851 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (705 der Beilagen): Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung


Entsprechend den Leitlinien der Gemeinschaft für die Zusammenarbeit mit Lateinamerika, die seit 1991 Anwendung finden, und im Einklang mit den Schlußfolgerungen der Europäischen Räte von Korfu (Juni 1994), Essen (Dezember 1994) und Cannes (Juni 1995) verfolgt die EU eine Politik der Zusammenarbeit mit dem MERCOSUR [1]).

Diese Kooperationspolitik ist auf nachstehende Schwerpunkte ausgerichtet:

–   Pflege geographisch ausgewogener Außenbeziehungen, um zu größerer Stabilität in der Welt beizu­tragen;

–   nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, ihre harmonische schritt­weise Eingliederung in die Weltwirtschaft und Bekämpfung der Armut;

–   Förderung demokratischer Werte, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte;

–   Stärkung der Regeln des freien Welthandels gemäß den Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) sowie der regionalen Integration als ein Instrument der wirtschaftlichen und sozialen Ent­wicklung und

–   Stärkung des Umweltbewußtseins.

Am 22. Dezember 1994 wurde eine Gemeinsame feierliche Erklärung EU-MERCOSUR unterzeichnet. Das Mandat für die Aushandlung eines interregionalen Rahmenabkommens über die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Handel und anderen Bereichen sowie eine Gemeinsame Erklärung zum politischen Dialog wurde durch den Rat „allgemeine Angelegenheiten“ am 12./13. Juni 1995 verabschiedet. Verhandlungs­beginn war im September 1995. Die Unterzeichnung erfolgte im Rahmen des Europäischen Rates in Madrid am 15. Dezember 1996.

Das Hauptaugenmerk des Abkommens gilt

–   der politischen Annäherung, die begleitet und konsolidiert werden soll durch einen Dialog; dieser stützt sich auf bestehende historische, politische und wirtschaftliche Bande sowie das gemeinsame kulturelle Erbe und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern, auf politische und wirtschaftliche Freiheit als Grundlage der Gesellschaften der Mitgliedstaaten von EU und MERCOSUR, auf die Achtung der Menschenrechte sowie auf die Grundsätze des sozialen Fortschritts und der Solidarität;

–   dem Ausbau und der Diversifizierung des Handels; unter Einhaltung der WTO-Regeln und unter Berücksichtigung der Empfindlichkeit einiger Produkte sowie auf der Grundlage der Gegenseitigkeit soll eine schrittweise Liberalisierung und in weiterer Folge eine interregionale Assoziierung erfolgen;

–   der wirtschaftlichen Entwicklung im Sinne eines stabilen Wachstums, der Stärkung der Wett­bewerbskraft, der technischen und wissenschaftlichen Fortentwicklung, der Anhebung des Lebens­standards und der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten;

–   der interinstitutionellen Zusammenarbeit im Wege von Beratung und Informationsaustausch sowie

–   der Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Ausbildung, Kommunikation, Information und Kultur sowie im Kampf gegen den Drogenmißbrauch.

Das Abkommen hat – soweit es in die Vertragsabschlußkompetenz der Mitgliedstaaten fällt – gesetz­ändernden bzw. gesetzesergänzenden sowie politischen Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es ist der unmittelbaren Anwendung im inner­staatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


Es erscheint zweckmäßig, daß anläßlich der Genehmigung des Staatsvertrags der Nationalrat nach Art. 49 Abs. 2 B-VG beschließt, daß der Staatsvertrag nicht im Bundesgesetzblatt, sondern durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundzumachen ist.

Das Abkommen setzt einen Kooperationsrat ein, der die Umsetzung des Abkommens überwacht. Dieser tritt regelmäßig und, wenn die Umstände es sonst erforderlich machen, auf Ministerebene zusammen.

Der Kooperationsrat wird in der Wahrnehmung seiner Aufgaben von einem Gemischten Kooperations­ausschuß unterstützt, der sich aus Vertretern der Europäischen Gemeinschaft und des MERCOSUR zusammensetzt. Im allgemeinen tritt er nur einmal pro Jahr zusammen.

Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Dem Abkommen ist eine Gemeinsame Erklärung zum politischen Dialog zwischen der Europäischen Union und dem MERCOSUR als Bestandteil beigefügt. Im Rahmen des politischen Dialoges sind folgende Mechanismen vorgesehen: Kontakte, Informationsaustausch und Konsultationen in Form von Tagungen und durch umfasssende Nutzung der diplomatischen Kanäle; regelmäßige Zusammenkünfte der Staatschefs der Mitgliedstaaten des MERCOSUR und höchster Stellen der Europäischen Union; ein Treffen der Außenminister des MERCOSUR, der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission pro Jahr; Treffen anderer für Fragen von beiderseitigem Interesse zuständiger Minister; regelmäßige Zusammenkünfte hoher Beamter beider Parteien.

Da das Abkommen neben in der Kompetenz der Gemeinschaften liegenden Materien auch Bereiche regelt, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind, wird es als sogenanntes gemischtes Abkommen geschlossen und bedarf dementsprechend auf der EU-Seite neben der Genehmigung durch die Gemeinschaften auch der Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 16. Sep­tember 1997 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Dr. Martina Gredler, Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Ingrid Tichy-Schreder sowie die Staatssekretärin im Bundes­ministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

        1.   Der Abschluß des Staatsvertrages: Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung (705 der Beilagen) wird genehmigt.

        2.   Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung dieses Abkommens, das in den elf Amts­sprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, sowie der Erklärung in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundes­ministerium für auswärtige Angelegeheiten zu erfolgen.

Wien, 1997 09 16

                  Dipl.-Kfm. DDr. Friedrich König                                                  Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann



[1]) Teilnehmerstaaten des MERCOSUR sind die Föderative Republik Brasilien, die Argentinische Republik, die Republik Paraguay und die Republik Östlich des Uruguay.