführungen notwendig sind, soll nicht grundsätzlich bestehen. Privatrechtliche Ansprüche des Opfers sollen vielmehr grundsätzlich im Strafverfahren erledigt werden, solange kein Zivilgericht rechtskräftig darüber befunden hat.

Zu Z 2 (§ 47):

Abs. 1:

Der Geschädigte soll grundsätzlich – unabhängig von zivilrechtlichen Ansprüchen – Privatbeteiligter im Strafverfahren sein. So soll ihm diese Stellung im Strafverfahren etwa auch in Fällen gewährt werden, in denen eine Schädigung der immateriellen Rechte des Opfers keine zivilrechtlichen Ansprüche zur Folge haben (zB Vergewaltigung ohne Schäden an Körper oder Eigentum, wohl aber mit seelischer Beeinträchtigung).

Die Privatbeteiligtenstellung soll dem Opfer uneingeschränkt bei allen Strafverfahren zustehen (also auch bei nicht von Amts wegen zu verfolgenden Vergehen).

Abs. 2:

Hier soll eine – im Verhältnis zu § 47a umfangreichere und gegenüber § 365 präzisierte – Informations­verpflichtung des Gerichtes gegenüber dem Opfer eingefügt werden. Diese Verpflichtung soll nur für die Dauer einer Gefahr für den Zweck der Untersuchung unterbleiben dürfen.

Abs. 3:

Die Rechte des Privatbeteiligten sollen entscheidend erweitert werden. So soll er künftig nicht nur Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter zu einer Beweisaufnahme bewegen können (Z 1), sondern auch selbst Beweisanträge einbringen können. Kostenpflichtige Beweise sollen allerdings durch die Auferlegung einer vorläufigen Kostentragungspflicht eingeschränkt werden, soweit die beantragten Beweise nach Einschätzung des Gerichtes nicht notwendig sind. Damit können schikanöse Beweisanträge zum Nachteil des Beschuldigten hintangehalten werden. Sachverständigenkosten etwa zur exakten Feststellung der Schadenshöhe würden mithin künftig vorerst den Bund, letztlich aber den (verurteilten) Täter belasten, nicht aber den Geschädigten.

Die Einschränkung auf Beweisanträge, die nicht zu einer deutlichen Verfahrensverzögerung führen, basiert auf dem berechtigten Interesse des Beschuldigten an einer raschen Beendigung des Straf­verfahrens. Sie ist im Zusammenhang mit Z 8 (§ 366) zu sehen.

Die Regelung hinsichtlich der Akteneinsicht soll der für den Beschuldigten angepaßt werden.

Für die vom Privatbeteiligten zusätzlich beantragten Beweise wurde analog zu § 222 eine Frist von drei Tagen vorgesehen.

Die Aufnahme vom Privatbeteiligten beantragter Beweise soll bei seinem Nichterscheinen zur Haupt­verhandlung zugunsten der Verweisung auf den Zivilrechtsweg unterbleiben, um eine schikanöse Prozeßführung und eine Verzögerung des Strafverfahrens zu vermeiden.

Zu Z 3 (§ 50):

Nicht nur dem Beschuldigten, sondern auch dem Opfer soll bei entsprechend schwieriger Sach- und Rechtslage oder bei Vorliegen von Hindernissen, selbst seine Interessen zu vertreten, ein Verfahrens­hilfeanwalt beigegeben werden. Diese Möglichkeit wurde bewußt ohne Bezugnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Opfers abgefaßt, weil nach Ansicht der Antragsteller kein sachlicher Grund besteht, ein vermögendes Opfer mit den notwendigen Kosten einer anwaltlichen Vertretung zu belasten.

Zu Z 4 (§ 222):

Die Antragsberechtigung des Privatbeteiligten ist schon in § 47 geregelt; die Erwähnung in § 222 kann daher entfallen.

Zu Z 5 (§ 283):

Auch dem Privatbeteiligten soll – soweit seinen Ansprüchen nicht voll Rechnung getragen wurde – die Berufung offenstehen.

Zu Z 6 (§ 365):

Hier erfolgen Klarstellungen im Zusammenhang mit den bereits erwähnten Änderungen.

Zu Z 7 (§ 366):

Anders als bisher soll auch in freisprechenden Urteilen eine Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche erfolgen, weil unter Umständen die Grundlagen dafür ausreichend geklärt sind (zB Freispruch von einem Vorsatzdelikt, weil der Beschuldigte nur fahrlässig gehandelt hat).

Um dem Opfer wenigstens eine vorläufige Entschädigung zuzusprechen, soll in jedem Fall, in dem zwar der Grund, nicht aber die Höhe des Anspruches geklärt ist, eine Festlegung nach billigem Ermessen erfolgen. Diese Entscheidung soll aber sowohl von seiten des Opfers wie von der des Täters vor den Zivilgerichten bekämpft werden können. diese vorläufige Entscheidung nimmt den Strafgerichten die exakte Klärung der Anspruchshöhe ab, was ihre Bereitschaft, zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren mitzuerledigen, deutlich verbessern könnte. Außerdem verschafft die vorgeschlagene Regelung dem Opfer rasch einen Titel für die Geltendmachung seiner Ansprüche

Eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg soll nur noch in den Fällen erfolgen, in denen der Anspruch auch dem Grunde nach zweifelhaft erscheint.

Zu Z 8 (§ 369):

Diese Bestimmung kann auf Grund der Neugestaltung von § 366 entfallen.

Zu Z 9 (§ 381):


Die vom Privatbeteiligten bevorschußten Kosten einer Beweisaufnahme sollen dann, wenn sie nachträglich sinnvoll erscheinen, auch als Kosten des Strafverfahrens vom Verurteilten zu tragen sein.

Zu Z 10 (§ 384):

Hier erfolgt eine Anpassung an die neue Möglichkeit einer Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche bei einem Freispruch.

Zu Z 11 (§ 393):

Die Bestimmung muß der Möglichkeit anderer Kosten als der eines Vertreters angepaßt werden.

Zu Z 12 (§ 513):

Die Änderungen in der Strafprozeßordnung sollen mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten.

Zu Artikel II

Zu Z 1:

Die hier vorgeschlagene Einschränkung der Unpfändbarkeit der Arbeitsvergütung soll auch während der Haft des Verurteilten dem Geschädigten zur Befriedigung seiner Forderungen verhelfen. Nach der geltenden Rechtslage (siehe auch die Ausführungen des JA-Berichtes zur Strafvollzugsnovelle 1993) ist erst der Anspruch auf das Entlassungsgeld pfändbar. Dies ermöglicht aber dem Strafgefangenen durch entsprechende Verfügungen Hausgeld und Rücklage mit dem Vorsatz der Gläubigerschädigung zu verkürzen. Dies ist jedenfalls gegenüber dem aus einer strafbaren Handlung Geschädigten extrem unbillig (umso mehr, als die erhöhte Arbeitsvergütung auch nach dem Willen des Gesetzgebers zumindest zum Teil der Schadensgutmachung dienen sollte).

Dieser unbefriedigende Zustand soll beendet werden, indem für Exekutionen wegen privatrechtlicher Ansprüche aus einer Straftat bis zu 75% der dem Strafgefangenen gutzuschreibenden Arbeitsvergütung pfändbar sein sollen. Die verbleibenden 25% sind dem Strafgefangenen je zur Hälfte als Hausgeld und Rücklage gutzuschreiben.

Zu Z 2 (§ 403):

Die Neuregelung soll mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten.”

Der Justizausschuß hat den Initiativantrag in seiner Sitzung am 2. Dezember 1998 erstmals in Verhandlung genommen.

Berichterstatter war der Abgeordnete Dr. Harald Ofner.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Harald Ofner, Mag. Thomas Barmüller, Rosemarie Bauer sowie die Ausschußobfrau Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und der Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek.

Der Justizausschuß beschäftigte sich in seiner Sitzung am 16. Februar 1999 abermals mit dem gegenständlichen Initiativantrag.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Martin Graf, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Dr. Heide Schmidt, Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Mag. Terezija Stoisits sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek.

Bei der Abstimmung fand der Antrag keine Stimmenmehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 02 16

                          Dr. Walter Schwimmer                                            Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau