1897 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Nachdruck vom 25. 6. 1999

Regierungsvorlage

 

Bundesgesetz über die Sicherung, Aufbewahrung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz)

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Geltungsbereich

§ 1. Dieses Gesetz regelt die Archivierung und die Nutzung von Archivgut des Bundes.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten:

           1. Archivalien:

               Archivalien gemäß § 25 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923.

           2. Schriftgut:

               Schriftgut gemäß § 25 Abs. 2 des Denkmalschutzgesetzes, ausgenommen persönliche Unterlagen wie beispielsweise Aufzeichnungen und Notizen.

           3. Archivgut:

               Archivalien, die nach dem Denkmalschutzgesetz unter Schutz stehen.

           4. Archivgut des Bundes:

               Archivgut das bei folgenden Einrichtungen in Wahrnehmung der Aufgaben anfällt:

                a) Bundesdienststellen;

               b) bei juristischen Personen öffentlichen Rechts, die durch einfaches Bundesgesetz eingerichtet sind;

                c) Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50 vH des Grund-, Stamm- oder Eigen­kapitals beteiligt ist oder die der Bund durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen beherrscht und die im Allgemeininteresse liegende Auf­gaben nichtgewerblicher Art erfüllen;

               d) Stiftungen und Fonds, wenn der Bund überwiegend das Stiftungs- oder Fondsvermögen bereitgestellt hat;

                e) Stiftungen, Fonds und Anstalten, die von Organen des Bundes oder von Personen verwaltet werden, die hierzu von Organen des Bundes bestellt sind.

           5. Archivieren:

               Erfassen, Übernehmen, Verwahren, Erhalten, Instandsetzen, Ordnen, Erschließen, Verwerten und Nutzbarmachen von Archivgut des Bundes für die Erforschung der Geschichte und Gegenwart, für sonstige Forschung und Wissenschaft, für die Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung sowie für berechtigte Belange der Bürger.

           6. Archiv:

               Einrichtung, welche ausschließlich oder überwiegend Tätigkeiten gemäß Z 5 wahrnimmt.

           7. Archive des Bundes:

               Das Österreichische Staatsarchiv, die Archive der Bundesdienststellen und der Einrichtungen, denen nach diesem Gesetz die Archivierung von Archivgut des Bundes obliegt.

Zuständigkeit zur Archivierung

§ 3. (1) Das Archivieren von Archivgut der Bundesdienststellen obliegt grundsätzlich dem Österrei­chischen Staatsarchiv.

(2) Abweichend von Abs. 1 können folgende Bundesdienststellen für das in ihrem Bereich anfallende Archivgut eigene Archive führen:

           1. die Parlamentsdirektion;

           2. der Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof und Oberste Gerichtshof;

           3. die Universitäten;

           4. das Bundesdenkmalamt, die Österreichische Nationalbibliothek, die Bundesmuseen, die Österrei­chische Phonothek und Hofmusikkapelle;

           5. das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen.

(3) Die Einrichtungen gemäß § 2 Z 4 lit. b bis lit. e haben das in ihrem Bereich anfallende Archivgut selbst zu archivieren oder für dessen Archivierung zu sorgen. Sie können aber auch das Archivgut dem Österreichischen Staatsarchiv zur Archivierung übergeben. In diesem Fall geht das Archivgut in das Eigentum des Bundes über.

(4) Der Bundeskanzler kann, wenn es im Interesse einer fachgerechten Archivierung gelegen ist, durch Vertrag geeignete Einrichtungen zur Archivierung von Archivgut des Bundes heranziehen, das in Form von Bild-, Film-, Video- und Tonmaterial angefallen und nach diesem Gesetz oder auf Grund einer Vereinbarung vom Österreichischen Staatsarchiv zu archivieren ist.

(5) Das Österreichische Staatsarchiv hat auf Verlangen die Bundesdienststellen gemäß Abs. 2 und die Einrichtungen gemäß Abs. 3 in Fragen der Archivierung zu beraten.

(6) Der Bundeskanzler ist im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister ermächtigt, Archivgut, das bei Dienststellen des Bundes in den Ländern anfällt, dem Archiv des jeweiligen Landes ins Eigentum zu übertragen,

           1. soweit das Archivgut überwiegend von regionaler Bedeutung ist und

           2. das Land dieser Übertragung ohne Anspruch auf Kostenersatz zustimmt und die Wahrung der Rechte gemäß §§ 7 und 9 sichergestellt und für die Nutzung dieses Archivgutes eine Benutzungsordnung entsprechend § 10 festgelegt ist.

Archivregister

§ 4. (1) Das Österreichische Staatsarchiv hat zur Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten von Archivgut ein öffentliches Archivregister zu führen.

(2) Das Register hat, soweit das Österreichische Staatsarchiv hiervon Kenntnis hat, insbesondere zu enthalten:

           1. die in Österreich eingerichteten Archive samt Anschrift, gegliedert nach Bundes-, Landes-, Kommunal- und Privatarchive;

           2. eine allgemeine Übersicht über die in den Archiven gelagerten Unterlagen;

           3. die Benützungsbedingungen der Archive.

(3) Die Archive des Bundes sind verpflichtet, dem Österreichischen Staatsarchiv für die Einrichtung und Führung des Registers die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Das Österrei­chische Staatsarchiv hat mit den anderen Archiven die Zusammenarbeit zum Aufbau und zum Führen des Archivregisters zu suchen.

(4) Jedermann kann unentgeltlich Einsicht in dieses Register nehmen. Das Österreichische Staats­archiv hat das Register über das Internet zur Einsicht anzubieten.

Aussonderung, Anbietung und Skartierung

§ 5. (1) Die Bundesdienststellen, die gemäß § 3 Abs. 2 kein eigenes Archiv führen, haben, soweit völkerrechtliche Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen, das gesamte Schriftgut, das bei der Erfüllung ihrer Aufgaben oder der ihrer Rechtsvorgänger angefallen ist und zur Erfüllung ihrer laufenden Aufgaben nicht mehr benötigt wird, auszusondern und dem Österreichischen Staatsarchiv grundsätzlich zusammen mit den für die Benützung notwendigen Behelfen (zB Register) zur Übernahme anzubieten.

(2) Das Schriftgut, das keine dem § 1 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes unterliegende Daten enthält, ist spätestens 30 Jahre nach der letzten inhaltlichen Bearbeitung anzubieten, wenn nicht der besondere Inhalt des Schriftgutes oder gesetzliche Regelungen eine längere Aufbewahrung bei der betreffenden Stelle erfordern. Ist das Schriftgut aktenmäßig zusammengefaßt, so bestimmt sich dieser Zeitraum nach dem Datum des jüngsten Schriftstückes der Akte. Das Datum der inhaltlich letzten Bearbeitung ist gleichzeitig der Beginn der Schutzfristen gemäß § 8.

(3) Schriftgut, das Daten enthält, die gemäß § 1 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes zu löschen wären, weil sie zur Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, nicht mehr erforderlich sind, ist vor seiner Löschung bzw. Vernichtung auf seine Eigenschaft als Archivgut zu überprüfen. Wird diese Eigenschaft festgestellt, ist das Schriftgut unter Verschluß dem Österreichischen Staatsarchiv zu übergeben, wobei das Datum des Ablaufs der Schutzfrist anzugeben ist.

(4) Die Bundesregierung ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welchen Arten von Schriftgut die Eigenschaft eines Archivgutes offenkundig nicht zukommt oder zukommen wird. Bei Schriftgut auf elektronischen Datenträgern kann in der Verordnung geregelt werden, in welchen Fällen aus Gründen der technischen Möglichkeit oder der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von der Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 3 abgesehen werden darf.

(5) Schriftgut ist grundsätzlich im Original, Schriftgut auf elektronischen Informationsträgern, in einer Form zur Übernahme anzubieten, die zum Zeitpunkt des Anbietens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

(6) Der Bundesminister für Justiz hat mit Verordnung für Schriftgut von gerichtlichen Verfahren die näheren Vorschriften über die Aussonderung, die Anbietung sowie die Skartierung zu erlassen. In dieser Verordnung ist im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler vorzusehen, welches Schriftgut zunächst dem Österreichischen Staatsarchiv anzubieten ist. Für derartiges Schriftgut und für Schriftgut, das beim Verfassungsgerichtshof, beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Obersten Gerichtshof anfällt, beträgt die Anbietungsfrist 50 Jahre.

(7) Schriftgut, das im Zuge des Anbietens vom Österreichischen Staatsarchiv nicht als Archivgut gewertet wird, ist zu skartieren; Schriftgut auf elektronischen Informationsträgern ist zu löschen. Ausgenommen davon ist das Schriftgut gemäß Abs. 6, sofern es nicht unter Abs. 3 fällt.

(8) Archivgut in Form von Bild-, Film-, Video- und Tonmaterial ist spätestens 30 Jahre nach der Herstellung anzubieten; es kann anstelle des Originals in Form einer Kopie angeboten werden.

Ermittlung und Übernahme des Archivgutes des Bundes

§ 6. (1) Die Bundesdienststellen haben, soweit sie gemäß § 3 Abs. 2 kein eigenes Archiv unterhalten, dem Österreichischen Staatsarchiv anzuzeigen, welches Schriftgut gemäß § 5 ausgesondert und angeboten wird. Im Zuge des Anbietens haben die Bundesdienststellen am Schriftgut, bei dem die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 2 vorliegen, einen entsprechenden Vermerk anzubringen.

(2) Das Österreichische Staatsarchiv stellt innerhalb eines Jahres endgültig fest, welches Schriftgut als Archivgut gilt. Hierzu hat die anbietende Stelle dem Österreichischen Staatsarchiv vollständigen Einblick in das betreffende Schriftgut zu gewähren. Entscheidet das Österreichische Staatsarchiv nicht innerhalb dieser Frist, so gilt das betreffende Schriftgut nicht als Archivgut. Das Archivgut ist vom Österreichischen Staatsarchiv zu übernehmen.

(3) Das Schriftgut, das unmittelbar beim Bundespräsidenten, Bundeskanzler, Vizekanzler, bei einem Bundesminister oder Staatssekretär in Ausübung ihrer Funktion oder in deren Büros anfällt und nicht beim Nachfolger verbleiben soll, ist unverzüglich nach dem Ausscheiden aus der Funktion dem Österreichischen Staatsarchiv zu übergeben. Dieses Schriftgut ist vom Österreichischen Staatsarchiv bis zum Ablauf von 25 Jahren nach dem Ausscheiden aus der Funktion gesondert unter Verschluß und versiegelt aufzubewahren. In dieses Schriftgut darf, sofern bundesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur mit Zustimmung des seinerzeitigen Funktionsinhabers oder einer von ihm bestimmten Person, Einsicht genommen werden. Ist keine Person bestimmt worden, so bedarf es im Falle des Ablebens des Funktionsinhabers der Zustimmung der unmittelbaren Nachkommen. Über jede Einsicht während dieser Frist sind genaue Aufzeichnungen zu führen.

(4) Das Österreichische Staatsarchiv hat anläßlich der Übernahme von Archivgut jeweils den Beginn des Laufes der Schutzfrist gemäß § 5 Abs. 2 festzustellen.

Recht auf Auskunft und Gegendarstellung

§ 7. (1) Soweit Daten nicht ohnehin dem Auskunftsrecht nach dem Datenschutzgesetz unterliegen, haben Archive des Bundes Betroffenen auf Antrag Auskunft über die sie betreffenden Daten zu erteilen, soweit

           1. das Archivgut erschlossen ist,

           2. die Betroffenen Angaben machen, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und

           3. der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand im Verhältnis zu dem geltend gemachten Informationsinteresse steht.

(2) Die Auskunft nach Abs. 1 kann auch durch Einsicht in das Archivgut gewährt werden, wenn der Erhaltungszustand des Archivgutes dies erlaubt.

(3) Die Auskunft ist nicht zu erteilen, soweit überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen der Auskunftserteilung entgegenstehen. Überwiegende öffentliche Interessen können sich hiebei aus der Notwendigkeit

           1. des Schutzes der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich oder

           2. der Sicherung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres oder

           3. der Sicherstellung der Interessen der umfassenden Landesverteidigung oder

           4. des Schutzes wichtiger außenpolitischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Interessen der Repu­blik Österreich oder der Europäischen Union oder

           5. der Vorbeugung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten

ergeben.

(4) Machen Betroffene glaubhaft, daß das Archivgut eine falsche Tatsachenbehauptung enthält, die sie erheblich in ihren Rechten beeinträchtigt, so können sie verlangen, daß dem betreffenden Archivgut eine vom Betroffenen verfaßte Gegendarstellung beigefügt wird. Die Gegendarstellung hat sich auf die Tatsachenbehauptung zu beschränken und die entsprechenden Beweismittel anzuführen, auf die die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung gestützt wird. Dies gilt nicht für Schriftgut von gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren.

(5) Zur Entscheidung in den Fällen gemäß Abs. 3 und 4 ist jene Stelle zuständig, bei der die Unterlagen entstanden sind.

(6) Zur Erschließung gemäß § 2 Z 5 dürfen die Archive des Bundes das Archivgut mittels elektro­nischer Informationsträger erfassen und speichern.

Freigabe von Archivgut zur Nutzung, Schutzfristen

§ 8. (1) Archivgut ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, erst nach Ablauf von 30 Jahren nach Beginn der Schutzfrist gemäß § 5 Abs. 2 letzter Satz zur Nutzung gemäß § 9 freizugeben.

(2) Würde durch die Freigabe gemäß Abs. 1 die öffentliche Sicherheit, die umfassende Landesvertei­digung oder auswärtige Beziehungen oder wichtige Interessen der Einrichtungen gemäß § 2 Z 4 lit. b bis e gefährdet werden, ist das betreffende Archivgut erst nach Wegfall dieser Gründe, spätestens jedoch nach Ablauf von 50 Jahren ab Beginn der Schutzfrist, zur Nutzung freizugeben.

(3) Archivgut gemäß § 5 Abs. 3 darf ebenfalls erst nach Ablauf der Schutzfrist von 50 Jahren zur Nutzung freigegeben werden.

(4) Die Schutzfristen gemäß Abs. 1 und 2 können von der abgebenden Stelle im Einzelfall bis auf 20 Jahre für wissenschaftliche Forschungen durch Personen mit einschlägigen Fachkenntnissen und Forschungserfahrungen verkürzt werden. Dabei können Auflagen im Interesse der Geheimhaltung gemäß Abs. 2 festgelegt werden. Ein Anspruch auf Verkürzung der Schutzfrist besteht nicht.

(5) Vor Ablauf der Schutzfrist gemäß Abs. 3 darf personenbezogenes Archivgut, außer im Fall der Einwilligung der Betroffenen, nur nach Ablauf von 20 Jahren ab Beginn der Schutzfrist im Einzelfall zur Nutzung freigegeben werden, wenn

           1. die Nutzung für die Durchführung eines bestimmten Forschungsvorhabens einer Person gemäß Abs. 4 erforderlich ist und schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht beeinträchtigt werden oder

           2. die öffentlichen Interessen an der Durchführung des Forschungsvorhabens gegenüber den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen.

(6) Die Schutzfristen gelten nicht für solches Archivgut, das bereits bei seiner Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt oder der Öffentlichkeit bereits zugänglich war.

Nutzung des Archivgutes

§ 9. (1) Jedermann ist berechtigt, gemäß § 8 freigegebenes Archivgut nach Maßgabe dieses Bundes­gesetzes und im Rahmen der Benutzungsordnung (§ 10) des betreffenden Archivs des Bundes zu amtlichen, wissenschaftlichen oder publizistischen Zwecken sowie zur Wahrnehmung berechtigter persönlicher Belange zu nutzen. Besondere Vereinbarungen mit den Eigentümern und testamentarische Verfügungen von sonstigem in Archiven des Bundes befindlichen Archivgut bleiben unberührt.

(2) Das gemäß § 8 Abs. 4 und 5 vorzeitig freigegebene Archivgut darf nur für wissenschaftliche Zwecke oder nur für Zwecke, für die die Einwilligung erteilt worden ist, verwendet werden.

(3) Das betreffende Archiv kann Personen, die gegen Abs. 2 oder wiederholt oder schwerwiegend gegen die Benutzungsordnung verstoßen, die Nutzung von Archivgut untersagen.

(4) Die Nutzung von Archivgut ist einzuschränken oder zu versagen, soweit

           1. das Archivgut dadurch gefährdet wird,

           2. ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand verursacht wird,

           3. die Aufgaben des Archivs des Bundes in einem unvertretbaren Maße erschwert werden,

           4. eine Vereinbarung mit dem Eigentümer des betreffenden Archivgutes oder eine testamentarische Verfügung oder Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes entgegenstehen,

           5. der Benutzungszweck anderweitig, insbesondere durch Einsichtnahme in Druckwerke oder Reproduktionen hinlänglich erreicht werden kann oder

           6. das Archivgut wegen gleichzeitiger anderweitiger Nutzung nicht verfügbar ist.

(5) Die Nutzung des Archivgutes erfolgt in der Regel durch persönliche Einsicht. Schriftliche Auskunft ist dann zu erteilen, wenn damit ein vertretbarer Arbeitsaufwand nicht überschritten wird.

Benutzungsordnungen

§ 10. (1) Jedes Archiv des Bundes hat eine Benutzungsordnung zu erlassen, die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und im jeweiligen Archiv durch Anschlag zu veröffentlichen ist.

(2) Die Benutzungsordung hat insbesondere zu regeln:

           1. die Vorgangsweise und die Sorgfaltspflichten bei der Nutzung von Archivgut;

           2. die Herstellung von Kopien und Reproduktionen;

           3. die Haftung der Benutzer für Schäden am Archivgut und die Haftung des Archivs gegenüber den Nutzern;

           4. die Nutzung des Archivgutes durch die abgebende Stelle;

           5. die Entgelte für die Nutzung von Archivgut und den Kostenersatz für die Herstellung von Kopien und Reproduktionen;

           6. die sonstigen Vertragsbedingungen für die Nutzung des Archivgutes.

(3) Die Entgelte gemäß Abs. 2 Z 5 sind unter Berücksichtigung des Benutzungszweckes nach dem Personal- und Sachaufwand, den die Benutzung dem Archiv des Bundes verursacht, zu bestimmen. Vom Entgelt kann aus besonderen persönlichen berücksichtigungswürdigen Gründen des Nutzers, aus besonderem wissenschaftlichen Interesse oder öffentlichen Interesse abgesehen werden.

Veröffentlichung von Werken

§ 11. (1) In Werken dürfen personenbezogene Daten erst zehn Jahre nach dem Tode der Betroffenen oder Untergang der juristischen Personen veröffentlicht werden, es sei denn, die Betroffenen haben ausdrücklich der Veröffentlichung zugestimmt. Ist das Todesjahr nicht feststellbar, endet die Schutzfrist 110 Jahre nach der Geburt der Betroffenen.

(2) Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten ist jedoch vor Ablauf der Frist gemäß Abs. 1 zulässig, wenn an deren Veröffentlichung wegen der Stellung der betroffenen Person im öffentlichen Leben oder wegen eines sonstigen Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit besteht. Dies gilt nicht für Daten des höchstpersönlichen Lebensbereiches.

(3) Die Medieninhaber (Verleger) sind verpflichtet, von veröffentlichten Werken, die unter wesentlicher Verwendung von Archivgut des Bundes verfaßt wurden, kostenlos ein Belegexemplar dem betreffenden Archiv des Bundes abzuliefern.

2. Abschnitt

Österreichisches Staatsarchiv

Organisation

§ 12. (1) Das Österreichische Staatsarchiv ist eine Dienststelle des Bundes. Es untersteht unmittelbar dem Bundeskanzler.

(2) Mit der Leitung des Österreichischen Staatsarchivs ist der Generaldirektor betraut. Die innere Organisation des Österreichischen Staatsarchivs legt der Bundeskanzler fest.

Übernahme von sonstigem Archivgut

§ 13. (1) Das Österreichische Staatsarchiv kann Archivgut, das ihm nach diesem Gesetz nicht anzubieten ist, auf vertraglicher Grundlage oder durch letztwillige Verfügung für den Bund erwerben oder in Verwahrung nehmen, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht.

(2) Das gemäß Abs. 1 erworbene oder in Verwahrung genommene Archivgut unterliegt, wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

Zuwendungen an das Österreichische Staatsarchiv

§ 14. (1) Das Österreichische Staatsarchiv kann für den Bund durch Schenkungen und letztwillige Verfügungen Vermögen erwerben. Für einen derartigen Erwerb von beweglichem und unbeweglichem Vermögen bedarf es der Zustimmung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen.

(2) Das Österreichische Staatsarchiv darf das Vermögen gemäß Abs. 1 für seine Zwecke verwenden, sofern keine andere Zweckwidmung vom Schenker oder Erblasser bestimmt worden ist.

3. Abschnitt

Schluss und Übergangsbestimmungen

Abgrenzung zu sonstigen Bundesgesetzen

§ 15. Andere gesetzliche Bestimmungen, die Einsichts-, Mitteilungs- und Vorlagerechte und
-pflichten sowie Auskunftspflichten regeln, bleiben unberührt; ebenso die Bestimmungen des Personen­standsgesetzes, BGBl. Nr. 60/1983, über die Aufbewahrung von Büchern und Akten sowie die Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz.

Vor dem 1. Jänner 2000 angefallenes Archiv- und Schriftgut, Archivregister, Einrichtung von Archiven

§ 16. (1) Auf Unterlagen, die nach diesem Bundesgesetz als Schriftgut gelten und vor dem 1. Jänner 2000 bei einer Bundesdienststelle oder bei einem ihrer Rechtsvorgänger angefallen sind, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden, es sei denn, sie befinden sich zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig nicht mehr bei einer Bundesdienststelle.

(2) Auf Unterlagen, die nach diesem Bundesgesetz als Archivgut gelten und vor dem 1. Jänner 2000 bei einer Einrichtung gemäß § 2 Z 4 oder bei einem ihrer Rechtsvorgänger angefallen sind, sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden, soweit sich diese Unterlagen zu diesem Zeitpunkt bei einer solchen Einrichtung oder in einem Archiv des Bundes befinden.

(3) Ist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bei Unterlagen gemäß Abs. 1 der Zeitraum gemäß § 5 bereits abgelaufen, so sind die Unterlagen innerhalb eines Jahres dem nach diesem Bundesgesetz zuständigen Archiv des Bundes anzubieten.

(4) Das Archivregister gemäß § 4 ist bis 31. Dezember 2002 einzurichten.

(5) Die Einrichtungen gemäß § 2 Z 4 lit. b bis e haben nach Kundmachung dieses Bundesgesetzes unverzüglich mit dem Erfassen, Ordnen, Erschließen und der Nutzbarmachung ihres Archivguts zu beginnen und diese Tätigkeiten bezüglich des nach diesem Bundesgesetz frei zugänglichen Archivguts so bald als möglich abzuschließen.

Personenbezogene Bezeichnungen

§ 17. Bei den in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

Verweisungen

§ 18. Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Inkrafttreten, Außerkrafttreten von Vorschriften

§ 19. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2000 in Kraft.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes tritt

           1. § 10 Abs. 3 Behörden-Überleitungsgesetz, StGBl. Nr. 94/145, und

           2. die Verordnung BGBl. Nr. 56/1931 außer Kraft.

Vollziehung

 

§ 20. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut:

           1. hinsichtlich des § 3 Abs. 1, 3 bis 5, der §§ 4, 6 Abs. 2, 12, 13 Abs. 2, und § 14 Abs. 2 der Bundeskanzler;

           2. hinsichtlich des § 5 Abs. 6 in bezug auf die Zivil- und Strafgerichte der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, im übrigen der Bundeskanzler;

           3. hinsichtlich des § 3 Abs. 6 der Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister und dem Bundesminister für Finanzen;

           4. hinsichtlich der §§ 10 Abs. 3, 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 der Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen;

           5. hinsichtlich des § 5 Abs. 4 die Bundesregierung;

           6. im übrigen der zuständige Bundesminister.

Vorblatt

Problem:

Die im Rahmen der Gesetzgebungsprozesse und Vollziehung anfallenden Unterlagen (in Schriftform oder auf elektronischen Informationsträgern) stellen insbesondere für die Erforschung der Geschichte und Gegenwart Österreichs ein wertvolles Kulturgut dar. Derzeit fehlt eine gesetzliche Regelung, die den Zugang durch die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit zu den historisch wertvollen Unterlagen, die in den Bundesarchiven lagern, umfassend regelt.

Ziel:

Schaffung von gesetzlichen Regelungen zur Sicherstellung

1.  der Archivierung von Archivgut des Bundes,

2.  des Zugangs zum Archivgut des Bundes für die Wissenschaft und die Bürger.

Inhalt:

1.  Umschreibung insbesondere des Begriffes “Archivgut des Bundes” und des Begriffes “Archivieren”, um dadurch Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, wobei der Begriff “Archivgut des Bundes” vom Archivalienbegriff des oben erwähnten Entwurfes einer Novelle zum Denkmalschutz­gesetz ausgeht.

2.  Festlegung der Verpflichtung zur sachgerechten Archivierung von Archivgut des Bundes.

3.  Klare Regelung über die Zuständigkeit zur Archivierung von Archivgut des Bundes und zur Verpflichtung, archivwürdige Unterlagen den Archiven des Bundes zur Übernahme anzubieten.

4.  Sicherstellung des Datenschutzes und Schutzrechte der im Archivgut des Bundes genannten Betrof­fenen.

5.  Recht der im Archivgut des Bundes genannten Personen auf Auskunft und Gegendarstellung bei unrichtigen Inhalten.

6.  Festlegung von Schutzfristen, ab deren Ablauf Einsicht in das Archivgut des Bundes genommen werden kann.

7.  Umfassende Regelung auf Nutzung des Archivguts des Bundes.

8.  Einführung eines öffentlichen Archivregisters beim Österreichischen Staatsarchiv, das der Wissen­schaft und interessierten Öffentlichkeit die Information bieten soll, bei welchen Stellen welche archivwürdige Unterlagen lagern.

Alternativen:

Keine.

Kosten:

Dem Österreichischen Staatsarchiv kommt bereits derzeit eine zentrale Rolle bei der Archivierung von Archivgut des Bundes zu. Der vorliegende Entwurf bildet nunmehr den gesetzlichen Rahmen für das bereits bisher geübte Handeln des Österreichischen Staatsarchivs und der übrigen Bundesdienststellen (siehe § 3 Abs. 2 des Entwurfes), die derzeit eigene Archive führen.

Ein zusätzlicher bundesbudgetwirksamer Aufwand entsteht lediglich im Zusammenhang mit der im Entwurf unter § 4 vorgesehenen Einrichtung des Archivregisters durch das Österreichische Staatsarchiv. Dabei sind die Startkosten mit einmal 2 Millionen Schilling und die jährlichen Kosten für die Wartung des Archivregisters mit 0,5 Millionen Schilling zu veranschlagen. Diese Mehrkosten werden im laufenden Budget des Österreichischen Staatsarchivs gedeckt.

Auf die übrigen Gebietskörperschaften hat der vorliegende Gesetzentwurf keine budgetäre Auswirkungen, da diese durch die vorgesehenen Bestimmungen nicht berührt werden.

Auswirkungen auf die Beschäftigung:

Keine.

EU-Konformität:

Ist gegeben.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Erläuterungen

 

Allgemeiner Teil

Der Schutz und die Erhaltung des kulturellen Erbes stellen für jeden Staat eine seiner vorrangigen Aufgaben dar. Kulturgut verkörpert nicht nur ein ideelles, sondern auch ein beträchtliches nationales Kapital, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen sein muß. Historische Unterlagen zählen zweifelsfrei zum kulturellen Erbe eines Staates.

Den im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses und in Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes anfallen­den Unterlagen kommt für die Erforschung der Geschichte Österreichs besondere Bedeutung zu. Es ist daher durch gesetzliche Maßnahmen sicherzustellen, daß dieses Gut vor Vernichtung und Zersplitterung geschützt wird.

Da die geschichtliche Entwicklung Österreichs von allgemeinem und nicht nur von wissenschaftlichem Interesse ist, soll nicht nur der Wissenschaft, sondern auch generell den Bürgern ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Zugang zu den historisch wertvollen Unterlagen eingeräumt werden.

Bei der Einsicht in derartige Unterlagen ist jedoch in der Regel die Kenntnisnahme von personenbe­zogenen Daten und Äußerungen verbunden. Dadurch werden die verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten und Menschenrechte der Betroffenen berührt.

In diesem Zusammenhang ist vor allem auf das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Datenschutzgesetz, BGBl. Nr. 565/1978: “Jedermann hat Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbe­zogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat”) und auf das Grundrecht Schutz der Privatsphäre (Art. 8 MRK: “Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs”) zu verweisen.

Weiters ist die in der Bundesverfassung normierte Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG) zu erwähnen.

Diesen den Zugang zu den Archivalien einschränkenden verfassungsrechtlichen Regelungen steht vor allem das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art. 17 StGG) und das berechtigte Interesse des Bürgers auf Information über die historischen Abläufe in der politischen und kulturellen Entwicklung Österreichs gegenüber.

Auf europäischer Ebene ist auf die Schlußfolgerungen des Rates vom 17. September 1994 zur verstärkten Zusammenarbeit im Archivwesen, ABl. Nr. C235 vom 23. August 1997, S 3, zu verweisen, wonach nach Auffassung des Rates die Archive einen beachtlichen Teil des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung im Sinne von Art. 128 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft darstellen. Die Nutzung der Archive kann zur Erreichung des ebenfalls im Art. 128 genannten Zieles beitragen, die Kenntnis der Kultur und der Geschichte der europäischen Völker zu verbessern.

In der Entschließung vom 14. November 1991 betreffend das Archivwesen hat der Rat (ABl. Nr. C314 vom 5. Dezember 1991, S 2) ausdrücklich festgehalten, daß das Erbe der europäischen Archive eine unverzichtbare Quelle für die europäische Geschichtsschreibung und für die Geschichtsschreibung jeder einzelnen Nation ist und daß gut geführte und zugängliche Archive einen entscheidenden Beitrag zum demokratischen Gesellschaftssystem leisten.

Diese Feststellungen und Schlußfolgerungen der Organe der Europäischen Union sind uneingeschränkt auch auf Österreich zu übertragen.

Der Schutz von historisch wertvollen Unterlagen ist durch das Denkmalschutzgesetz, BGBl. Nr. 533/ 1923, sichergestellt. In der zur Zeit geltenden Fassung des Denkmalschutzgesetzes ist der Archivalien­begriff nicht definiert. Der Archivalienbegriff ist in der Durchführungsverordnung zum Denkmalschutz­gesetz vom 19. Jänner 1931, BGBl. Nr. 56, definiert. Diese Verordnung steht derzeit noch in Geltung.

Auf Grund der technischen Entwicklung werden schriftliche Aufzeichnungen, denen historische Bedeu­tung zukommt, vielfach nicht mehr auf Papier, sondern auf elektronischen Informationsträgern hergestellt und aufbewahrt. Da der Archivalienbegriff aus dem Jahre 1931 diese technische Möglichkeiten nicht berücksichtigt, unterliegen derartige elektronische Informationsträger nicht dem Denkmalschutz, so daß wertvolle historische Informationen verloren werden könnten.

Der derzeit in parlamentarischer Behandlung stehende Entwurf einer Novelle des Denkmalschutzgesetzes (Regierungsvorlage, 1769 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP) enthält im § 25 die Definitionen der Begriffe “Archivalien” und “Schriftgut”, die den technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie Rechnung tragen.

Eine gesetzliche Zugangsregelung zu diesen Unterlagen des Bundes besteht jedoch derzeit nicht.

Der vorliegende Entwurf soll daher im Interesse der Rechtssicherheit den Begriff des Archivgutes des Bundes klar umschreiben und die Zugangsmöglichkeiten zu diesem Archivgut unter Beachtung schutz­würdiger Belange Dritter normieren. Dabei ist auf eine Interessensabwägung zwischen den Grundrechten der Informations- und Wissenschaftsfreiheit einerseits und den Grundrechten auf Schutz der Persön­lichkeit und der Privatsphäre andererseits Bedacht genommen worden.

Die Regelungen über den Zugang zu den archivwürdigen Unterlagen sind im vorliegenden Entwurf eingeschränkt auf das Archivgut des Bundes.

Der Zugang zum Archivgut der Länder und Gemeinden und zum Archivgut von Privaten kann nämlich mangels verfassungsgesetzlicher Zuständigkeit nicht durch “einfaches” Bundesgesetz geregelt werden.

Auf den Kompetenztatbestand “Denkmalschutz” Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG können derartige Regelungen aus folgenden Gründen nicht gestützt werden:

Der Kompetenztatbestand “Denkmalschutz” ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs­gerichtshofes zur Auslegung von Kompetenztatbeständen in der Bedeutung zu verstehen, die ihm im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens am 1. Oktober 1925 (vgl. VfSlg. 4680/1964) – nach dem damaligen Stand der Rechtsordnung – zugekommen ist. Am 1. Oktober 1925 stand bereits das auch heute noch geltende Denkmalschutzgesetz vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533, in Kraft. Dieses Gesetz versteht unter Denkmälern von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände von geschicht­licher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung. Unter dem Begriff “Denkmalschutz” sind alle jene Maßnahmen einzuordnen, die mittelbar oder unmittelbar zur Verhinderung der Zerstörung oder wesensfremden Veränderung von Denkmälern dienen sollen.

In seinem Erkenntnis VfSlg. 14266/1995 hat der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit unbe­weglichen Denkmälern festgehalten, daß der Kompetenztatbestand “Denkmalschutz” allein schon durch die Verwendung des Begriffes “Schutzes” ein finales Element enthält. Der Denkmalschutz umfasse daher nur Regelungen, die der Abwehr spezifischer Gefahren für solche Denkmäler diene. Dabei gehe es freilich nicht um Gefahren jeglicher Art. Vielmehr könnten, gestützt auf den Kompetenztatbestand “Denkmal­schutz”, nur Regelungen erlassen werden, die der Abwehr solcher einem Denkmal drohenden Gefahren dienen, die für die mit dem Kompetenztatbestand “Denkmalschutz” umschriebene Verwaltungsmaterie typisch sind. In der Folge prüfte der VfGH anhand des Versteinerungsmaterials, welchen Gefahren durch gesetzliche Regelungen im Rahmen dieses Kompetenztatbestandes zulässigerweise begegnet werden könne. Dabei hielt er auch fest, daß sich der Inhalt des Kompetenzbegriffes “Denkmalschutz” keineswegs in der Gesamtheit der am Tage des Wirksamwerdens dieses Kompetenztatbestandes geltenden Gesetze erschöpfe; vielmehr seien auch Neuregelungen zulässig, sofern sie nur nach ihrem Inhalt systematisch dem Kompetenztatbestand angehören. Für eine derartige “intrasystematische” Weiterentwicklung müßte allerdings ein denkmalschutzrechtlicher Ansatzpunkt bestehen.

Wenngleich der VfGH seine Aussagen ausdrücklich auf unbewegliche Denkmäler bezogen hat, ist davon auszugehen, daß die oben angeführten Aussagen grundsätzlich auch bei beweglichen Denkmälern Geltung beanspruchen können.

Auf den Kompetenztatbestand “wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst” Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG können derartige umfassende Zugangsregelungen ebenfalls nicht gestützt werden:

Eine historische Analyse zeigt nämlich, daß in Vorentwürfen zum B-VG 1920 ein entsprechender Kompe­tenztatbestand “Archivwesen” vorgesehen war: So war im Mayrschen Privatentwurf ein Kompetenztat­bestand “Bundesarchivwesen” enthalten (siehe Ermacora, Die Entstehung der Bundesverfassung 1920, 118), im 6. Mayr-Entwurf der Begriff “Archiv- sowie Bibliothekswesen sowie die Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen” (Ermacora, aaO 166). Bei einer Aussprache mit Parteienvertretern wurde dieser Kompetenztatbegriff diskutiert und die Einschränkung auf “Archiv- und Bibliotheksdienst” vorgeschlagen (Ermacora, aaO 176). Im Linzer-Entwurf ist wiederum der Begriff “Archiv- und Bibliothekswesen” enthalten (Ermacora, aaO 182). In der Folge wurde die Forderung nach Abänderung dieses Begriffes in “Archiv- und Bibliotheksdienst” verlangt (Ermacora, aaO 203), wobei zunächst der Kompetenztatbestand “Archiv- und Bibliothekswesen” noch beibehalten wurde (siehe den Kompetenzkatalog für den Unterausschuß des Verfassungsausschusses: Ermacora, aaO 213). Auf Grund von Änderungsanträgen bei den Beratungen wurde schließlich der Begriff “Regelung des wissenschaft­lichen und fachtechnischen Archiv- und Bibliotheksdienstes” aufgenommen (Ermacora, aaO 243). Im Verfassungsausschuß entfielen noch die Worte “Regelung des” (Ermacora, aaO 275). Die endgültige Fassung lautete letztlich “wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst”.

In den Erkenntnissen VfSlg. 2784 und 2916/1955 hat der VfGH die Auffassung vertreten, unter Ange­legenheiten des “Dienstes” im Sinne des Kompetenztatbestandes “wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst” seien “offensichtlich nur organisatorische Einrichtungen in dem betref­fenden Verwaltungszweig” zu verstehen, nicht aber auch die materiellrechtliche Seite der betreffenden Verwaltungsaufgaben.

Schließlich bietet auch der Kompetenztatbestand “Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaft­lichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes” (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG) keine geeignete Grundlage für eine allgemeine Zugangsregelung zu Archivgut.

Durch die B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444, wurde nämlich die vormals umfassende Zuständigkeit des Bundes, künstlerische und wissenschaftliche Sammlungen und Einrichtungen in Gesetzgebung und Vollziehung zu besorgen, auf künstlerische und wissenschaftliche Einrichtungen des Bundes beschränkt. Damit sollte nach den Materialien “gewährleistet werden, daß die künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen der Länder und Gemeinden hinsichtlich der Gesetzgebung und Voll­ziehung Landessache werden. Damit wurde einem Wunsch der Länder Rechnung getragen, der darin bestand, für ihre eigenen und die Einrichtungen der Gemeinden, insbesondere die Landes- und Orts­museen, eigene Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenzen zu haben” (EB zur RV 182 BlgNR, 13. GP, 14).

Eine gesetzliche Zugangsregelung zu den Archivalien der Länder besteht derzeit nur in Kärnten (siehe LGBl. Nr. 40/1997). In den übrigen Ländern ist der Zugang durch Statuten und Benützungsordnungen geregelt, wobei grundsätzlich eine 50jährige gleitende Archivsperre mit bestimmten Ausnahmen vorherrscht.

Die verfassungsrechtliche Grundlage für den vorliegenden Gesetzentwurf findet sich in Art. 10 Abs. 1 Z 13 (wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst, Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen des Bundes), Art. 10 Abs. 1 Z 16 (Einrichtungen der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter), Art. 17 und soweit sich der Gesetz­entwurf auf die durch Bundesgesetz eingerichteten juristischen Personen öffentlichen Rechts bezieht (§ 2 Z 4 lit. b des Entwurfes), stützt er sich auf die entsprechende Kompetenzbestimmung, auf der das betreffende Gesetz beruht, mit dem die betreffende Einrichtung errichtet wurde.

Besonderer Teil

Zu § 1:

Mangels ausreichender kompetenzrechtlicher Zuständigkeit kann nur die Archivierung und die Nutzung des Archivgutes des Bundes durch diesen Entwurf geregelt werden.

Zu § 2:

Die vorgesehenen Definitionen dienen der Rechtssicherheit.

Zu Z 1 und 2:

Der im Allgemeinen Teil der Erläuterungen erwähnte Entwurf einer Novelle des Denkmalschutzgesetzes sieht im § 25 folgende Definitionen der Begriffe “Archivalien” und “Schriftgut” vor:

Archivalien sind Schriftgut sowie zu dokumentarischen Zwecken oder zur Information der Öffentlichkeit hergestelltes Bild-, Film-, Video- und Tonmaterial, das von geschichtlicher oder kultureller Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis der Geschichte und Gegenwart in politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Hinsicht sowie bezüglich Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung sowie den Schutz allgemeiner oder besonderer bürgerlicher Rechte ist. Kommt derartigen Gegenständen geschicht­lich gewordenen Charakters jedoch Bedeutung dieser Art nicht zu, dann sind sie nicht Archivalien im Sinne dieses Abschnittes, und zwar auch dann nicht, wenn Sammlungen dieser Art, wie Sammlungen von musikalischen Handschriften, literarischen Schriftstücken, Ansichts- und Portraitsammlungen und der­gleichen, als Archive bezeichnet werden.

Schriftgut sind schriftlich geführte oder auf elektronischen Informationsträgern gespeicherte Aufzeich­nungen aller Art, wie Schreiben und Urkunden samt den damit in Zusammenhang stehenden Karten, Plänen, Zeichnungen, Siegel, Stempel samt deren Anlagen einschließlich der Programme, Karteien, Ordnungen und Verfahren, um das Schriftgut auswerten zu können.

Aus den obigen Definitionen wird klar, daß der Begriff “Schriftgut” der weitere Begriff ist. Nicht jedes Schriftgut ist gleichzeitig als “Archivalum” anzusehen. Nur jenem Schriftgut, das von geschichtlicher oder kultureller Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis der Geschichte und Gegenwart in politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Hinsicht ist, kommt die Wertung eines “Archivalum” zu.

Zu Z 3:

Der Begriff “Archivgut” ist der engere Begriff im Vergleich zum Archivalum.

Nur jene Archivalien, die nach dem Denkmalschutzgesetz geschützt sind, gelten als Archivgut.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß gemäß § 2 des Denkmalschutzgesetzes bei Archivalien, die sich im Eigentum des Bundes, eines Landes oder von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Fonds sowie von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften einschließlich ihrer Einrichtungen befinden, das öffentliche Interesse an ihrer Erhaltung so lange als gegeben (stehen solange unter Denkmalschutz) gilt, als nicht auf Antrag oder von Amts wegen das Gegenteil festgestellt wurde (Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung). Welches Schriftgut Archivgut ist, haben diese Einrichtungen (zB die Kammern) zunächst in Eigenverantwortung selbst zu beurteilen, da sie zur Einhaltung des Denkmalschutzgesetzes verpflichtet sind. Diese Selbstbeurteilung gilt grundsätzlich nicht hinsichtlich des Schriftgutes, das bei Bundesdienststellen anfällt (siehe §§ 5 und 6 des Entwurfes).

Bei Archivalien, die nicht bloß kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen, gilt gemäß § 3 des Denkmalschutzgesetzes ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung erst dann als gegeben, wenn sein Vorhandensein durch Bescheid festgestellt worden ist (Unterschutzstellung durch Bescheid).

Zu Z 4:

Lit. b bezieht sich beispielsweise auf die Sozialversicherungsträger, Kammern, auf die Österreichische Akademie der Wissenschaften. Dadurch, daß nur jene juristischen Personen erfaßt sind, die durch einfaches Bundesgesetz eingerichtet wurden, ist klar, daß die Länder nicht unter diese Bestimmung fallen.

Lit. c bezieht sich vor allem auf jene Gesellschaften, die im Rahmen der Ausgliederung von Bundes­aufgaben aus der Bundesverwaltung gegründet worden sind.

Zu den Definitionen wird auch auf folgende Ausführungen von “Eckhart G. FRANZ, Einführung in die Archivkunde, vierte überarbeitete Auflage, Darmstadt 1993, Seite 2”, verwiesen:

“Archive sind Behörden und Einrichtungen, die ausschließlich oder doch vorrangig mit der Erfassung, Verwahrung und Erschließung derartigen Archivgutes befaßt sind, das im Regelfall von den Stellen, bei denen es erwachsen ist, an die Archive abgeliefert wird. Wie die Bibliotheken, wie die Museen, wirken die Archive im Bereich der “Information und Dokumentation”. Was die Archive von den Bibliotheken, Museen und anderen Dokumentationsinstituten abhebt, ist nicht die gelegentlich etwas grobschlächtig angewandte Scheidung nach handschriftlichen, gedruckten und materiellen Dokumenten, eher schon der besondere funktionale Zusammenhang des organisch erwachsenen Archivgutes, das nur zu einem kleinen Teil von vornherein als dauerndes Zeugnis rechtlicher Vorgänge angelegt wurde. Die Masse des Archivguts entsteht bei Behörden, Einrichtungen, Einzelpersonen in Erfüllung verwaltungsmäßiger, rechtlicher geschäftlicher oder sonstiger Aufgaben, um dann erst später, nach der Sichtung und ordnenden Erschließung durch den Archivar, zur Quellengrundlage für historische und andere Forschungen zu werden.”

Zu § 3:

Im Abs. 1 ist die zentrale Bedeutung des Österreichischen Staatsarchives in bezug auf das Archivieren von Archivgut des Bundes festgelegt. Diese Regelung entspricht den derzeitigen Gegebenheiten (siehe dazu § 10 Behörden-Überleitungsgesetz, StGBl. Nr. 94/145).

Die im Abs. 2 angeführten Bundesdienststellen archivieren derzeit schon die bei ihnen angefallenen Unterlagen. Beispielsweise führt das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen das Katastralmappen­archiv. Dieses Archiv beherbergt ua. etwa 100 000 Original-Katastralmappenblätter zurückreichend bis 1817, das zugehörige Originalschriftoperat, diverse Originalkartierungen und Feldskizzen. Es dokumen­tiert damit die Geschichte der rund 13 Millionen Grundstücke Österreichs, deren Gestalt, Nutzung und Eigentumsverhältnisse. Ähnliches gilt für das Bundesdenkmalamt und für die Österreichische National­bibliothek.

Bezugnehmend auf Abs. 3 ist darauf hinzuweisen, daß beispielsweise die Österreichische Akademie der Wissenschaften derzeit bereits ein zentrales Archiv für ihren Bereich führt. Dieses Archiv geht auf 1847 (Gründungsdatum) zurück. Es enthält sowohl wissenschaftliches Archivgut als auch solches aus der Akademieverwaltung.

Die Kammern nehmen die Aufgaben nach diesem Gesetz in ihrem eigenen Wirkungsbereich wahr, wobei als Archivgut in erster Linie das Material der Organbeschlüsse aus dem Bereich Selbstverwaltung anzusehen ist. Der Verpflichtung zur Archivierung gemäß Abs. 3 kann auch dadurch nachgekommen werden, indem das Archivgut den Landesarchiven zur Archivierung unter Sicherstellung der Zugänglich­keit nach diesem Bundesgesetz mittels Vertrag übertragen wird.

Hinsichtlich der Einrichtungen gemäß § 2 Z 4 lit. c bis e und hinsichtlich der juristischen Personen öffentlichen Rechts, die weder Körperschaften, Anstalten noch Fonds sind, wird das Österreichische Staatsarchiv (falls der erwähnte Entwurf der Novelle des Denkmalschutzgesetzes nicht Gesetz wird, das Archivamt), sofern nicht bereits erfolgt, nach dem Denkmalschutzgesetz eine entsprechende Unterschutz­stellung der Archivalien mittels Bescheid vorzunehmen haben.

Im Abs. 4 ist für den Bundeskanzler ausdrücklich eine Ermächtigung vorgesehen, die Archivierung von archivwürdigem Bild-, Film- und Tonmaterial auch Dritten zu übertragen. Dadurch ist es möglich, Einrichtungen, die die technische Ausstattung und entsprechende Erfahrung aufweisen, mit diesen Auf­gaben zu betrauen. Dies erfolgt bereits derzeit, in dem derartiges Material dem Verein “Audiovisuelles Zentrum” in Form eines Werkvertrages übertragen worden ist.

Abs. 6 enthält die Ermächtigung, bestimmtes Archivgut des Bundes den Ländern ins Eigentum zu übertragen.

Zu § 4:

Das Archivregister, das vom Österreichischen Staatsarchiv zu führen ist, soll der allgemeinen Information über die in Archiven gelagerten Bestände dienen.

In Deutschland führen manche Archive ein derartiges Register für die eigenen Archivbestände bereits im Internet.

Das Österreichische Staatsarchiv wird entsprechend der ihm zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten das Register nach dieser Bestimmung unentgeltlich über das Internet bereitzustellen haben.

Unter dem Begriff “Archive” in Abs. 2 Z 1 sind nicht nur die Archive des Bundes zu verstehen.

Zu § 5:

Abs. 1 regelt die Verpflichtung der Bundesdienststellen, das bei ihnen angefallene Schriftgut dem Österreichischen Staatsarchiv anzubieten, sofern die betreffenden Bundesdienststellen kein eigenes Archiv im Sinne dieses Gesetzes führen (siehe § 3 Abs. 2).

Das Schriftgut sowie das Archivgut in Form von Bild-, Video- und Tonmaterial kann bereits vor Ablauf der Schutzfrist zur Übernahme angeboten werden.

Nicht darunter fällt jenes Schriftgut, daß bei der Bundesdienststelle nur verwahrt wird und auf Grund besonderer Regelungen an die Betroffenen wieder auszuhändigen ist. So sind beispielsweise gemäß § 7 Abs. 10 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Leistungsbeurteilung in Pflichtschulen und mittleren und höheren Schulen, BGBl. Nr. 371/1974, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 35/1997 nach dem Ende des Schuljahres Schularbeiten ein Jahr an der Schule aufzubewahren. Nach Ablauf dieser Frist können die Schularbeiten vernichtet oder dem Schüler auf dessen Verlangen ausgefolgt werden. Derartiges Schriftgut ist aus dem Blickwinkel des Urheberrechtes zu beurteilen. Im § 15 des Entwurfes ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz durch diesen Entwurf nicht berührt werden.

Durch die Regelung im Abs. 3 soll einerseits der Erhalt dieser Informationen für die Geschichtsforschung sichergestellt und andererseits den Erfordernissen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes Rechnung getragen werden. Letzteres ist vor allem dadurch gewährleistet, da auch der abgebenden Stelle bis zum Ablauf der Schutzfrist gemäß § 8 Abs. 3 der Zugang zu diesen Unterlagen und Daten grundsätzlich verwehrt ist.

In Abs. 6 ist eine Sonderregelung notwendig, da die Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz in den §§ 167 ff ausführliche Regelungen über die Aufbewahrung von Akten, Urkunden und Registern sowie die Einsichtnahme in diese enthält. Überdies sind Fristen für die Dauer der Aufbewahrung festgelegt und für bestimmte Akten bzw. Aktenteile deren dauernde Aufbewahrung vorgesehen. § 173 Abs. 2 Geschäftsordnung sieht vor, daß bestimmte der dauernd aufzubewahrenden Akten und Aktenteile nach Ablauf von 50 Jahren dem Archiv des Bundeslandes auf dessen Verlangen zu übergeben sind, sofern es sich schriftlich verpflichtet, diese Akten bzw. Aktenteile dauernd aufzubewahren. Nach § 176 Abs. 3 sind Akten, die auszuscheiden und zu vernichten sind, zuvor dem Archiv des Bundeslandes zur Übernahme anzubieten. Auf Grund der nunmehr vorgesehenen Regelung im Abs. 6 sind diese Akten vorher dem Österreichischen Staatsarchiv anzubieten.

Das OGH-Gesetz, BGBl. Nr. 328/1968, enthält im § 19 Regelungen über die Aktenaufbewahrung. Der­artige gesetzliche Regelungen bestehen für den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof nicht. Der vorliegende Entwurf soll nunmehr auch für diese Bereiche die entsprechende gesetzliche Grundlage bilden. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, daß nach § 3 Abs. 2 des Entwurfes die Höchstgerichte eigene Archive führen können. Es besteht daher für diese Gerichte keine Verpflichtung, die Akten dem Österreichischen Staatsarchiv anzubieten, wenn sie eigene Archive führen.

Im Zuge des Anbietens von Schriftgut entscheidet nach Abs. 7 das Österreichische Staatsarchiv endgültig, welches Schriftgut denkmalgeschützt ist, indem es als Archivgut qualifiziert wird.

In Abs. 7 ist außerdem die Verpflichtung enthalten, nicht archivwürdiges Schriftgut der Bundesdienst­stellen zu skartieren. Die Skartierungsbestimmung ist vor dem Hintergrund der Ersparnis von Lager­flächen zu sehen. Die Skartierungsverpflichtung gilt nicht für Bild-, Film-, Video- und Tonmaterial. Durch diese Ausnahme soll eine Verwertungsmöglichkeit für das “nicht-archivwürdige” Bild-, Film-, Video- und Tonmaterial offen bleiben.

Zu § 6:

Da nur die Bundesdienststellen, bei denen das Schriftgut anfällt, Kenntnis über den Fristablauf haben können, ist im Abs. 1 eine entsprechende Informationspflicht gegenüber dem Österreichischen Staats­archiv festgelegt.

Das Österreichische Staatsarchiv hat im Interesse einer raschen Entscheidung innerhalb eines Jahres endgültig festzustellen, welche Unterlagen archivwürdig sind. Trifft das Österreichische Staatsarchiv innerhalb dieser Frist keine Entscheidung, so gelten diese Unterlagen als archivunwürdig.

Die Bestimmung des Abs. 3 ist in der besonderen Sensibilität dieser Unterlagen begründet. Nach Ablauf der Sperrfrist von 25 Jahren, die auch für das Österreichische Staatsarchiv gilt, ist zwar ein Zugang zu diesen Unterlagen auf Grund der grundsätzlich 30jährigen Frist noch nicht möglich; nach Ablauf der 25jährigen Frist kann das Österreichische Staatsarchiv jedoch diese Unterlagen erschließen.

Zu § 7:

Die Regelung im Abs. 1 ist in Verbindung mit Abs. 4 zu sehen.

Im Interesse der historischen Wahrheit ist die Möglichkeit einer Richtigstellung in Form einer Gegendar­stellung zu unrichtigen personenbezogenen Daten im Abs. 4 vorgesehen.

Die Regelung im letzten Satz des Abs. 4 ist damit begründet, daß in derartigen Verfahren die betreffenden Tatsachen bereits unter Mitwirkung der Betroffenen abschließend festgestellt werden.

Zu § 8:

Die in dieser Bestimmung vorgesehene grundsätzliche Sperrfrist von 30 Jahren entspricht den internatio­nalen Standards. Dies gilt auch für die Verlängerung der Sperrfrist auf 50 Jahre im Abs. 2.

Die längere Schutzfrist gemäß Abs. 3 ist aus datenschutzrechtlichen Gründen erforderlich.

Die Verkürzung der Schutzfrist im Abs. 4 auf 20 Jahre ist in Abwägung des Interesses an wissenschaft­licher Forschung und der Geheimhaltungsinteressen zu treffen. Der Einsichtswerber wird genau das Forschungsvorhaben darlegen zu haben. Der Umfang der Einsichtsgewährung ist auf das Forschungsvor­haben abzustellen. Weiters muß sichergestellt sein (etwa durch entsprechende Pönalevereinbarungen), daß die Informationen ausschließlich für das Forschungsvorhaben verwendet und nicht an Dritte weiterge­geben werden.

Zu § 9:

Im Abs. 1 ist das jedermann zustehende Recht normiert, nicht mehr den Schutzfristen unterliegendes Archivgut des Bundes zu nutzen. Dieses Recht ist jedoch nicht ein öffentlich-rechtliches, sondern ein privatrechtliches. Die Durchsetzung dieses Rechtes kann daher nur im Zivilrechtswege erfolgen. Siehe dazu auch die kompetenzrechtlichen Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen.

Die Regelung im Abs. 2 ist auf Grund der Verkürzung der Schutzfristen gerechtfertigt.

Die in Abs. 3 und 4 vorgesehenen Möglichkeiten der Untersagung und Einschränkung der Nutzung von Archivgut ist aus Gründen des Schutzes des Archivgutes, auf Grund berechtigter Interessen Dritter oder aus verwaltungsökonomischen Gründen notwendig.

Zu § 10:

 

Durch die Benutzungsordnungen, die zivilrechtlich als allgemeine Vertragsbedingungen für den Zugang zum Archivgut zu werten sind, sollen im Interesse der Transparenz die Zugangsbedingungen offengelegt werden.

Zu § 12:

Diese Regelung entspricht der zur Zeit geltenden Rechtslage (siehe dazu § 10 Behörden-Überleitungs­gesetz, StGBl. Nr. 94/145).

Ergänzend ist auf § 19 Abs. 2 Z 1 des Entwurfes zu verweisen.

Zu §§ 13 und 14:

Diese Regelungen entsprechen der derzeit geübten Praxis.

Zu §§ 17 und 18:

Diese Bestimmungen sind Standardregelungen in Bundesgesetzen.

Zu § 19:

§ 10 Abs. 3 des Behörden-Überleitungsgesetzes legt nämlich die innere Organisation des Österreichischen Staatsarchivs fest. Dies hat sich in der Vergangenheit im Sinne einer größeren Flexibilität als nachteilig herausgestellt. Aus diesem Grund soll diese Bestimmung des Behörden-Überleitungsgesetzes aufgehoben werden.