1741 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Gesundheitsausschusses


über den Antrag 207/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird


Die Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen haben diesen Initiativantrag am 22. Mai 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Bei der Diskussion um die Freisetzung gentechnisch manipulierter Pflanzen geht es um die Weichen­stellung für die österreichische Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Der Einsatz der Gentech­nologie läuft einer ökologisch orientierten Landwirtschaft bzw. dem biologischen Landbau völlig zuwider.

So stagnieren etwa in Europa die Herbizid-Umsätze, und so wird es für die Unternehmen immer schwieriger, ihre Produkte gewinnbringend abzusetzen. Dem soll die Gentechnik nach Willen der Chemiemultis Abhilfe schaffen. Diese Unternehmen verdienen doppelt: durch den Verkauf des gentechnisch manipulierten Saatgutes und des dazugehörigen Pestizids. Und die Bauern laufen Gefahr, daß sie in verstärkte Abhängigkeit zu Saatgut- und Chemiekonzernen geraten.

Nicht nur die Grünen, sondern auch zahlreiche Wissenschaftler stehen den gentechnologischen Experimenten mit Pflanzen äußerst kritisch gegenüber.

Erst jüngst warnte das deutsche Umweltbundesamt, daß die “Langzeitwirkungen” der Versuche kaum zu beurteilen seien.

“Auf einer Tagung des Arbeitskreises ,Gentechnik‘ der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) in Zusammen­arbeit mit dem Umweltbundesamt am 5. und 6. Oktober 1995 in Berlin wurde erneut festgestellt, daß die Beurteilung der ökologischen Langzeitwirkungen auf Grund erheblicher Wissenslücken in der Erforschung ökosystemarer Zusammenhänge kaum möglich ist” (UBA-Presseinformation Nr. 43/95).

Zu den ökologischen Risiken zählen ua.: die Möglichkeit der Resistenzentwicklung bei Wildpflanzen, die Veränderungen/Verarmung und Verdrängung der Ackerbegleitflora, mittelfristig ein Anstieg von Herbizid-Aufwandmengen, die Einengung der Fruchtfolgen und des Sortenspektrums, neue Rückstände in Pflanzen (Metaboliten, Konjugaten, Pflanzeninhaltsstoffen).

Studien und Versuche belegen, daß sich bei der Freisetzung von herbizidresistentem Raps die Annahmen hinsichtlich Sterilität und Pollenflug als völlig falsch erwiesen haben.

Einer schottischen Studie zufolge (1995) konnte Pollenverbreitung über weitaus größere Entfernungen (2 km), als auf der Basis bei kleinen Feldversuchen (200 m) angenommen, festgestellt werden.

“Sixty percent of ,feral‘ populations with more than 10 plants occurred downwind and within 2 km of an oilseed rape field.”

“Wir haben gezeigt, daß ein Genfluß weiter entfernt und in höheren Frequenzen als vorausgesagt stattfindet”, so Dr. Wilkinson von der University of Reading.

Einer dänischen Studie zufolge (Mikkelsen et al. 1996) konnte festgestellt werden, daß Herbizid­resistenzgene von Kulturraps auf eine kreuzbare Wildart ausgekreuzt werden können. Die entstehende Hybride war zudem fruchtbar! Eine Etablierung des Herbizidresistenzgens in der Wildart gilt damit als gesichert.

“Contrary to previsious observations, interspecific hybrids were not sterile, but produced an average of more than 450 seeds per plant.”

Der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft ist der direkte Vorläufer einer gentechnischen Produktion oder Veränderung von Nahrungsmitteln. Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel können zu einem verstärkten Problem für Nahrungsmittelallergiker werden. Es gibt Gründe zur Annahme, daß Allergenität ein besonders wichtiges Gesundheitsrisiko der gentechnisch veränderten Nahrung bedeuten könnte, dies zB dann, wenn Proteine, die bisher in Lebensmitteln nicht vorhanden waren, in dieselben eingeführt worden sind (zB Genprodukte von Mäusen und Insekten). Aber auch die Übertragung bekannter Allergene von einer Nutzpflanze auf die andere kommt in Frage, sodaß Personen, welche die für sie allergenen Nahrungsmittel kennen und meiden, plötzlich auch auf eine bisher unbedenkliche Kost allergisch reagieren.

So können etwa gentechnisch manipulierte Sojabohnen schwere allergische Symptome auslösen. Erstmals wurde von einem anerkannten US-Wissenschaftlerteam konkret nachgewiesen, wie gefährlich die Neukonstruktion von Lebensmitteln am Reißbrett der Genlabors sein kann. Mittels Genmanipulation sollte der Nährwert der eiweißreichen Sojabohne verbessert werden. Die Sojabohne ist ein wertvolles Lebensmittel, ihr fehlen aber die Aminosäuren Methionin und Zystein. Um den “Mangel” zu beheben, wurde der Sojabohne ein Gen der Paranuß implantiert, das für die Herstellung des methionin- und zysteinreichen Proteins 2S-Albumin verantwortlich ist. Die Forscher entdeckten, daß Versuchspersonen mit einer Nußallergie auf die Sojabohnen stark allergisch reagierten. Bei Hauttests zeigten die nußsensitiven Testteilnehmer selbst bei starken Verdünnungen der Soja-Pflanzenextrakte noch deutliche Reaktionen. Auch mit Hilfe von Bluttests wurde die allergene Potenz der genmanipulierten Pflanze bestätigt. Die Forscher  verzichteten darauf, die Versuchspersonen von der Gentech-Sojabohne kosten zu lassen. “Dies würde ein Risiko für diese Menschen bedeuten. Die meisten von ihnen entwickeln lebensbedrohliche Symptome, wenn sie versehentlich Paranüsse essen”, heißt es in dem Forschungs­bericht. Etwa 15% der Österreicherinnen und Österreicher sind gegen bestimmte Nahrungsmittel allergisch. Allergien gegen Nüsse zählen zu den am häufigsten auftretenden.

Es besteht die Gefahr, daß auf Druck einiger weniger Lobbys der Fehler begangen wird, eine Entwicklung festzuschreiben, die Österreich ökonomisch in einen aussichtslosen Wettkampf mit den “Großen” treibt, statt auf die spezifische und in der EU fast einzigartige Stärke der österreichischen Landwirtschaft zu bauen: einer möglichst naturnahen Landwirtschaft. Österreich könnte als “Feinkostladen” massive Wettbewerbsvorteile und Exportchancen von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln für sich nützen, wenn wir auch eine für die KonsumentInnen glaubwürdige Politik vertreten.

Mehr als 80% der österreichischen VerbraucherInnen wollen keine gentechnisch veränderten Nahrungs­mittel, ähnlich verhält es sich mit den KonsumentInnen des Haupthandelspartners Deutschland. Der Beschluß für eine gentechnikfreie Zone im Bereich der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion wäre ein solcher Schritt, der österreichische Produkte schlagartig auch für KonsumentInnen in der EU interessant machen würde.

Bundeskanzler Dr. Vranitzky und Vizekanzler Dr. Schüssel haben sich gegen ein von den Grünen gefordertes Moratorium für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Lebensmitteln ausgesprochen. Dies wurde damit begründet, daß ein derartiges Moratorium einerseits die Forschung in Österreich und andererseits einen Stopp für die Anwendung der Gentechnik in der Medizin zur Folge hätten. Beides Argumente, die insofern nicht richtig sind, da ein derartiges Moratorium lediglich für den Anwendungsbereich in der Landwirtschaft und auf Lebensmittel Anwendung finden würde. Weder die Forschung, noch medizinische Anwendungen würden davon betroffen sein.

Der Gesundheitsausschuß hat in seinen Sitzungen am 24. Oktober 1996 und am 29. April 1997 den gegenständlichen Initiativantrag in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Berichterstatterin Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic sowie die Abgeordneten Heidemarie Onodi, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Herbert Haupt, Dr. Jörg Haider, Annemarie Reitsamer, Klara Motter, Johann Schuster, Dr. Alois Pumberger, Mag. Walter Guggen­berger, Mag. Johann Maier, Dr. Stefan Salzl, Dr. Walter Schwimmer und Dr. Günther Leiner sowie die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer.

Mit Stimmenmehrheit wurde beschlossen, zur Vorbehandlung dieses Gegenstandes einen Unterausschuß einzusetzen.

Dem Unterausschuß gehörten von Seiten der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion die Abgeordneten Heinz Gradwohl, Mag. Walter Guggenberger (Obmannstellvertreter), Anna Huber, Ing. Erwin Kaipel, Manfred Lackner, Mag. Johann Maier, Dr. Elisabeth Pittermann, Annemarie Reitsamer, seitens des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei die Abgeordneten Rosemarie Bauer (ersetzt durch die Abgeordnete Maria Rauch-Kallat), Karl Donabauer, Karlheinz Kopf, Dr. Günther Leiner (Obmann­stellvertreter), Dr. Walter Schwimmer, Ridi Steibl (Schriftführerin), seitens des Klubs der Freiheitlichen Partei Österreichs die Abgeordneten Mag. Herbert Haupt, Dr. Brigitte Povysil, Dr. Alois Pumberger (Obmann), Dr. Stefan Salzl, Mag. Karl Schweitzer, seitens des Parlamentsklubs Liberales Forum die Abgeordnete Klara Motter und seitens des Grünen Klubs die Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic an. Darüber hinaus wurde der Abgeordnete Mag. Thomas Barmüller mit beratender Stimme beigezogen.


Der Unterausschuß hat den Gegenstand nach seiner konstituierenden Sitzung am 29. April 1997 in weiteren Sitzungen am 28. Mai 1997 und am 25. Juni 1998 der Vorbehandlung unterzogen. Es konnte jedoch kein Einvernehmen erzielt werden.

Diesen Unterausschußberatungen wurden ao. Prof. Dr. Günther Kreil, o. Prof. Dr. Peter Ruckenbauer, Dr. Nikolaus Zacherl, Univ.-Prof. Dr. Günter Virt, ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Spitzer, Mag. Ulli Sima, Univ.-Prof. Dr. Monika Gimpel-Hinteregger, Dr. Michael Nentwich als Sachverständige beigezogen und es nahm die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer an den Beratungen teil.

In der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 15. April 1999 erstattete der vom Unterausschuß gewählte Berichterstatter Abgeordneter Mag. Johann Maier einen zusammenfassenden Bericht über den Stand der Verhandlungen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Günther Leiner, Klara Motter, Mag. Herbert Haupt, Dr. Stefan Salzl, Mag. Johann Maier, Heinz Gradwohl sowie der Ausschußobmann Dr. Alois Pumberger und die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Ver­braucherschutz Mag. Barbara Prammer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 04 15

                             Mag. Johann Maier                                                         Dr. Alois Pumberger

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann