172 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Volksbegehren

Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Neutralität Österreichs


Das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs, BGBl. Nr. 211/1955, wird ergänzt wie folgt:

Nach Artikel I wird eingefügt:

Artikel Ia

(1) Die Bundesregierung hat alles zu unterlassen, was auf eine Änderung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs als immerwährend neutraler Staat hinwirken könnte.

(2) Verhandlungen über den Beitritt zu oder die Assoziierung mit supranationalen Organisationen oder Bündnissen, die eine gemeinsame Verteidigungspolitik betreiben oder anstreben, dürfen nur auf Grund einer vorhergegangenen Volksabstimmung geführt werden.

Begründung

Seit dem EU-Beitritt gerät die immerwährende Neutralität der unabhängigen Republik Österreich immer mehr unter Beschuß. Die Angriffe kommen einerseits aus Brüssel und andererseits von Politikern und Journalisten der Republik Österreich.

Vor der EU-Abstimmung wurde den Österreichern hoch und heilig versprochen, daß Österreich auch nach einem etwaigen EU-Beitritt seine bewährte Neutralität behalten werde. Und ohne dieses Versprechen wäre die EU-Abstimmung ganz anders ausgegangen.

Die Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens zur Sicherung der Neutralität Österreichs wollen jenen politischen Kräften in Österreich den Rücken stärken, die sich an dieses Versprechen erinnern und sich daran gebunden fühlen.

Denn die große Mehrheit der Österreicher (zirka 80%) ist auch heute unverändert davon überzeugt, daß die immerwährende Neutralität Österreichs der beste Garant für Sicherheit und Frieden in Österreich ist.

Wien, am 1. Dezember 1995


Kurier, 22. 11. 1995

Brüssel rügt Wien wegen Neutralität und Binnenmarkt

Bericht der Kommission weist Österreich als EU-Schlußlicht bei der Umsetzung von Richtlinien aus

Ein für Österreich höchst peinlicher Bericht der EU-Kommission wird morgen, Donnerstag, den Wirtschaftsministern der 15 Mitgliedsländer präsentiert: Kommissar Mario Monti stellt in diesem Papier schonungslos fest, daß die Umsetzung von Richtlinien für die Verwirklichung des Binnenmarktes in keinem der anderen 14 Mitgliedsländer so schleppend vorangeht wie in Österreich.

Bis zum Herbst hat Österreich noch keine Unterlagen über die Umsetzung vorgelegt, heißt es in Montis Kabinett. „Das ist ein Problem der österreichischen Verwaltungspraxis“, versucht der österreichische EU-Spitzenbeamte Heinz Zourek die Wellen zu glätten.

Insgesamt hat der EU-Rat 1306 Richtlinien beschlossen, um den gemeinsamen Markt zu realisieren. Im Schnitt der anderen 14 Mitgliedstaaten wurden davon 93 Prozent umgesetzt, das heißt, in die nationale Gesetzgebung übernommen. „Musterschüler“ bei der Umsetzung sind Dänemark, Luxemburg, Frankreich, die Niederlande, Spanien und der EU-Neuling Schweden. Finnland liegt mit 84 Prozent hinter Griechenland. Österreich hat laut Bericht erst 81 Prozent umgesetzt.

Das Wirtschaftsministerium, in dessen Kompetenz die meisten dieser Regelungen fallen, widerspricht der Zählung durch Montis Generaldirektion. „Wir haben in Wahrheit über 90% umgesetzt“, behauptet Martin Weis, Europaberater von Wirtschaftsminister Ditz, „es gab lediglich Probleme mit der richtigen Meldung in Brüssel. Kommissar Monti wurde erst in den letzten Tagen informiert.“ Auch der für die Koordination der EU-Agenden zuständige Beamte im Bundeskanzleramt ist überzeugt, daß „es da Kommunikationsschwierigkeiten gegeben hat, die aber inzwischen ausgeräumt wurden“. Die Wirtschaftskammer verweist darauf, daß vor allem die Länder noch Rückstände bei der Übernahme von EU-Regelungen ins Landesrecht hätten.

Absage an Neutralität

Auf völliges Unverständnis stößt in Brüssel auch Österreichs Festhalten an der Neutralität. Fraser Cameron, ein Top-Berater des Kommissars für Außen- und Sicherheitspolitik, Hans van den Broek, erklärte am Dienstag vor österreichischen Journalisten, daß die Neutralität mit der europäischen Sicherheitspartnerschaft unvereinbar sei. „Neutralität ist kein Trittbrettfahren, sondern Schwarzfahren“, erklärte Cameron. Er bezeichnete es als „Fehler“, daß die EU den neutralen Status Österreichs in den Beitrittsverhandlungen akzeptiert habe. Inoffiziell wird nicht bestritten, daß Cameron damit auch die Ansicht von den Broeks wiedergibt.

Der Standard, 22. 11. 1995

EU-Experte: Neutralität ist Schwarzfahren

„Neutralität ist nicht Trittbrettfahren, es ist Schwarzfahren.“ So kritisierte Fraser Cameron, außenpolitischer Berater der EU-Kommission, die seiner Meinung nach unhaltbare Position von EU-Mitgliedern, die sich nicht voll an der gemeinsamen Sicherheitspolitik der Union beteiligen, aber deren Schutz wollen.

Der ehemalige Cambridge-Professor begrüßte die in Österreich, Schweden und Finnland begonnene Debatte, der EU-Sicherheitsorganisation „Westeuropäische Union“ (WEU) beizutreten. Die Neutralität sei mit der in der politischen Union geforderten Solidarität nicht vereinbar. Und deren Kern sei, daß ein Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle gilt. Brüsseler Sicherheitsexperten, die ungenannt bleiben wollen, gehen sogar soweit, die Aufnahme Österreichs in die EU vor Aufgabe der Neutralität als „Fehler“ zu bezeichnen. Nun wird bis zum Jahr 2000 Österreichs Vollbeitritt zur WEU erwartet, die zum „europäischen Pfeiler“ eines Verteidigungssystems mit der NATO aufgebaut werden soll.

 


Als Bevollmächtigter im Sinne des § 3 Abs. 4 lit. b des Volksbegehrengesetzes 1973 wurde namhaft gemacht:

Komm.-Rat Heinz B. Schmutzer, Verleger und Sprecher der Bürgerinitiative „NEIN zur EU – Austritt jetzt“, Bahnstraße 6, 2345 Brunn am Gebirge

Im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 96 vom 25. April 1996 ist folgende Kundmachung über das Ergebnis der Eintragungen erschienen:

Bundesministerium für Inneres Bundeswahlbehörde

Zl. 48 637/18-IV/6/96

Neutralitäts-Volksbegehren

Gemäß § 16 Abs. 1 des Volksbegehrengesetzes 1973, BGBl. Nr. 344, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 505/1994 hat die Bundeswahlbehörde in ihrer Sitzung vom 24. April 1996 auf Grund der Berichte der Bezirkswahlbehörden folgendes Ergebnis der Eintragungen für das Neutralitäts-Volksbegehren ermittelt:

 

Bundesland

Stimm-
berechtigte

Anzahl der gülti-
gen Eintragungen
(inkl. Unterstüt-
zungserklärungen)

Stimm-
beteiligung
in %

 

 

Burgenland

213 921

7 706

3,60

 

 

Kärnten

418 120

11 341

2,71

 

 

Niederösterreich

1 123 631

85 303

7,59

 

 

Oberösterreich

976 702

55 380

5,67

 

 

Salzburg

347 060

20 609

5,94

 

 

Steiermark

904 104

49 544

5,48

 

 

Tirol

454 662

25 086

5,52

 

 

Vorarlberg

222 479

11 837

5,32

 

 

Wien

1 106 813

91 350

8,25

 

 

Summe Österreich

5 767 492

358 156

6,21

 

Da somit mehr als 100 000 gültige Eintragungen von Stimmberechtigten ermittelt worden sind, hat die Bundeswahlbehörde festgestellt, daß ein Volksbegehren im Sinn des Art. 41 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 vorliegt.

Wien, am 24. April 1996.

Der Bundesminister für Inneres als Vorsitzender und Bundeswahlleiter:

Einem