1849 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über den Antrag 559/A(E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Erstellung von Berechnungsgrundlagen zur Finanzierung einer Grundsicherung


Die Abgeordneten Dr. Volker Kier, Dr. Hans Peter Haselsteiner, Mag. Helmut Peter und Genossen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 18. September 1997 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

“Österreich steht mehr als je zuvor in einem harten Wettbewerb mit (angrenzenden) Billiglohnländern, der sich in jüngster Zeit in der Auslagerung von Wirtschaftsstandorten verstärkt ausgewirkt hat. Niemand kann und will aber unsere Löhne um 90% und mehr senken, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Als einzige Chance im weltweiten Wettbewerb wird daher Rationalisierung angesehen, was in einem hochentwickelten Industriestaat wie Österreich zumeist bedeutet, hoch rationelle, maschinelle Arbeits­methoden und neue Technologien einzusetzen. Jeder wegrationalisierte Arbeitsplatz bedeutet jedoch eine Katastrophe, weil dadurch die Erwerbsmöglichkeit eines Menschen vernichtet wird.

Diese Katastrophe ist in erster Linie eine soziale, in zweiter Linie aber auch eine wirtschaftliche, weil unserer Wirtschaft dann auch die Konsumkraft dieses Menschen verloren geht.

Aus liberaler Sicht sind die unterzeichneten Abgeordneten überzeugt, daß das Gemeinwesen auch von Verantwortlichkeit geprägt sein muß, daß den von Rationalisierung betroffenen Menschen mehr als ein Almosen zusteht und daß Arbeitslosigkeit nicht mehr – wie bisher – bestraft und stigmatisiert wird ,Dadurch daß Arbeit im Sinne von bezahlter Erwerbsarbeit knapp geworden ist, entsteht die Gefahr, daß diejenigen, die Arbeit haben, an ihr festhalten auch wenn das heißt, daß nicht mehr alle Arbeit finden. Eine Gesellschaft, die sich jedoch mühsam Staatsbürgerrechte für alle erobert hat, darf nicht anfangen, mehr und mehr Menschen aus dem Genuß dieser Rechte herauszudefinieren‘ (R. Dahrendorf). Hinter dem Diskurs über die Einführung einer Grundsicherung steht also die Grundsatzentscheidung über einen garantierten Weiterbestand staatsbürgerschaftlicher Anrechte auch für die Zukunft.

Um dieser Gefahr zu entkommen, muß die Verteilung des geschaffenen Wohlstandes (der durch Rationalisierung sogar noch steigt) von der Innehabung eines Arbeitsplatzes teilweise abgekoppelt werden. Teilweise abkoppeln heißt, den Teil des jeweiligen Volkseinkommens, der für die Deckung der absoluten Grundbedürfnisse jedes einzelnen Menschen erforderlich ist, unabhängig von einer aktuellen oder früheren Innehabung eines Arbeitsplatzes herzugeben. Die unterzeichneten Abgeordneten erwarten sich von der Grundsicherung auch die nötige Flexibilisierung, die für eine bessere Verteilung der Arbeitsplätze wichtig wäre: Wenn niemand mehr Angst zu haben braucht, ins Bodenlose zu fallen, dann wird die Bereitschaft zu Teilzeitlösungen, zum probeweisen Selbständigmachen und zu völlig neuen Formen der persönlichen Lebens- und Arbeitsplanung steigen. Auch die Frage der Sicherung der Pensionen und damit des Weiterbestandes des Generationenvertrags und des sozialen Friedens insgesamt, ist mit diesen Überlegungen eng verbunden.

Eine garantierte Grundsicherung als staatsbürgerliches Anrecht zu definieren kann daher auch heißen, bei einem mäßigen (aber eben garantierten) Betrag anzusetzen. Dennoch werden dafür eine umfassende Steuerreform auf Basis einer Ökologisierung des Systems, sowie Modelle und Berechnungen für ein neues Sozialversicherungssystem die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bzw. auf Finanz- und Volks­wirtschaft erforderlich sein.”

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat den Antrag 559/A(E) in seiner Sitzung am 12. Mai 1999 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuß war der Abgeordnete Dr. Volker Kier.


An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Karl Öllinger, Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Volker Kier sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Antrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zu Kenntnis nehmen.

Wien, 1999 05 12

                               Franz Kampichler                                                          Annemarie Reitsamer

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau