233 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Familienausschusses


über den Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich [9/A(E)]


Die Abgeordneten Dr. Volker Kier, Klara Motter und Genossen haben diesen Entschließungsantrag am 15. Jänner 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:


„In der Absichtserklärung des Regierungsübereinkommens 1994 war bereits nachzulesen, daß
soziale Leistungen sich in Zukunft verstärkt am Einkommen orientieren sollen – im Wahlkampf 1995 wurde diese Notwendigkeit erneut herausgestrichen. Allerdings wurde weder im Sparpaket I – das eine lineare Kürzung der Familienbeihilfen vorgenommen hat – noch in den Verhandlungen zum Sparpaket II diesem Grundsatz ausreichend Rechnung getragen. Nach wie vor wird an einer einkommensunabhängigen Auszahlung der Familienbeihilfen festgehalten; lediglich bei den Geburtenbeihilfen – die in Summe nur einen Bruchteil der Kosten der Familienbeihilfen verursachen – wird über eine einkommensabhängige Staffelung nachgedacht. Das immer wieder ins Spiel gebrachte Argument, daß eine solche Staffelung verfassungswidrig wäre, läßt sich nicht aufrecht erhalten, wenn man die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet.

Auch die Studie „Ob arm, ob reich, für alle gleich?“, die von der Gewerkschaft der Privatangestellten in Auftrag gegeben wurde, und sich mit der Verteilungswirkung von Sozialleistungen befaßt, kommt zu dem Schluß, daß das Gießkannenprinzip im Bereich der Familienbeihilfen nicht mehr beibehalten werden sollte. Einige Zitate aus dem Resümee der Studie verdeutlichen, worum es geht:

„Wie bisher aufgezeigt wurde, sind die familienpolitischen Leistungen nicht sozial ausgewogen. (. . .) Eine soziale Familienpolitik muß über eine familienbezogene Förderungspolitik hinausgehen und sich für die soziale Besserstellung der unteren Einkommensbezieher/innen einsetzen. (. . .) Die Zahlen sprechen wohl für sich. Es geht um eine grundsätzliche Entscheidung: Sollen Familien an sich gefördert werden, unabhängig von sozialer Bedürftigkeit, oder will man Kindern helfen, die unter tristen sozialen Bedingungen heranwachsen und genauso triste Zukunftsperspektiven vor sich haben? (. . .) Familienpolitik sollte endlich ihren ideologischen Charakter verlieren und sich in erster Linie um die Lebensbedingungen kümmern, unter denen Kinder in unserer Gesellschaft heranwachsen.“

Auch eine Wifo-Studie über die Umverteilungswirkung von Steuern und Sozialleistungen gelangt zu ähnlichen Schlüssen: 49,5% aller Bildungsausgaben kommen jenem Drittel der Haushalte zugute, das die höchsten Einkommen hat. Das arme Drittel erhält nur 15,3%. Das obere Einkommensdrittel lukriert 45,5% der Familienbeihilfen, das untere Einkommensdrittel hingegen nur 17,0%. Konsequenterweise folgert das Wifo: Wer das Budget vor allem auf Kosten der besser Verdienenden sanieren will, muß in diesen Bereichen einsparen.

Die Studien belegen, daß nahezu alle Leistungen aus dem FLAF unabhängig von der jeweiligen Einkommenssituation zur Verfügung stehen. Aus oben dargelegten Gründen halten wir eine Strukturmaßnahme dahingehend, daß bei Transferleistungen, wie der Familienbeihilfe und der Geburtenbeihilfe – die schließlich über das Instrument des Familienlastenausgleichsfonds von allen Österreichern finanziert werden – sehr wohl auf die finanzielle Situation der Eltern Bedacht genommen werden sollte, für notwendig.

Die derzeit im Einkommenssteuergesetz geregelten Kinderabsetzbeträge haben als solche zu entfallen – die rund 10 Milliarden, die dem Steuerzahler durch eine solche Maßnahme an Steuerbegünstigung verloren gehen, müssen selbstverständlich – ebenso wie die Gelder, die derzeit über den Familienlastenausgleichsfonds als Familienbeihilfe ausbezahlt werden – in einem Topf konzentriert werden, sodaß über diesen eine gerechte Verteilung der Gelder erfolgen kann. Als Ausgleich könnten in einem ersten Schritt die entsprechenden Dienstgeberbeiträge gesenkt werden, was durch die damit einhergehende Lohnnebenkostensenkung wiederum einen positiven beschäftigungspolitischen Effekt verspricht. Mittel- bis langfristig sind die derzeit von Dienstgebern geleisteten Beiträge für die Familienleistungen gänzlich durch Gelder, die über die Energiesteuer dem Staat zufließen, zu ersetzen. Auch das Karenzurlaubszuschußgesetz (KUZuG) und die Familienzuschläge im AlVG müssen angepaßt werden.“


Der Familienausschuß hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 2. Juli 1996 in Verhandlung genommen. Berichterstatterin im Ausschuß war die Abgeordnete Klara Motter. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Karl Öllinger, Edith Haller sowie der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Familienausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 1996 07 02

                               Hannelore Buder                                                                 Dr. Ilse Mertel

                                 Berichterstatterin                                                                          Obfrau