1776 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 18. 5. 1999

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (56. Novelle zum ASVG)


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundes­gesetz BGBl. I Nr. 16/1999, wird wie folgt geändert:

1. Der 4. Unterabschnitt des Abschnittes III des Ersten Teiles lautet:

“4. Unterabschnitt

Elektronisches Verwaltungssystem

§ 31a. (1) Der Hauptverband hat für den gesamten Vollzugsbereich der Sozialversicherung ein elektronisches Verwaltungssystem (im folgenden ELSY genannt) flächendeckend einzuführen und dessen Betrieb sicherzustellen. Das ELSY hat die Verwaltungsabläufe zwischen Versicherten, Dienstgebern, Vertragspartnern und diesen gleichgestellten Personen sowie Sozialversicherungsträgern zu unterstützen und ist so zu gestalten, daß die von den Sozialversicherungsträgern zu vollziehenden Gesetze weitgehend ohne papierschriftliche Unterlagen vollzogen werden können; für andere Zwecke darf das ELSY nur mit bundesgesetzlicher Ermächtigung verwendet werden. Seine Bestandteile (Chipkarten, autorisierte Lese­geräte, Programme) sind verbindlich im Rahmen der jeweils vorgesehenen Aufgaben zu verwenden.

(2) Das ELSY hat Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten. Auf die im ELSY verwendeten Daten sind die Bestimmungen über den öffentlichen Bereich des Datenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 565/1978, anzuwenden. Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten sind bundesweit einheitlich und als Schlüsselkarten zu gestalten, die dem berechtigten Verwender den Zugriff auf persönliche Daten, die bei anderen Stellen gespeichert sind, möglich machen.

(3) Auf den innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten dürfen nur folgende Daten gespeichert werden:

           1. Angaben zur Person, für die die Chipkarte ausgestellt wurde:

                a) Namen, Geburtsdatum, Geschlecht;

               b) Versicherungsnummer (§ 31 Abs. 4 Z 1);

           2. Bezeichnung des Chipkartenausstellers, Datum der Ausstellung und Chipkartennummer samt Gültigkeitskennzeichnung;

           3. sonstige Daten, deren Speicherung bundesgesetzlich vorgesehen ist.

(4) Folgende Daten dürfen die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten keinesfalls enthalten:

           1. Diagnosen und andere Gesundheitsdaten;

           2. Einkommens- und Vermögensdaten;

           3. Personenstandsdaten, die über die in Abs. 3 Z 1 genannten Daten hinausgehen.

Durchführung des ELSY

§ 31b. (1) Der Hauptverband ist zur Durchführung der in § 31a getroffenen Anordnungen ermächtigt,

           1. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu errichten,

           2. die Beteiligung von juristischen Personen an der von ihm errichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung zuzulassen,

           3. sich an juristischen Personen des Privatrechts zu beteiligen;

eine Beteiligung nach Z 2 oder nach Z 3 ist nur dann zulässig, wenn sie an oder von juristischen Personen erfolgt, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen (Art. 121 Abs. 1 B-VG), und dem Haupt­verband maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftsführung jener juristischen Person zukommt, die das ELSY betreibt.


(2) Im Gesellschaftsvertrag einer vom Hauptverband nach Abs. 1 errichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung darf vorgesehen werden, daß sich die Mitglieder der Generalversammlung im selben Verhältnis auf die Gruppe der Dienstnehmer und die Gruppe der Dienstgeber verteilen wie die Mitglieder des geschäftsführenden Organs des Hauptverbandes. Eine solche Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt als durch Gesetz eingerichteter Rechtsträger des öffentlichen Bereiches im Sinne des Datenschutzgesetzes und als Versicherungsträger im Sinne der §§ 109 und 110.

(3) Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten sind von dem nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz zuständigen Krankenversicherungsträger auszustellen. Ist kein zuständiger Kran­kenversicherungsträger vorhanden, so sind diese Chipkarten von der Gebietskrankenkasse jenes Landes auszustellen, in dem sie voraussichtlich hauptsächlich verwendet werden.

(4) Näheres über die Organisation und Technik des ELSY sowie über seine Verwendung im Rahmen der §§ 31a und 31c samt Einführungsterminen ist durch Verordnung des Hauptverbandes nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der volkswirtschaftlichen Zweckmäßigkeit von Chipkartensystemen zu regeln. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen. Sie ist in der Fachzeitschrift “Soziale Sicherheit” zu verlautbaren (§ 31 Abs. 9).

Krankenscheinersatz

§ 31c. (1) Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten haben alle Arten des Kranken­scheins (Krankenkassenschecks, Behandlungsscheine, Patientenscheine, Arzthilfescheine) bis längstens 30 Monate nach Inkrafttreten der 56. Novelle zu diesem Bundesgesetz (§ 581) zu ersetzen und sind ab dem Zeitpunkt der Ersetzung bei jeder Inanspruchnahme eines Vertragspartners (§§ 338 ff.) zu ver­wenden.

(2) Zum Zweck des Krankenscheinersatzes dürfen auf den Chipkarten unbeschadet des § 31a Abs. 3 folgende Daten gespeichert werden:

           1. Angaben betreffend Ansprüche gegenüber dem zuständigen Versicherungsträger;

           2. Bezeichnung der in Anspruch genommenen Vertragspartnergruppe;

           3. Angaben über Rezeptgebührenbefreiungen auf Dauer.

(3) Der Hauptverband hat den freiberuflich tätigen Vertragspartnern, soweit sie ärztliche Hilfe bzw. Zahnbehandlung und Zahnersatz erbringen, die für die Verwendung des ELSY notwendige Grund­ausstattung (Hard- und Software) beizustellen, und zwar jedenfalls dann kostenlos, wenn der jeweilige Vertragspartner voraussichtlich mehr als 100 Abrechnungsfälle jährlich mit einem oder mehreren Sozialversicherungsträgern abwickelt. Nach Ablauf von zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt der Beistellung ist der jeweilige Vertragspartner verpflichtet, die von ihm erbrachten Leistungen elektronisch unter Verwendung der dafür vorgesehenen Informationen aus dem ELSY abzurechnen.”

2. Der bisherige 4. Unterabschnitt des Abschnittes III des Ersten Teiles erhält die Bezeichnung “5. Unter­abschnitt”.

3. Nach § 580 wird folgender § 581 samt Überschrift angefügt:

“Schlußbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/1999 (56. Novelle)

§ 581. Die §§ 31a, 31b und 31c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/1999 treten mit dem der Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft.”

Vorblatt

Problem:

Die Vollziehung im Bereich der Sozialversicherung läuft derzeit noch weitgehend mittels papier­schriftlicher Formulare ab. Das Potential an technischen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung der Vollziehung in diesem Bereich ist somit großteils noch nicht ausgeschöpft.

Ziel:

Effizienzsteigerung der Verwaltungsabläufe zwischen allen an der Vollziehung der Sozialversicherung beteiligten Personen durch Einführung eines umfassenden elektronischen Verwaltungssystems; die Vollziehung soll in Zukunft weitestgehend ohne papierschriftliche Unterlagen erfolgen.

Inhalt:

–   Schaffung eines elektronischen Verwaltungssystems für den Bereich der Sozialversicherung (ELSY);

–   Kompetenz des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger für die koordinierte Einführung und den Betrieb des ELSY;

–   Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit bezüglich der innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten; insbesondere dürfen Chipkarten der Patienten nur mit Hilfe autorisierter Lesegeräte gelesen werden können;

–   gesetzliche Grundlage für den Aufbau einer modernen Betriebsorganisation zur Umsetzung des ELSY;

–   Ablöse des Krankenscheines durch die ELSY-Chipkarten bei Inanspruchnahme von Sozialversiche­rungsleistungen.

Alternative:

Im Hinblick auf die angestrebten Ziele: keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

–   Für das Projekt ELSY werden Chipkartenterminals und Datenleitungen benötigt. Es ist anzunehmen, daß Installation und Wartung der Terminals österreichweit direkt zumindest 80 bis 100 Arbeitsplätze schaffen werden.

–   Durch die Entlastung der Unternehmen von der Krankenscheinausstellung werden mit dem Einsatz elektronischer Datenträger aufwendige Datenerfassungen vermieden. Im Vollausbau können durch den Entfall der Papierbearbeitung voraussichtlich 50 bis 100 Verwaltungsdienstposten in der Sozial­versicherung umgeschichtet werden, die dringend für die Verstärkung der Servicekapazität benötigt werden. Die Ärzte, die Spitäler und andere Gesundheitseinrichtungen werden von der Erfassung der Krankenscheine entlastet.

–   Der Wirtschaftsstandort Österreich soll von administrativen Belastungen (Handling von Papierbelegen) befreit werden. Für den Wirtschaftsstandort Österreich hat eine zügige Umsetzung des Projektes den Vorteil, daß einige der Systemkomponenten bei entsprechender Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen für den europäischen Raum und andere Länder produziert werden könnten.

Kosten:

Keine für den Bund.

EU-Konformität:

Gegeben.

Erläuterungen

Mit Entschließung vom 29. November 1996, E 33-NR/XX. GP, hat der Nationalrat den Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ersucht, im Rahmen seiner Kompetenzen die Voraussetzungen für die Einführung eines Chipkartensystems (im Rahmen der Sozialversicherung) möglich zu machen. In diesem Zusammenhang hat der Nationalrat folgendes betont:

1.  Durch ein solches neues Verwaltungssystem dürfen für die Versicherten keine zusätzlichen Belastun­gen entstehen.

2.  Das Recht auf Geheimhaltung medizinischer Daten der Versicherten unter Beachtung des Datenschutz­rechtes muß gewahrt bleiben.

3.  Die Wirtschaft, die sich durch die Einführung der Chipkarte Verwaltungskosten erspart, hat einen ent­sprechenden Beitrag zur Finanzierung zu leisten.

Auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfes sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung dieses Chipkartensystems geschaffen werden. Die finanziellen Voraussetzungen hiefür wurden bereits im Rahmen einer am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Novelle zum Entgeltfortzahlungs­gesetz (BGBl. I Nr. 112/1998) geschaffen.

Der Gesetzentwurf hat im wesentlichen folgende Maßnahmen zum Inhalt:

–   Verpflichtung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, für den gesamten Vollzugsbereich der Sozialversicherung ein elektronisches Verwaltungssystem sicherzustellen;

–   Verpflichtung der berechtigten Verwender (das sind die Versicherten, ihre Dienstgeber und die Vertragspartner der Sozialversicherungsträger sowie die Sozialversicherungsträger selbst), am neuen System teilzunehmen;

–   Gestaltung der Chipkarten als “Schlüsselkarten”;

–   taxative Aufzählung jener Daten, die auf den Chipkarten gespeichert werden dürfen; Anführung jener Daten, die die Chipkarten keinesfalls enthalten dürfen (Gewährleistung von Datenschutz und Daten­sicherheit);

–   Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der Durchführung des Gesetzes;

–   Schaffung einer Ermächtigung für den Hauptverband, die näheren Bestimmungen über die Organisation und die Technik des neuen Verwaltungssystems einschließlich seiner Applikationen durch Verordnung zu regeln;

–   Verpflichtung des Hauptverbandes zur Beistellung der Grundausstattung (Hard- und Software) für die Verwendung des neuen Verwaltungssystems;

–   Ersatz des Krankenscheines durch die Sozialversicherungs-Chipkarten spätestens zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Unter dem oben erwähnten Begriff “Schlüsselkarte” ist ein Kartentyp zu verstehen, der (durch spezielle Verschlüsselungstechniken geschützt) den Zugriff zu Datenbeständen möglich macht, wobei auf der Karte selbst jedoch keiner dieser Datenbestände gespeichert wird. Für den Zugriff auf die Datenbestände sind Lesegeräte erforderlich (sog. “Vier-Augen-Prinzip”). Die Autorisierung dieser Lesegeräte wird durch speziell fälschungssichere Hardwarebestandteile erfolgen und mit Hilfe bestimmter Verschlüsselungs­techniken durchgeführt werden.