2002 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über die Regierungsvorlage (1776 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (56. Novelle zum ASVG)


Mit Entschließung vom 29. November 1996, E 33-NR/XX. GP, hat der Nationalrat den Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ersucht, im Rahmen seiner Kompetenzen die Voraussetzungen für die Einführung eines Chipkartensystems im Rahmen der Sozialversicherung möglich zu machen. In diesem Zusammenhang hat der Nationalrat auch verlangt, daß durch das neue System keine zusätzlichen Belastungen entstehen, das Recht auf Geheimhaltung medizinischer Daten der Versicherten gewahrt bleibt und die Wirtschaft, die sich durch die Einführung der Chipkarte Verwaltungskosten erspart, einen entsprechenden Beitrag zur Finanzierung leistet.

Durch die gegenständliche Regierungsvorlage sollen nun die rechtlichen Voraussetzungen für die Einfüh­rung dieses Chipkartensystems geschaffen werden. Die finanziellen Voraussetzungen hiefür wurden bereits im Rahmen einer am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Novelle zum Entgeltfortzahlungsgesetz (BGBl.  I Nr. 112/1998) geschaffen.

Der gegenständliche Gesetzentwurf hat im wesentlichen folgende Maßnahmen zum Inhalt:

–   Verpflichtung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, für den gesamten Vollzugsbereich der Sozialversicherung ein elektronisches Verwaltungssystem sicherzustellen;

–   Verpflichtung der berechtigten Verwender (das sind die Versicherten, ihre Dienstgeber und die Vertragspartner der Sozialversicherungsträger sowie die Sozialversicherungsträger selbst), am neuen System teilzunehmen;

–   Gestaltung der Chipkarten als “Schlüsselkarten”;

–   taxative Aufzählung jener Daten, die auf den Chipkarten gespeichert werden dürfen; Anführung jener Daten, die die Chipkarten keinesfalls enthalten dürfen (Gewährleistung von Datenschutz und Daten­sicherheit);

–   Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der Durchführung des Gesetzes;

–   Schaffung einer Ermächtigung für den Hauptverband, die näheren Bestimmungen über die Organisation und die Technik des neuen Verwaltungssystems einschließlich seiner Applikationen durch Verordnung zu regeln;

–   Verpflichtung des Hauptverbandes zur Beistellung der Grundausstattung (Hard- und Software) für die Verwendung des neuen Verwaltungssystems;

–   Ersatz des Krankenscheines durch die Sozialversicherungs-Chipkarten spätestens zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Der Ausschuß für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Juni 1999 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuß war die Abgeordnete Ridi Steibl.

In der Debatte, an der sich die Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Helmut Dietachmayr, Karl Donabauer, Dipl.-Kfm. Dr. Günter Stummvoll sowie die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch beteiligten, wurde von den Abgeordneten Annemarie Reitsamer und Dr. Gottfried Feurstein ein Abänderungsantrag betreffend Änderung des Einleitungssatzes der Novelle sowie betreffend folgende Bestimmungen des ASVG eingebracht: § 31a Abs. 1 und 2, Anfügung eines Abs. 5 im § 31a, § 31b Abs. 1, 2 und 4, § 31c Abs. 1 und 3. Weiters wurde in diesem Abänderungsantrag eine Streichung von Z 3 der Regierungsvorlage betreffend Anfügung eines § 581 vorgeschlagen.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des oberwähnten Abände­rungsantrages der Abgeordneten Annemarie Reitsamer und Dr. Gottfried Feurstein mit Stimmen­einhelligkeit angenommen.


Zu den Abänderungen bzw. Ergänzungen gegenüber der Regierungsvorlage ist folgendes zu bemerken:

Zum Einleitungssatz der Novelle:

Die Zitierung der Fundstelle der letzten Änderung des ASVG wäre zu aktualisieren.

Zu § 31a Abs. 1 und 5:

Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 95/46/EG (“EG-Datenschutzrichtlinie”) dürfen personen­bezogenen Daten grundsätzlich nur für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden. Dem­entsprechend sollen bundesgesetzliche Regelungen, die eine Verwendung des ELSY zu anderen Zwecken vorsehen bzw. eine Erweiterung der auf der Chipkarte gespeicherten Datenarten ermöglichen, nur soweit zulässig sein, als der neue Verwendungszweck nicht unvereinbar mit dem ursprünglichen ist. Dem Datenschutzrat soll insbesondere zur Frage, inwieweit neue Verwendungszwecke mit dem ursprünglichen Verwendungszweck vereinbar oder unvereinbar sind, ein Anhörungsrecht eingeräumt werden.

Zu § 31a Abs. 2:

Durch die vorgeschlagene Änderung soll klargestellt werden, daß die Zustimmung des Betroffenen im Sinne des Datenschutzgesetzes erforderlich ist, um auf dessen persönliche Daten zugreifen zu dürfen.

Zu § 31b Abs. 1:

Hier soll klargestellt werden, daß die Sozialversicherungsträger bzw. der Hauptverband weiterhin Auftraggeber im Sinne des Datenschutzgesetzes bleiben; die in § 31b Abs. 1 erwähnte juristische Person fungiert als Dienstleister im Sinne des Datenschutzgesetzes.

Zu § 31b Abs. 2:

Die Zusammensetzung der Generalversammlung einer nach § 31b Abs. 1 ASVG errichteten Gesellschaft soll nach den Prinzipien der Selbstverwaltung obligatorisch der personellen Zusammensetzung des geschäftsführenden Organs des Hauptverbandes folgen.

Zu § 31b Abs. 4 und § 31c Abs. 1:

Die Termine für die Einführung der Chipkarten als Krankenscheinersatz sollen nicht einseitig vom Haupt­verband verordnet, sondern vertraglich festgesetzt werden.

Es wird davon ausgegangen, daß die einschlägigen Inhalte gesamtvertraglicher Regelungen nicht Gegen­stand der Verordnung gemäß § 31b Abs. 4 ASVG sind.

Zum Entfall von § 31c Abs. 3 in der Fassung der Z 1 der Regierungsvorlage:

Im Hinblick auf die mittlerweile im Rahmen eines Gesamtvertrages zwischen dem Hauptverband und der Österreichischen Ärztekammer getroffenen Vereinbarungen können die im Abs. 3 des § 31c ASVG vorgeschlagenen Regelungen entfallen.

Zum Entfall der Z 3 der Regierungsvorlage (§ 581 ASVG):

Um das Projekt “Chipkarte” zu beschleunigen, soll die verbindende Kraft dieses Bundesgesetzes bereits nach Ablauf des Tages der Kundmachung beginnen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuß für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1999 06 30

                                      Ridi Steibl                                                                 Annemarie Reitsamer

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (56. Novelle zum ASVG)


Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundes­gesetz BGBl. I Nr. 68/1999, wird wie folgt geändert:

1. Der 4. Unterabschnitt des Abschnittes III des Ersten Teiles lautet:

“4. Unterabschnitt

Elektronisches Verwaltungssystem

§ 31a. (1) Der Hauptverband hat für den gesamten Vollzugsbereich der Sozialversicherung ein elektronisches Verwaltungssystem (im folgenden ELSY genannt) flächendeckend einzuführen und dessen Betrieb sicherzustellen. Das ELSY hat die Verwaltungsabläufe zwischen Versicherten, Dienstgebern, Vertragspartnern und diesen gleichgestellten Personen sowie Sozialversicherungsträgern zu unterstützen und ist so zu gestalten, daß die von den Sozialversicherungsträgern zu vollziehenden Gesetze weitgehend ohne papierschriftliche Unterlagen vollzogen werden können; für andere Zwecke darf das ELSY nur mit bundesgesetzlicher Ermächtigung und nur soweit verwendet werden, als diese Zwecke mit dem vor­stehenden Zweck im Sinne der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. Nr. L 281 vom 23. 11. 1995 S 31, nicht unvereinbar sind. Seine Bestandteile (Chipkarten, autorisierte Lesegeräte, Programme) sind verbind­lich im Rahmen der jeweils vorgesehenen Aufgaben zu verwenden.

(2) Das ELSY hat Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten. Auf die im ELSY verwendeten Daten sind die Bestimmungen über den öffentlichen Bereich des Datenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 565/1978, anzuwenden. Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten sind bundesweit einheitlich und als Schlüsselkarten zu gestalten, die dem berechtigten Verwender nach Zustimmung des Betroffenen den Zugriff auf persönliche Daten, die bei anderen Stellen gespeichert sind, möglich machen.

(3) Auf den innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten dürfen nur folgende Daten gespeichert werden:

           1. Angaben zur Person, für die die Chipkarte ausgestellt wurde:

                a) Namen, Geburtsdatum, Geschlecht;

               b) Versicherungsnummer (§ 31 Abs. 4 Z 1);

           2. Bezeichnung des Chipkartenausstellers, Datum der Ausstellung und Chipkartennummer samt Gültigkeitskennzeichnung;

           3. sonstige Daten, deren Speicherung bundesgesetzlich vorgesehen ist.

(4) Folgende Daten dürfen die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten keinesfalls enthalten:

           1. Diagnosen und andere Gesundheitsdaten;

           2. Einkommens- und Vermögensdaten;

           3. Personenstandsdaten, die über die in Abs. 3 Z 1 genannten Daten hinausgehen.

(5) Zu Fragen der Unvereinbarkeit neuer Verwendungszwecke im Sinne des Abs. 1 sowie zu Fragen der Speicherung sonstiger Daten auf den innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten nach Abs. 3 Z 3 ist der Datenschutzrat unter Setzung einer angemessenen Frist jedenfalls anzuhören.

Durchführung des ELSY


§ 31b. (1) Der Hauptverband ist zur Durchführung der in § 31a getroffenen Anordnungen ermächtigt,

           1. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu errichten,

           2. die Beteiligung von juristischen Personen an der von ihm errichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung zuzulassen,

           3. sich an juristischen Personen des Privatrechts zu beteiligen;

eine Beteiligung nach Z 2 oder nach Z 3 ist nur dann zulässig, wenn sie an oder von juristischen Personen erfolgt, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen (Art. 121 Abs. 1 B-VG), und dem Haupt­verband maßgeblicher Einfluß auf die Geschäftsführung jener juristischen Person zukommt, die das ELSY betreibt. Die Verantwortlichkeit des Hauptverbandes und der Versicherungsträger als datenschutz­rechtliche Auftraggeber bleibt auch im Fall der Errichtung oder Beteiligung an einer juristischen Person im Sinne der Z 1 bis 3 unberührt.

(2) Im Gesellschaftsvertrag einer vom Hauptverband nach Abs. 1 errichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist vorzusehen, daß sich die Mitglieder der Generalversammlung im selben Verhält­nis auf die Gruppe der Dienstnehmer und die Gruppe der Dienstgeber verteilen wie die Mitglieder des geschäftsführenden Organs des Hauptverbandes. Eine solche Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt als durch Gesetz eingerichteter Rechtsträger des öffentlichen Bereiches im Sinne des Datenschutzgesetzes und als Versicherungsträger im Sinne der §§ 109 und 110.

(3) Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten sind von dem nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz zuständigen Krankenversicherungsträger auszustellen. Ist kein zuständiger Kran­kenversicherungsträger vorhanden, so sind diese Chipkarten von der Gebietskrankenkasse jenes Landes auszustellen, in dem sie voraussichtlich hauptsächlich verwendet werden.

(4) Näheres über die Organisation und Technik des ELSY sowie über seine Verwendung ist durch Verordnung des Hauptverbandes nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der volkswirtschaft­lichen Zweckmäßigkeit von Chipkartensystemen zu regeln. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen. Sie ist in der Fachzeitschrift “Soziale Sicherheit” zu verlautbaren (§ 31 Abs. 9).

Krankenscheinersatz

§ 31c. (1) Die innerhalb des ELSY zu verwendenden Chipkarten haben alle Arten des Kranken­scheins (Krankenkassenschecks, Behandlungsscheine, Patientenscheine, Arzthilfescheine) zu ersetzen. Sie sind zu diesem Zweck ab dem Zeitpunkt ihrer Einführung bei jeder Inanspruchnahme eines Vertrags­partners (§§ 338 ff) vorzulegen. Die Einführung ist bundeseinheitlich zwischen dem Hauptverband und der jeweils in Betracht kommenden Interessenvertretung durch Gesamtvertrag zu vereinbaren. Bei Einzel­verträgen ohne Gesamtvertrag ist die Einführung zwischen den Vertragspartnern des Einzelvertrages zu vereinbaren.

(2) Zum Zweck des Krankenscheinersatzes dürfen auf den Chipkarten unbeschadet des § 31a Abs. 3 folgende Daten gespeichert werden:

           1. Angaben betreffend Ansprüche gegenüber dem zuständigen Versicherungsträger;

           2. Bezeichnung der in Anspruch genommenen Vertragspartnergruppe;

           3. Angaben über Rezeptgebührenbefreiungen auf Dauer.

2. Der bisherige 4. Unterabschnitt des Abschnittes III des Ersten Teiles erhält die Bezeichnung “5. Unter­abschnitt”.