763 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Wirtschaftsausschusses


über die Regierungsvorlage (615 der Beilagen): Erklärung des Rücktritts vom Überein­kommen über das öffentliche Beschaffungswesen


Österreich ist Vertragspartei des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Beschaf­fungskodex BGBl. Nr. 452/1981, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 274/1995), sowie des sich darauf beziehenden Änderungsprotokolls (BGBl. Nr. 38/1988).

Dieses Übereinkommen ist eines der Ergebnisse der multilateralen Handelsverhandlungen von 1973 bis 1979, allgemein bekannt unter dem Namen „Tokyo-Runde“. Es legt einen internationalen Rahmen von Rechten und Pflichten betreffend Gesetze, Verfahren, Vorschriften und Praktiken für das Gebiet des öffentlichen Beschaffungswesens fest und trägt somit zu Liberalisierung und Ausweitung des Welt­handels bei. Insbesondere sollen nationale Regelungen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens nicht in der Weise angewendet werden, daß inländische Waren oder Lieferanten geschützt werden und zwischen ausländischen und inländischen Waren und Lieferanten diskriminiert wird.

Der Wunsch, dieses Übereinkommen gemäß dessen Art. IX Z 6b auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zu erweitern und zu verbessern und den Geltungsbereich auf Dienstleistungen auszuweiten, führte zum Abschluß eines neuen verbesserten Übereinkommens (im folgenden als GPA bezeichnet).

Österreich ist Vertragspartei des WTO-Abkommens (BGBl. Nr. 1/1995). Das GPA (Agreement on Government Procurement) ist ein im Anhang 4 zum WTO-Abkommen enthaltenes sogenanntes plurilaterales Handelsübereinkommen (im Sinne des Art. II Z 3 WTO-Abkommen), das mit 1. Jänner 1996 für jene Staaten in Kraft trat, die die Voraussetzungen seines Art. XXIV Z 1 erfüllen. Alle Vertragsparteien des Beschaffungskodex, mit Ausnahme von Singapur und Hongkong, sind bereits Vertragsparteien des GPA.

Seitens aller Vertragsparteien des Beschaffungskodex besteht nunmehr die Absicht, diesen zu kündigen, bzw. wurde dies von einigen Staaten bereits in die Wege geleitet. Die Europäische Gemeinschaft beabsichtigt, sich aus dem Übereinkommen mit 1. Jänner 1997 zurückzuziehen. Die Europäische Kom­mission hat Österreich bereits zu dessen Kündigung aufgefordert.

Das Übereinkommen begründet unter den Vertragsparteien gegenseitige Rechte und Pflichten. Diese sind jedoch im Verhältnis Österreichs zu Drittstaaten nicht kongruent mit jenen der EG im Verhältnis zu Drittstaaten.

Entsprechend Art. IX Z 8 kann jede Vertragspartei von dem Übereinkommen zurücktreten. Der Rücktritt wird mit Ablauf von sechzig Tagen nach Eingang der schriftlichen Rücktrittsanzeige der Vertrags­parteien beim Generaldirektor der WTO/GATT wirksam.

Der Bundespräsident erklärt im Namen der Republik Österreich den Rücktritt vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, BGBl. Nr. 452/1981 in der Fassung BGBl. Nr. 38/1988, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 274/1995.

Das Übereinkommen steht innerstaatlich auf der Stufe eines gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsvertrages, dessen Art. III Z 5 und 6 sowie Art. VII Z 1, 11, 12 und 14 verfassungsändernd waren, und welches daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG und gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG vom Nationalrat zu genehmigen war. Der Rücktritt von diesem Übereinkommen bedarf daher gleichfalls der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Z 1 und 3 B-VG. Da die Angelegenheiten der Länder in ihrem selbständigen Wirkungsbereich nicht berührt sind, ist eine Zustimmung des Bundesrats gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG nicht erforderlich.


Der Wirtschaftsausschuß hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 6. Juni 1997 in Verhandlung gezogen und einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Rücktritts vom vor­liegenden Übereinkommen zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Wirtschaftsausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen: Der Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, die verfassungsändernd ist, wird die verfassungsmäßige Genehmigung erteilt.

Wien, 1997 06 06

                            Helmut Dietachmayr                                                      Ingrid Tichy-Schreder

                                   Berichterstatter                                                                           Obfrau