252 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 25. 7. 1996

Regierungsvorlage

Bundesgesetz über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG)

Artikel I

Änderung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 25/1995, wird wie folgt geändert:

1. § 215 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

,,Eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO und deren Vollzug nach § 382d EO kann der Jugendwohlfahrtsträger als Sachwalter des Minderjährigen beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat; § 212 Abs. 4 gilt hiefür entsprechend.“

Artikel II

Änderungen der Exekutionsordnung

Die Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 519/1995, wird wie folgt geändert:

1. § 26 Abs. 2 Satz 1 hat zu lauten:

,,Die Vollstreckungsorgane können zur Beseitigung eines ihnen entgegengestellten Widerstands die den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unmittelbar um Unterstützung ersuchen.“

2. § 55 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

,,Jede Partei kann verlangen, daß außer ihrem Bevollmächtigten einer Person ihres Vertrauens die Anwesenheit bei ihrer mündlichen Einvernahme gestattet werde. Der Vertrauensperson kann die Anwesenheit untersagt werden, wenn begründete Besorgnis besteht, daß die Anwesenheit zur Störung der Einvernahme oder zur Erschwerung der Sachverhaltsfeststellung mißbraucht werde.“

3. In § 177 Abs. 3 wird das Wort ,,Sicherheitsorgane“ durch die Worte ,,den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes“ ersetzt.

4. § 382 Abs. 1 Z 8 lit. b und Abs. 2 werden aufgehoben.

5. Nach § 382a werden folgende Bestimmungen eingefügt:

,,Schutz vor Gewalt in der Familie

§ 382b. (1) Das Gericht hat einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag

        1.   das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und

        2.   die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten,

1

wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.

(2) Das Gericht hat einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf dessen Antrag

        1.   den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten und

        2.   aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden,

soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.

(3) Nahe Angehörige im Sinn der Abs. 1 und 2 sind:

         1. a)  Ehegatten und Lebensgefährten,

              b)  Geschwister und Verwandte in gerader Linie, einschließlich der Wahl- und Pflegekinder sowie der Wahl- und Pflegeeltern,

              c)  die Ehegatten und Lebensgefährten der unter lit. b genannten Personen,

         2. a)  Verwandte in gerader Linie, einschließlich der Wahl- und Pflegekinder und der Wahl- und Pflegeeltern, des Ehegatten oder Lebensgefährten, sowie

              b)  Geschwister des Ehegatten oder Lebensgefährten,

wenn sie mit dem Antragsgegner in häuslicher Gemeinschaft leben oder innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung gelebt haben.

(4) Eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 oder 2 kann unabhängig vom Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft der Parteien und auch ohne Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, einem Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse oder einem Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung erlassen werden, doch darf, solange ein solches Verfahren nicht anhängig ist, die Zeit, für die eine derartige Verfügung getroffen wird, insgesamt drei Monate nicht übersteigen.

Verfahren und Anordnung

§ 382c. (1) Von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 ist insbesondere abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung durch den Antragsgegner unmittelbar droht. Dies kann sich vor allem aus einem Bericht der Sicherheitsbehörde ergeben, den das Gericht von Amts wegen beizuschaffen hat; die Sicherheitsbehörden sind verpflichtet, solche Berichte den Gerichten unverzüglich zu übersenden. Wird jedoch der Antrag ohne unnötigen Aufschub nach einem Rückkehrverbot gestellt (§ 38a Abs. 7 SPG), ist dieser dem Antragsgegner unverzüglich zuzustellen.

(2) Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung ist, wenn der Antragsteller nichts anderes beantragt, dem Antragsgegner durch das Vollstreckungsorgan beim Vollzug zuzustellen. Dieser Zeitpunkt ist dem Antragsteller mitzuteilen.

(3) Vom Inhalt des Beschlusses, mit dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b entschieden wird, und von einem Beschluß, mit dem die einstweilige Verfügung aufgehoben wird, sind auch

        1.   im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, sonst die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde,

        2.   ist eine der Parteien minderjährig, auch der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger

unverzüglich zu verständigen.

(4) Hat der Antragsgegner gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus Anlaß einer Wegweisung nach § 38a Abs. 3 SPG eine Abgabestelle bekanntgegeben, so gilt diese als Abgabestelle für das gerichtliche Verfahren. Hat der Antragsgegner eine solche Bekanntgabe trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen unterlassen, so können die Zustellungen im Verfahren über die einstweilige Verfügung durch Hinterlegung so lange ohne vorausgehenden Zustellversuch vorgenommen werden (§§ 8 und 23 Zustellgesetz), bis dem Gericht eine Abgabestelle bekanntgegeben wird.

Vollzug

§ 382d. (1) Einstweilige Verfügungen nach § 382b Abs. 1 sind sofort von Amts wegen oder auf Antrag zu vollziehen.

(2) Das Vollstreckungsorgan hat den Antragsgegner aus der Wohnung zu weisen und ihm alle Schlüssel zur Wohnung abzunehmen und bei Gericht zu erlegen. Es hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Mitnahme seiner persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie jener Sachen zu gewähren, die seinem alleinigen persönlichen Gebrauch oder der Ausübung seines Berufs dienen.

(3) Ist der Antragsgegner beim Vollzug nicht anwesend, so hat ihm das Vollstreckungsorgan auf seinen Antrag binnen zweier Tage Gelegenheit zu geben, seine Sachen im Sinn des Abs. 2 aus der Wohnung abzuholen. Auf dieses Recht ist der Antragsgegner vom Vollstreckungsorgan durch Hinterlassung einer Nachricht an der Wohnungstüre hinzuweisen.

(4) Das Gericht kann auch die Sicherheitsbehörden mit dem Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 durch die ihnen zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beauftragen. In diesem Fall sind diese Organe als Vollstreckungsorgane jeweils auf Ersuchen des Antragstellers verpflichtet, den einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen und dem Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, darüber zu berichten.“

6.    § 387 Abs. 3 wird wie folgt geändert:

a)   Nach dem Zitat ,,§ 382 Abs. 1 Z 8“ wird das Zitat ,,oder nach § 382b“ eingefügt.

b)   Folgender Satz wird angefügt:

,,Wird nur eine einstweilige Verfügung nach § 382b Abs. 2 beantragt, so ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“

7. In § 390 Abs. 4 wird das Zitat ,,dem § 382 Abs. 1 Z 8 oder dem § 382a“ durch das Zitat ,,§ 382 Abs. 1 Z 8, § 382a oder § 382b“ ersetzt.

8. In § 393 Abs. 2 wird das Zitat ,,§ 382 Abs. 1 Z 8 lit. b und Abs. 2“ durch das Zitat ,,§ 382b“ ersetzt.

Artikel III

Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes

Das Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 201/1996, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 38 wird folgender § 38a samt Überschrift eingefügt:

,,Wegweisung und Rückkehrverbot bei Gewalt in Wohnungen

§ 38a. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind überdies ermächtigt, dem Betroffenen die Rückkehr in den nach Abs. 1 bestimmten Bereich zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Rückkehrverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen.

(3) Im Falle eines Rückkehrverbotes sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet, vom Betroffenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der Zustellung einer Information über die Aufhebung des Rückkehrverbotes oder einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO zu verlangen. Unterläßt er dies, kann die Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf ist der Betroffene hinzuweisen.

(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind weiters verpflichtet, den Gefährdeten von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO und von geeigneten Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 2) zu informieren.

(5) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Rückkehrverbotes ist nicht bloß auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände, sondern auch auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach § 382b EO von Bedeutung sein können.

(6) Die Anordnung eines Rückkehrverbotes ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Sie hat, sobald sich ergibt, daß die Voraussetzungen für die Anordnung des Rückkehrverbotes nicht mehr bestehen, dieses aufzuheben und hievon den Betroffenen und den Gefährdeten unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des Rückkehrverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO bei Gericht zu erlegen.


(7) Das Rückkehrverbot endet mit Ablauf des siebenten Tages nach seiner Anordnung; es endet in jenen Fällen, in denen das Gericht die Sicherheitsbehörde von einem ohne unnötigen Aufschub eingebrachten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO in Kenntnis gesetzt hat, mit dem vom Gericht bekanntgegebenen Tag der Entscheidung, spätestens jedoch nach 14 Tagen.“

2. § 56 Abs. 1 wird folgende Z 8 angefügt:

      ,,8.   an geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 2), soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen erforderlich ist.“

3. § 84 Abs. 1 lautet:

,,(1) Wer

        1.   einem mit Verordnung gemäß § 36 Abs. 1 erlassenen Verbot zuwider einen Gefahrenbereich betritt oder sich in ihm aufhält oder

        2.   ein Rückkehrverbot gemäß § 38a Abs. 2 mißachtet oder

        3.   einer mit Verordnung gemäß § 49 Abs. 1 getroffenen Maßnahme, deren Nichtbefolgung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, zuwiderhandelt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5 000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.“

4. § 94 wird folgender Abs. 4 angefügt:

,,(4) Die §§ 38a, 56 Abs. 1 Z 8 und 84 Abs. 1 in der Fassung des BGBl. Nr. .../1996 treten mit dem 1. Jänner 1997 in Kraft.“

5. In § 98 Abs. 2 treten an die Stelle des Ausdrucks ,,des § 47 Abs. 3“ die Worte ,,der §§ 38a Abs. 5 und 47 Abs. 3“.

Artikel IV

Übergangs- und Schlußbestimmung

Art. I und II dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft. Sie sind auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 anhängig gemacht worden sind.

 

vorblatt

Problem:

2

Gewalt in der Familie ist in unserer Gesellschaft ein weitverbreitetes Phänomen, das in verschiedenen Ausprägungen in allen Gesellschaftsschichten auftritt. Die Realisierung des Schutzes der körperlichen Sicherheit auch im häuslichen Bereich stößt jedoch auf Schwierigkeiten, was insbesondere auf drei Ursachen zurückzuführen ist:

         –   Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit dem dem Gewalttäter das Verlassen der Wohnung aufgetragen wird, in der Exekutionsordnung sind zu streng. Auch die Sanktion zur Durchsetzung dieser einstweiligen Verfügung, die Verhängung von Beugestrafen, hat sich nicht bewährt.

         –   Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können zur Zeit bei Gewalt in der Familie nur einschreiten, wenn auch eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt. Die derzeitigen Regelungen des Sicherheitspolizeigesetzes erfassen nicht auch die Aufgabenstellung des vorbeugenden Schutzes gegen drohende Gewalttaten in der Familie.

Ziel:

Diese Mängel sollen durch den Entwurf beseitigt werden.

Inhalt:

         –   Das Institut der einstweiligen Verfügung wird auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet, die Voraussetzungen werden entschärft und die Durchsetzung wird erleichtert.

         –   Die Kooperation zwischen Gerichten und Sicherheitsbehörden bei Gewalt in der Familie wird verbessert.

         –   Den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden zusätzliche Kompetenzen zum Einschreiten bei Gewalt in der Familie übertragen.

Alternativen:

Alternativen, die die gleichen Ergebnisse erreichen, gibt es nicht, will man nicht dem österreichischen Recht vollkommen fremde und systemwidrige Rechtsinstitute schaffen.

Kosten:

Die Errichtung von Opferschutzeinrichtungen und besondere Schulung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgen im Rahmen der allgemeinen Aufgaben des Bundesministeriums für Inneres auf dem Gebiet der Sicherheitspolizei und des Opferschutzes und werden nicht zu erhöhten Kosten führen. Ob eine größere Belastung der Gerichte durch die vermehrte Einbringung von Anträgen auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen auftreten wird oder ob die Schaffung wirksamerer Maßnahmen allein schon die Fälle von Gewalt in der Familie senken kann und daher keine Steigerung der Fallzahlen bei den Gerichten zu erwarten ist, kann nicht abgeschätzt werden.

EU-Recht:

In der Europäischen Union gibt es keine Richtlinien oder sonstigen Vorschriften über die Behandlung des Problems Gewalt in der Familie.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Mit dem Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. Nr. 412/1975, wurde mit der Änderung von § 382 Z 8 EO erstmals die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung, die einem gewalttätigen Ehegatten das Verlassen der Ehewohnung aufträgt, geschaffen. Die einstweilige Verfügung wurde durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 96/1990 auch auf Fälle ausgedehnt, in denen noch kein Gerichtsverfahren anhängig ist. Dennoch zeigt die Praxis, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend sind. Mißhandlungen in der häuslichen Sphäre werden vielfach als ,,Privatsache“ abgetan. Den Opfern fällt es schwer, außerhalb der Familie Schutz und Hilfe zu suchen, und selbst staatliche Organe zögern oder scheuen davor zurück, die Familie zum Gegenstand und Ort staatlicher Intervention zu machen. Durch ein attraktiveres Angebot an wirksamen Maßnahmen staatlichen Schutzes und sozialer Unterstützung können Opfer ermutigt werden, die Hilfe der öffentlichen Einrichtungen in Anspruch zu nehmen.

Im Jahre 1992 ist eine Studie zum Thema ,,Ursachen von Gewalt gegen Frauen und Kinder in der Familie“ fertiggestellt worden, die vom Bundeskanzler und der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten in Auftrag gegeben worden ist. Die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten hat im November 1992 eine Antigewaltkampagne initiiert und gemeinsam mit dem Bundesminister für Justiz im Oktober 1993 eine Enquete zum Thema ,,Frau und Recht“ veranstaltet. Auch das Bundesministerium für Jugend und Familie hat durch die Beauftragung der ,,Plattform gegen die Gewalt in der Familie“ mit der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen zu einer verstärkten Sensibilisierung der Öffentlichkeit beizutragen versucht.

Das Zivilrecht enthält eine Reihe von Bestimmungen, die bei Gewalt in der Familie in Betracht kommen:

         –   Jede Person hat Anspruch auf Wahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit, also auch Anspruch darauf, daß ein anderer die Anwendung körperlicher oder psychischer Gewalt unterläßt (§ 16 ABGB). Ein solcher Unterlassungsanspruch könnte allenfalls durch Klage und einstweilige Verfügung durchgesetzt werden, doch kommt dies praktisch nicht vor.

         –   Das Eherecht sieht in § 90 ABGB unter anderem die Pflicht der Ehegatten zur anständigen Begegnung vor. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht bildet einen Ehescheidungsgrund. Nach § 92 Abs. 2 ABGB kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen (also ausziehen), wenn und solange ein Zusammenleben mit dem anderen, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist.

         –   Im Kindschaftsrecht ist bei der Kindererziehung die Anwendung von Gewalt unter Zufügung körperlichen oder seelischen Leids unzulässig (§ 146a ABGB). Verstöße dagegen können unter anderem zu jugendwohlfahrtsrechtlichen Maßnahmen bis zur Entziehung der Obsorge führen.

         –   Nach § 382 Abs. 1 Z 8 lit. b EO kann das Gericht schließlich einem Ehegatten den Auftrag zum Verlassen der Wohnung erteilen, wenn dieser dem anderen Teil das weitere Zusammenleben ,,unerträglich“ macht und die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen dient.

Der nunmehr vorliegende Entwurf erweitert den Personenkreis, der durch die einstweilige Verfügung geschützt wird. Es sind nunmehr alle nahen Angehörigen sowie der Lebensgefährte eines Gewalttäters und die nahen Angehörigen des Lebensgefährten durch die einstweilige Verfügung geschützt, sofern sie ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung haben. Unabhängig von der materiellen Berechtigung an der Wohnung und unabhängig von einem anhängigen Verfahren soll dieser Schutz, der aus den eingangs genannten materiellrechtlichen Bestimmungen erfließt, drei Monate dauern, damit nicht wie bisher in vielen Fällen das Gewaltopfer dem Gewalttäter zu weichen braucht.

Da aber Gewalt und körperliche und psychische Bedrohung im Familienkreis nicht nur in der Wohnung vorkommen, sondern vielfach gerade nach Trennungen ein ehemaliger Partner auch an anderen Orten den anderen durch sein Verhalten beeinträchtigt, wird auch für solche Fälle die Möglichkeit des Erlassens einer einstweiligen Verfügung eröffnet. Die Voraussetzung der Unerträglichkeit wird zur Unzumutbarkeit vermindert.

Die bisherige Durchsetzung der einstweiligen Verfügungen durch die nachträgliche Verhängung von Zwangsstrafen ist einerseits nicht effektiv, schadet andererseits auch dem Opfer selbst, das vielfach finanziell vom Täter abhängig ist. Daher sollen nach dem vorliegenden Entwurf die einstweiligen Verfügungen direkt vom Vollstreckungsorgan vollzogen werden. Auch die Sicherheitsbehörden sollen ersucht werden können, durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die einstweilige Verfügung zu vollziehen. Außerdem werden die in der Judikatur allzu streng interpretierten Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung gemildert.

Besonderer Teil

Zu Artikel I

Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

Zu § 215 Abs. 1 ABGB:

Gewalt gegen Kinder wird häufig von einem Elternteil ausgeübt. Dieser ist in der Regel auch gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen. Nach den vorgeschlagenen Regelungen sollen auch Minderjährige durch ihren gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b stellen können. Daher ist eine Regelung für Fälle erforderlich, in denen zwar nur ein Elternteil Gewalt ausübt, der andere aber – etwa aus Angst – nicht bereit ist, einen Antrag auf einstweilige Verfügung im Namen des Kindes zu stellen. Die Bestimmung schafft eine besondere Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers in diesen Fällen.

Zu Artikel II

Änderungen der Exekutionsordnung

Zu Z 1 und 3 (§ 26 Abs. 2 und § 177 Abs. 3):

Die Neufassung stellt lediglich eine Berichtigung der Bezeichnung der genannten Organe und eine Anpassung an die Wortwahl des Sicherheitspolizeigesetzes dar.

Zu Z 2 (§ 55 Abs. 1):

Da die Vernehmungen von Parteien oder Auskunftspersonen im Exekutionsverfahren und im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Verhandlungen im Sinne der ZPO sind, kann nicht davon ausgegangen werden, daß § 174 Abs. 1 ZPO, wonach bei nichtöffentlichen Verhandlungen jede Partei ein Recht auf die Anwesenheit von drei Vertrauenspersonen außer ihrem Bevollmächtigten hat, in Verbindung mit § 78 EO auf solche Vernehmungen anwendbar ist. Gerade im Bereich der familienrechtlichen einstweiligen Verfügungen zeigt sich jedoch der Wunsch, bei der eigenen Vernehmung auch eine Person seines Vertrauens anwesend zu wissen, sehr häufig. Ohne ausdrückliche Regelung wurde dies von den Gerichten fallweise akzeptiert, fallweise auch nicht. Der geplante Zusatz in Abs. 1 soll dies nun für alle Vernehmungen im Exekutionsverfahren und im Verfahren über einstweilige Verfügungen klarstellen, weil auch in anderen Fällen nichts gegen die Anwesenheit einer Vertrauensperson spricht, soweit sie die Durchführung der Vernehmung nicht stört.

Zu Z 4 (§ 382):

Wegen der Einführung des neuen § 382b EO, der nunmehr die einstweiligen Verfügungen bei Gewalt, Bedrohung und psychisch unzumutbarem Verhalten regelt, werden sowohl § 382 Abs. 1 Z 8 lit. b als auch Abs. 2 obsolet und daher aufgehoben. An den übrigen Bestimmungen des § 382 ändert sich nichts.

Zu Z 5 (§§ 382b bis 382d):

Die drei neu eingeführten §§ 382b, 382c und 382d stellen das Herzstück der Reform dar. § 382b regelt die Anordnungen, die erlassen werden können, und die Voraussetzungen hiefür, § 382c das besondere Verfahren für solche Anordnungen und § 382d die Neugestaltung des Vollzugs.

Zu § 382b:

Diese Bestimmung regelt den geschützten Personenkreis und die Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung.

Der Personenkreis, für den diese Regelungen gelten, umfaßt nunmehr alle nahen Angehörigen. In Abs. 3 ist der Begriff des nahen Angehörigen für den Bereich der einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in der Familie umschrieben. Einbezogen werden Personen, die in einem solchen Naheverhältnis zueinander stehen, in dem Gewalt in der Familie vorkommt. Aus der Tatbestandsumschreibung der Abs. 1 und 2 ergibt sich, daß mit dem Angehörigenbegriff in Abs. 3 das Opfer der Gewalt definiert wird. Die Angehörigeneigenschaft, also auch die Lebensgemeinschaft, muß demgemäß im Zeitpunkt der in den Abs. 1 und 2 umschriebenen Handlungen gegeben sein. In dieser gesetzlichen Bestimmung ist jedoch zu beachten, daß als Voraussetzung jedenfalls das Zusammenleben in einer Wohnung oder zumindest das frühere Zusammenleben gefordert wird. Da nicht jedes frühere Zusammenleben die in Abs. 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen rechtfertigen kann, darf der letzte Zeitraum des Zusammenlebens nicht länger als drei Monate vor dem die einstweilige Verfügung auslösenden Verhalten liegen.

Das Verhalten des Antragsgegners muß dem Antragsteller das weitere Zusammenleben (statt derzeit unerträglich künftig bloß) unzumutbar machen. Die nähere Umschreibung des Verhaltens beruht auf einer Abwägung. Klar ist, daß ein effektiver körperlicher Angriff oder die Drohung mit einem solchen die Ausweisung des Antragsgegners aus der Wohnung rechtfertigt. Darüber hinaus soll jedoch auch ein sonstiges Verhalten („Psychoterror“) die Ausweisung ermöglichen, wenn es eine Schwere erreicht, die die strenge Maßnahme der einstweiligen Verfügung angemessen erscheinen läßt.

Der Schutz erfaßt nicht nur die Wohnung, sondern auch deren unmittelbare Umgebung. Was als unmittelbare Umgebung anzusehen ist, wird von den örtlichen Gegebenheiten um die Wohnung abhängen. Es wird jedenfalls jener Raum um die eigentliche Wohnung darunter zu verstehen sein, in dem für den Antragsteller die Anwesenheit des Antragsgegners auf Grund dessen bisherigen Verhaltens unzumutbar ist.

Die möglichen Verfügungen, die ergehen können, wurden zur Verdeutlichung unterteilt, wobei Z 1 das Verlassen der Wohnung betrifft, Z 2 das Verbot zur Rückkehr in die Wohnung. In den meisten Fällen werden beide Anordnungen zu erlassen sein. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen zwar die Person, welche der anderen das weitere Zusammenleben unzumutbar machte, die Wohnung zunächst freiwillig verlassen hat, aber noch insofern ein Schutzbedürfnis besteht, als die geschädigte oder bedrohte Person ein Interesse daran hat, daß der Täter nicht mehr in die Wohnung zurückkehrt und daß dies auch durchsetzbar ist.

Allgemeine Voraussetzung für die einstweilige Verfügung bleibt aber nach wie vor das dringende Wohnbedürfnis des Antragstellers. Eine Abwägung, ob das Wohnbedürfnis des Antragstellers oder des Antragsgegners ,,dringender“ ist, hat jedenfalls nicht stattzufinden.

Abs. 2 schützt das Recht einer Person, an Orten, an denen sie sich regelmäßig aufhält, nicht einem gewalttätigen oder psychisch erheblich belastenden Verhalten eines nahen Angehörigen ausgesetzt zu sein. Aus Untersuchungen und Erfahrungsberichten von Einrichtungen, die sich dem Schutz und der Beratung von Opfern von Gewalt in der Familie widmen, geht hervor, daß oft nach der Trennung dem ehemaligen Partner auf dem Arbeitsweg oder vor dem Kindergarten oder der Schule aufgelauert wird, wobei besonders in Fällen, in denen bereits wiederholt Gewalttaten vorgekommen sind, das Opfer dadurch ständig in Angst versetzt wird. Dem Gericht soll daher die Möglichkeit gegeben werden, dem Antragsgegner den Aufenthalt an genau bestimmten Orten zu verbieten, ihm aber auch allgemein den Auftrag zu geben, ein Zusammentreffen mit dem Antragsteller möglichst zu vermeiden. Diese beiden Aufträge können auch kumulativ erlassen werden. Da jedoch Fälle denkbar sind, in denen dadurch schwerwiegende Interessen des Antragsgegners verletzt werden, hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Insbesondere in ländlichen Gebieten ist denkbar, daß beide Parteien im selben Betrieb arbeiten oder daß keine andere Möglichkeit zum Erreichen der Arbeitsstelle besteht als mit einem bestimmten öffentlichen Verkehrsmittel zu einer bestimmten Zeit. Verhaltensweisen, die in diesem Sinne für den Antragsgegner unbedingt nötig sind, sollen ihm daher nicht untersagt werden können.

Abs. 4 regelt wie bisher § 382 Abs. 2 die Frage, ob ein zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang der einstweiligen Verfügung mit einem bestimmten Verfahren gegeben sein muß. Wie schon seit der Einfügung von § 382 Abs. 2 durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 96/1990 sollen die Antragsteller, die besonders schutzwürdig sind, weil sie Opfer von Gewalt oder Bedrohung durch eine ihnen nahestehende Person wurden, nicht wie bei anderen einstweiligen Verfügungen zum Einbringen einer Klage gezwungen werden. Außerdem sind wegen des erweiterten Personenkreises Fälle denkbar, in denen der Antragsteller ein solches Verfahren gar nicht einleiten kann. Als Ausgleich dafür sind einstweilige Verfügungen dieser Art, sofern sie nicht im Zusammenhang mit einem Hauptverfahren stehen, weiterhin zeitlich beschränkt. Es ist zu beachten, daß eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 Z 1 auch nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft noch möglich ist. Hiebei ist an Fälle zu denken, in denen der Antragsgegner bereits vor einiger Zeit die Wohnung verlassen hat und nun wieder in die Wohnung zurückkehrt. Auch dann soll es dem Gericht möglich sein, einen Auftrag zum Verlassen der Wohnung zu erteilen. Die Wendung ,,das weitere Zusammenleben“ im § 382b Abs. 1 ist dabei nicht so zu verstehen, daß das Verhalten, das das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, notwendigerweise während des Zusammenlebens erfolgte. In den Fällen, in denen die häusliche Gemeinschaft bereits aufgelöst ist, wird allerdings einstweiligen Verfügungen, die nur Anordnungen nach Abs. 1 Z 2 oder nach Abs. 2 treffen, in der Praxis wohl die überragende Bedeutung zukommen.

Da die einstweilige Verfügung nunmehr nicht nur zwischen Ehegatten erlassen werden kann, ist es erforderlich, auch auf andere Verfahren als auf solche im Zusammenhang mit der Auflösung der Ehe hinzuweisen. Denkbar sind etwa Verfahren wegen titelloser Benützung zwischen Lebensgefährten oder zwischen Eltern und ihren selbsterhaltungsfähigen Kindern. Ein an der Wohnung materiell zumindest mitberechtigter Antragsteller kann gegen den anderen Teil eine Klage auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft oder einer Mitmietgemeinschaft (vgl. Dittrich/Tades ABGB34 § 843 E 10) oder (sofern dieser überhaupt titellos benutzt) eine Räumungsklage einbringen und auch einen Antrag auf einstweilige Verfügung nach § 382b stellen. Eine materielle Berechtigung an der Wohnung ist jedoch nicht Voraussetzung für die Antragsberechtigung.

Das Gericht hat die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung zu bestimmen. Wird der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vor Einbringung der Klage gestellt, so kann die einstweilige Verfügung nur für höchstens drei Monate erlassen werden; wird danach die entsprechende Klage eingebracht oder wurde die einstweilige Verfügung erst nach Einbringung der Klage beantragt, so kann die einstweilige Verfügung längstens bis zum Ende aller Verfahren über die Benützung der Wohnung, also auch bis zum Ende eines allfälligen Verfahrens über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, gewährt werden.

Zu § 382c:

In der auf der geltenden Rechtslage basierenden Praxis ist das Instrument der einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs. 1 Z 8 lit. b unter anderem auch deshalb relativ wirkungslos, weil nur sehr selten von der Anhörung des Gegners abgesehen wird. Dies beruht zum Teil auf der Heranziehung der bei bloß vermögensrechtlichen einstweiligen Verfügungen ergangenen Judikatur. Diese kann jedoch in den hier vorliegenden Fällen nicht ohneweiters übernommen werden. Die Möglichkeit des Absehens von der Anhörung soll daher im Gesetzestext ausdrücklich festgehalten werden. Insbesondere sollen als Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung jene Kriterien auch im Gesetzestext niedergelegt werden, die der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 1994, 1 Ob 10/94, ausgearbeitet hat.

Dazu kommt, daß in den meisten Fällen zunächst Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einschreiten. Durch die Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes in Art. III des vorliegenden Entwurfs ist dies in Zukunft auch dann, wenn kein gerichtlich strafbares Verhalten vorliegt, möglich. Bei Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ist gesichert, daß eine objektive Sachverhaltsdarstellung vorhanden ist. Diese wird es im Regelfall ermöglichen, auch ohne Anhörung des Gegners zu entscheiden. Die unverzügliche Übermittlung von Übersendungsersuchen und Berichten ist durch die Ausstattung von Gerichten und Sicherheitsbehörden mit Faxgeräten gewährleistet.

Aus der Regelung ist jedoch kein Umkehrschluß zu ziehen, daß in anderen Fällen von einstweiligen Verfügungen, insbesondere auch nach § 382b Abs. 2, der Antragsgegner immer anzuhören ist. Da diese einstweilige Verfügung jedoch eine Interessenabwägung voraussetzt und keine Sachverhaltsdarstellung der Sicherheitsorgane vorliegt, wird zur Sachverhaltsermittlung die Anhörung des Antragsgegners häufiger erforderlich sein. Es wird sich aber oft allein schon aus dem Vorbringen und der Aussage des Antragstellers ergeben, ob schwerwiegende Interessen des Antragsgegners vorliegen oder nicht. Außerdem darf nicht übersehen werden, daß nach Erlassung der einstweiligen Verfügung ohne seine Anhörung dem Antragsgegner das Institut des Widerspruchs zur Verfügung steht. Wird ein Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß § 382b ohne unnötigen Aufschub gestellt, verlängert sich die Wirksamkeit eines Rückkehrverbotes von sieben auf vierzehn Tage (§ 38a Abs. 7 SPG). Damit auch der Antragsgegner davon jedenfalls Kenntnis erhält, ist die unverzügliche Zustellung eines derartigen Antrags erforderlich. Die Frage, ob der Antragsgegner auch anzuhören ist, wird davon in keiner Weise berührt.

Die Art der Gefährdung des Antragstellers erfordert eine unverzügliche Entscheidung des Gerichts. Aus grundrechtlichen Überlegungen können einstweilige Anordnungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die bei deren Einschreiten nach den Bestimmungen des SPG erlassen werden, nur für eine bestimmte, relativ kurze Zeit gelten. Um dazwischen keinen Schwebezustand eintreten zu lassen, ist es unbedingt erforderlich, daß das Gericht so schnell wie möglich entscheidet. Daß dies geschehen kann, wird durch die Dokumentation der Sicherheitsorgane erreicht. Bei der Vorgangsweise des Gerichts ist besonders zu beachten, daß ein sicherheitspolizeiliches Rückkehrverbot mit Ablauf des siebenten Tages, wenn aber die einstweilige Verfügung ohne unnötigen Aufschub nach der Anordnung des Rückkehrverbots beantragt wird, mit Ablauf des vierzehnten Tages nach seiner Anordnung endet. Bei Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Mittel, wie der Verwendung von Faxgeräten und der unverzüglichen Ladung von Auskunftspersonen, allenfalls durch Gerichtsboten, ist eine Entscheidung des Gerichts innerhalb der Geltungsdauer des Rückkehrverbots nach dem SPG auch durchaus realistisch.

Der Vollzug der einstweiligen Verfügung wird neu gestaltet. Die Wegweisung ist nun nicht mehr durch Verhängung von Zwangsstrafen zu vollziehen. Sie wird im Regelfall durch Ausweisung durch ein Vollstreckungsorgan vorzunehmen sein. Dadurch ist es möglich, Vollzug und Zustellung gleichzeitig durchzuführen. Der Zeitpunkt des Vollzuges ist dem Antragsteller mitzuteilen, damit dieser selbst die Wahl hat, ob er währenddessen anwesend sein will.

Abs. 3 sieht Verständigungspflichten vor. Diese Bestimmung ist erforderlich, weil die vernetzte Kooperation der beteiligten Stellen gegeben sein muß. Insbesondere ist die Verständigung der Sicherheitsbehörde notwendig, weil die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Vollzug der einstweiligen Verfügung tätig werden können und weil sich aus der Abweisung eines Antrags auf Erlassung der einstweiligen Verfügung für die Sicherheitsbehörde Gründe ergeben können, ein Rückkehrverbot nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes aufzuheben.

Abs. 4 regelt den Fall, daß der Antragsgegner bereits von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus Anlaß des Vorfalls, der zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung führte, aus der Wohnung weggewiesen wurde. Um zu vermeiden, daß die einstweilige Verfügung mangels Zustellung niemals wirksam wird, ist in Art. III (Sicherheitspolizeigesetz) eine Pflicht der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Belehrung über die Zustelladresse vorgesehen. Eine Zustelladresse, die zu diesem Zeitpunkt bekanntgegeben wird, gilt auch als Zustelladresse für das gerichtliche Verfahren. Gibt der Weggewiesene später während der Wirksamkeit des Rückkehrverbots eine Abgabestelle nur gegenüber der Sicherheitsbehörde bekannt, besteht die Gefahr, daß sie dem Gericht nicht bekannt wird. Deshalb sollen im gerichtlichen Verfahren Zustellungen durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch so lange möglich sein, bis dem Gericht selbst eine Abgabestelle bekanntgegeben wird, sei es vom Weggewiesenen direkt oder über die Sicherheitsbehörden.

Zu § 382d:

Der Vollzug der einstweiligen Verfügung, die das Verlassen der Wohnung anordnet, soll ähnlich wie die Räumung einer Wohnung durchgeführt werden. Allerdings treffen den Antragsteller nicht die erweiterten Pflichten des betreibenden Gläubigers beim Räumungsvollzug. Dies ist schon aus praktischen Gründen klar, weil es sich immer um eine Wohnung handeln muß, zu der der Antragsteller Zutritt hat. Die Verpflichtung, jedenfalls einen Schlosser mitzubringen, trifft den Antragsteller daher hier nicht. Da der Antragsgegner auch nicht zur Gänze die Wohnung räumen muß – meist gar nicht darf – , sondern lediglich seine persönlichen Sachen mitnehmen kann, ist es auch nicht erforderlich, daß der Antragsteller Transportmittel bereitstellt.

Abs. 3 regelt den Fall, daß der Antragsgegner vom Vollstreckungsorgan in der Wohnung nicht angetroffen wird. Es wird vorgesehen, daß das Vollstreckungsorgan eine Mitteilung hinterläßt, aus der hervorgeht, daß der Antragsgegner das Recht hat, in Begleitung des Vollstreckungsorgans seine Sachen aus der Wohnung zu holen. Dadurch wird sichergestellt, daß der Antragsteller nach Wirksamwerden der einstweiligen Verfügung nicht gezwungen ist, dem Antragsgegner ohne Beisein staatlicher Organe wieder Zutritt zur Wohnung zu verschaffen.

Abs. 4 ermöglicht den Gerichten, die Sicherheitsbehörden zu beauftragen, die ihnen zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Vollstreckungsorgane für den Vollzug der Wegweisung zum Schutz vor Gewalt in der Familie heranzuziehen. Dies kann in dringlichen Fällen auch beim ,,Erstvollzug“ geschehen. Vor allem hat dies Bedeutung, wenn der Antragsgegner auf Grund der einstweiligen Verfügung ,,freiwillig“ gegangen war, jedoch das Rückkehrverbot mißachtet und daher ein weiterer Vollzugsversuch erforderlich ist. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind wegen ihrer ständigen Bereitschaft und ihrer besonderen Ausbildung und Ausrüstung am besten geeignet, rasch und wirksam den der einstweiligen Verfügung entsprechenden Zustand herzustellen. Könnte der Vollzug nur durch die Gerichtsvollzieher durchgeführt werden, so wäre dies aus organisatorischen Gründen, denen nur mit einer erheblichen Vergrößerung des Personalstandes begegnet werden könnte, jeweils nur mit zeitlicher Verzögerung möglich. Zudem müßten die Gerichtsvollzieher in Fällen, in denen ihren Anordnungen Widerstand entgegengesetzt wird, ohnehin wieder Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes um Unterstützung ersuchen (§ 26 Abs. 2). Hinzu kommt, daß Opfer von Gewalt naturgemäß zunächst die Sicherheitsorgane um Schutz ersuchen und von ihnen Abhilfe gegen rechtswidrige Zustände erwarten, von denen sie sich gefährdet sehen. Der Auftrag an die Sicherheitsbehörde hat daher nicht bei jedem einzelnen Vorfall, bei dem ein (neuerlicher) Vollzug notwendig wird, zu erfolgen, sondern allgemein für alle auf Grund dieser einstweiligen Verfügung notwendigen Vollzugshandlungen gemeinsam mit der Mitteilung über die Erlassung der einstweiligen Verfügung gemäß § 382c Abs. 3 Z 1.

Zu Z 10 (§ 387):

Durch die Änderungen wird erreicht, daß für die Fälle, in denen ein Hauptverfahren anhängig oder zumindest denkbar ist, auch die einstweilige Verfügung bei demselben Gericht zu beantragen ist. Durch die Regelungen der JN über die Zuständigkeit in Ehesachen und in Bestandsachen oder bei Streitigkeiten um eine Liegenschaft ist in Verbindung mit der Ergänzung des Abs. 3 sichergestellt, daß jedenfalls das für den Antragsteller nächstgelegene Bezirksgericht einzuschreiten hat und es daher nicht vorkommen kann, daß durch für die Bevölkerung unklare Zuständigkeitsregelungen Verzögerungen im Verfahren auftreten.

Zu Z 11 (§ 390):

Auch die Erlassung der einstweiligen Verfügung bei Gewalt in der Familie soll für das Opfer nicht dadurch erschwert werden, daß sie von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann. Dies gilt bereits bisher für die einstweiligen Verfügungen nach § 382 Abs. 1 Z 8 lit. a und § 382a.

Zu Z 12 (§ 393):

Es handelt sich dabei lediglich um eine Richtigstellung des Zitats auf die nunmehrige Rechtslage.

Zu Artikel III

Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes

Zu Z 1 (§ 38a):

1. Allgemeines

1.1. Sicherheitspolizeiliche Aufgabenstellung

Nach dem Sicherheitspolizeigesetz obliegt den Sicherheitsbehörden der vorbeugende Schutz von Rechtsgütern insbesondere dann, wenn nach den Umständen mit gefährlichen Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen zu rechnen ist (§ 22 Abs. 2 und 4 SPG). Dieser Aufgabenstellung wird von § 28 Abs. 1 SPG zudem ausdrücklich Priorität gegenüber der Erfüllung anderer Aufgaben eingeräumt.

Die Realisierung dieses Zieles stößt jedoch bei Gewaltakten, die sich in der Abgeschlossenheit der häuslichen Sphäre ereignen, auf Schwierigkeiten. Zum einen dringt, was innerhalb der Wohnung geschieht, kaum nach außen; dies erschwert naturgemäß die Wahrnehmung – und den Nachweis – von Straftaten im Wohnbereich. Zum anderen sind der staatlichen Kontrolle der Wohnsphäre verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt: Dem Staat ist grundsätzlich die Respektierung der Privat- und insbesondere der Wohnsphäre des Menschen auferlegt (vgl. insbesondere Art. 8 EMRK). Dies kann jedoch nicht bedeuten, daß der Anspruch des einzelnen auf staatlichen Schutz vor Straftaten schlechterdings an der Wohnungstür endet, sondern nur, daß präventiv-polizeiliche Maßnahmen in diesem Bereich mit besonderem Bedacht zu setzen sind. Dennoch ist es den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegeben, deutlich zu machen, daß Angriffe auf die körperliche Integrität anderer vom Staat auch dann nicht hingenommen werden, wenn sie sich in der häuslichen Sphäre ereignen. Das kriminelle Unrecht und die sicherheitspolizeiliche Gefährlichkeit einer solchen Tat sind nicht schon deswegen geringer, weil diese sich gegen einen angehörigen Mitbewohner richtet.

1.2. Defizite der Mittel zur Aufgabenerfüllung

Die den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegenwärtig verfügbaren Befugnisse reichen zur Erfüllung der aufgezeigten Aufgaben in bestimmten Fällen nicht aus. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich ein wichtiges sicherheitspolizeiliches Instrument zur Gewährleistung eines vorbeugenden Schutzes in der StPO findet, nämlich die Anhaltung eines Tatverdächtigen aus dem Haftgrund der Tatbegehungs- oder Ausführungsgefahr. Mit dem Strafprozeßänderungsgesetz 1993, BGBl. Nr. 526/1993, hat der Gesetzgeber hervorgehoben, daß es bei der Beurteilung dieses Haftgrundes besonders ins Gewicht fällt, ,,wenn vom Beschuldigten eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen“ ausgeht (§ 180 Abs. 3 StPO). Jedoch kennt das bezirksgerichtliche Verfahren, in dessen Zuständigkeit (nicht schwere) vorsätzliche Körperverletzungen nach § 83 StGB fallen, diesen Haftgrund nicht, und zwar auch dann, wenn nach den Umständen zu besorgen ist, daß es in Zukunft nicht bei einer leichten Körperverletzung bleibt.

Doch auch das SPG bietet in Fällen, in denen der Verdacht besteht, daß es zu Gewaltakten in der Wohnsphäre gekommen ist und daß mit weiteren ,,gefährlichen Angriffen“ gerechnet werden muß, kein ausreichendes Instrumentarium, das angemessenen vorbeugenden Schutz gewährleistet. Da in solchen Situationen verhältnismäßige Befugnisse nicht zur Verfügung stehen, sind die Möglichkeiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vielfach darauf beschränkt, dem Opfer zu raten, sich in Sicherheit zu bringen, sei es bei Angehörigen, Freunden oder in einem Frauenhaus.

Zudem wird an das Einschreiten der Sicherheitsexekutive gegenüber strafbaren Handlungen von den Bürgern auch ein normativer Maßstab angelegt. Dieses Einschreiten soll in gewisser Weise auch die tangierten rechtlichen Normen bestätigen. Es ist daher unbefriedigend, wenn Schutzmaßnahmen ausschließlich zu Lasten des Opfers gehen.

2. Zu § 38a Abs. 1:

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Möglichkeit zur Wegweisung desjenigen, von dem (weitere) gefährliche Angriffe gegen die körperliche Sicherheit von Mitbewohnern zu gewärtigen sind. Für diese – schwierige – Gefährlichkeitsprognose werden insbesondere die Aussage des Opfers und das Verhalten desjenigen, von dem die Gefahr ausgeht, während des Einschreitens der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes maßgeblich sein. Im Falle einer Wegweisung ist es den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auferlegt, dem Betroffenen zu verdeutlichen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung erstreckt.

Die Wegweisung kann zufolge § 50 SPG mit Zwangsgewalt durchgesetzt werden.

Der Begriff der ,,Wohnung“ ist im gegebenen Zusammenhang autonom zu bestimmen; mithin ist weder die Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 4 MeldeG noch die Judikatur zum Gesetz vom 27. Oktober 1862 zum Schutze des Hausrechtes maßgeblich. Im Sinne des § 38a Abs. 1 wird als Wohnung jeder abgeschlossene räumliche Bereich anzusehen sein, der Wohnzwecken dient; dies ergibt sich aus dem normativen Kontext.

3. Zu § 38a Abs. 2:

Die Wegweisung kann erforderlichenfalls mit einem Verbot verbunden werden, zur Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung zurückzukehren. Ein Verstoß gegen das Rückkehrverbot wird von der – neu zu schaffenden – Strafdrohung des § 84 Abs. 1 Z 2 SPG sanktioniert. Diese Systematik folgt jener, die schon bisher in den §§ 36 und 38 Abs. 2 SPG angelegt ist. Im übrigen ist daran zu erinnern, daß im Falle einer Verwaltungsübertretung nach § 84 Abs. 1 SPG in Fällen des § 35 Z 3 VStG als gelinderes Mittel nach § 81 Abs. 3 eine (neuerliche) Wegweisung in Betracht kommt, die dann auch nach § 50 Abs. 1 SPG mit Zwang durchgesetzt werden kann.

Die Anordnung des Rückkehrverbots ist beim unabhängigen Verwaltungssenat anfechtbar (§ 88 Abs. 1 SPG).

Zur Sicherung des Rückkehrverbots sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes überdies ermächtigt, dem Betroffenen die in seinem Besitz befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen. Sie werden beim Polizeiwachzimmer oder Gendarmerieposten hinterlegt und sind bei Aufhebung des Rückkehrverbots dort abzuholen. Dies wird dem Betroffenen im Rahmen der Mitteilung über die Aufhebung des Rückkehrverbots bekanntgegeben. Wird die Sicherheitsbehörde während aufrechtem Rückkehrverbot durch das Gericht von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Kenntnis gesetzt (Abs. 7), sind die Schlüssel dem Gericht zu übermitteln (Abs. 6).

Der Ausspruch eines Rückkehrverbotes in die ,,eigene Wohnung“ stellt zweifellos einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, wobei nicht nur die Privatsphäre (nach Art. 8 EMRK), sondern auch das Eigentumsrecht tangiert sein können. Diesem Umstand wird durch einen ausdrücklichen Verweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip nach § 29 SPG Rechnung getragen (davon unabhängig ist selbstverständlich auch schon bei der Wegweisung das in § 29 SPG geregelte allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip wie bei jedem anderen Eingriff in Rechte von Menschen zu beachten). Zudem werden zur Realisierung des Rückkehrverbotes angemessene Schulungsmaßnahmen erforderlich sein; die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes benötigen vor allem klare Richtlinien für ihr Einschreiten.

Wird eine Wegweisung ausgesprochen, so ist dem Betroffenen vom einschreitenden Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Möglichkeit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs an sich zu nehmen. In dem Umfang, in dem er nicht in der Lage ist unterzukommen, wird er außerdem auf bestehende Möglichkeiten der Krisenintervention hinzuweisen sein.

4. Zu § 38a Abs. 3:

Um den Betroffenen von der Aufhebung des Rückkehrverbots (Abs. 6) oder einer einstweiligen Verfügung (§ 382b EO) in Kenntnis setzen zu können, haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Ausspruch des Rückkehrverbotes die Bekanntgabe einer Abgabestelle zu verlangen. Die Folgen der Unterlassung der Bekanntgabe einer Abgabestelle sind der Regelung des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz nachgebildet.

5. Zu § 38a Abs. 4:

Der Gefährdete wird regelmäßig einer vielfältigen Betreuung und Unterstützung bedürfen. Ihm sind daher – im Sinne des § 25 Abs. 2 SPG – geeignete Opferschutzeinrichtungen als Ansprechstellen bekanntzugeben.

Die einschreitenden Organe haben den Gefährdeten auf die Möglichkeit hinzuweisen, einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Eine weitergehende Beratung wird jedoch nur eine dafür spezifisch geeignete Opferschutzeinrichtung geben können.

6. Zu § 38a Abs. 5:

Zufolge § 10 Abs. 1 der Richtlinien-Verordnung (BGBl. Nr. 266/1993) haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Fällen der Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dafür zu sorgen, daß die für ihr Einschreiten maßgeblichen Umstände später nachvollzogen werden können. Dieser Dokumentationsverpflichtung kommt im Zusammenhang mit dem Ausspruch eines Rückkehrverbots besondere Bedeutung zu, wenn im gerichtlichen Verfahren über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Antragsgegners entschieden werden soll.

7. Zu § 38a Abs. 6:

Die Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Rückkehrverbotes an die Sicherheitsbehörde und dessen Überprüfung binnen 48 Stunden sollen eine rasche und effektive innerorganisatorische Kontrolle der Ausübung dieser Befugnis gewährleisten. Dies ist eine Ausformung der allgemeinen Regelung des § 29 Abs. 2 Z 5 SPG, der zufolge die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt ,,zu beenden“ ist, ohne daß hierfür eine besondere Form vorgesehen wäre. Eine bescheidmäßige Absprache ist nicht vorgesehen. Die Sicherheitsbehörde ist verpflichtet, das Rückkehrverbot aufzuheben, wenn die Voraussetzungen dafür nicht (mehr) vorliegen; dies ist dem Betroffenen, aber auch dem Gefährdeten unverzüglich – entsprechend dem Charakter der Maßnahme verfahrensfrei – zur Kenntnis zu bringen.

Erforderlichenfalls kann die Sicherheitsbehörde im Rahmen der Überprüfung des Rückkehrverbotes die fachliche Meinung anderer (öffentlicher oder privater) Stellen einholen und erfragen, ob diese über maßgebliche Informationen verfügen. Sofern Kindeswohl betroffen ist, soll insbesondere auch an die Einrichtungen der Jugendwohlfahrtspflege gedacht werden. Ermittlungen werden diese Stellen aus Anlaß der Anfrage nicht anzustellen haben.

8. Zu § 38a Abs. 7:

Um einen lückenlosen Schutz des Gefährdeten zu gewährleisten, endet das Rückkehrverbot im Falle eines ohne unnötigen Aufschub gestellten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit der Entscheidung des Gerichtes, spätestens jedoch nach 14 Tagen. Ein Antrag wird auch dann noch ohne unnötigen Aufschub gestellt, wenn die Frau zunächst eine geeignete Opferschutzeinrichtung aufsucht, um von dieser beraten zu werden. Andernfalls endet das Rückkehrverbot – so es nach der Überprüfung durch die Sicherheitsbehörde noch aufrecht ist – spätestens am siebenten Tage nach seiner Anordnung. Die Sicherheitsbehörde wird vom Antrag und der Entscheidung des Gerichtes verständigt.


Zu Z 2 (§ 56 Abs. 1 Z 8):

Sicherheitsvorsorge ist nicht ausschließlich Sache der Sicherheitsbehörden; diese bedürfen vielmehr der Ergänzung durch private Initiativen. Darauf nimmt gegenwärtig § 25 SPG Bezug. Damit jedoch den Sicherheitsbehörden eine Kooperation mit geeigneten Opferschutzeinrichtungen ermöglicht wird, soll durch die Ergänzung des § 56 die Übermittlung personenbezogener Daten zugelassen werden, allerdings nur in dem Umfang, als eine Opferschutzeinrichtung diese Daten zur Leistung eines Beitrags zum vorbeugenden Schutz benötigt, wobei es Aufgabe – und Verantwortung – der Sicherheitsbehörde ist, dieses Erfordernis zu beurteilen.

Zu Z 3 (§ 84 Abs. 1):

Durch die neu eingefügte Z 2 wird die Mißachtung eines Rückkehrverbotes gemäß § 38a Abs. 2 als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Schilling geahndet. Eine Mißachtung im Sinne dieser Bestimmung liegt nicht vor, wenn sich der Betroffene im Einvernehmen mit dem Gefährdeten etwa zum Zweck der Abholung dringend benötigter Gegenstände des persönlichen oder beruflichen Bedarfs kurzfristig in die Wohnung begibt, ohne dabei gefährdende oder sonst Interessen verletzende Handlungen zu setzen. Im übrigen wird, um Härtefälle zu vermeiden, in bestimmten Situationen auf die vorhandenen Möglichkeiten des Verwaltungsstrafverfahrens – wie Absehen von der Strafe oder Strafmilderung – zurückzugreifen sein.