857 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (800 der Beilagen): Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlos­senen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte


Die Europäische Union hat inzwischen mit den meisten Republiken der ehemaligen Sowjetunion Partner­schafts- und Kooperationsabkommen (PKA) abgeschlossen, und zwar mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Krigisistan, Moldova, Rußland, der Ukraine und Usbekistan. Mit Turkmenistan wurden Verhandlungen aufgenommen. Diese Abkommen folgen weitgehend einem einheitlichen Standardtext.

Mit der PKA knüpft die Europäische Union zu diesen Staaten vertragliche Beziehungen mit dem Ziel, die politischen, wirtschafts- und handelspolitischen Beziehungen neu zu gestalten, den politischen Dialog zu fördern, Ausweitung von Handel und Investitionen anzuregen, dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung der Demokratie und die mannigfachen Herausforderungen des Transformationsprozesses von einer Staats- zur Marktwirtschaft zu unterstützen.

Das gegenständliche Abkommen ersetzt für die Russische Föderation das Abkommen über den Handel und die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EWG und der EAG einerseits und der UdSSR andererseits aus 1989.

Das Abkommen wurde am 24. Juni 1994 unterzeichnet, es ist allerdings mangels Ratifikation durch einige EU-Mitgliedstaaten noch nicht in Kraft getreten.

Der handelsrelevante Teil des Abkommens steht als Interimsabkommen seit 1. Februar 1996 in Geltung.

Da das Abkommen vor dem Beitritt der drei neuen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde und es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, das auch Bereiche mitgliedstaatlicher Kompetenz enthält, war für eine vollständige Teilnahme Österreichs, Finnlands und Schwedens am Abkommen ein völkerrechtlicher Beitritt erforderlich.

Dieser Beitritt erfolgte durch ein am 21. Mai 1997 unterzeichnetes Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits.

Anläßlich dieser Unterzeichnung erfolgte die Abgabe einer Erklärung des Rates der Europäischen Union und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zum Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit und zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits. Diese Erklärung sieht eine provisorische Anwendung des Protokolls für diejenigen Rechtsordnungen vor, die dieses Institut kennen, was eine beschleunigte Anwendung des Abkommens ermöglicht. Weiters ist vorgesehen, daß das in seinem Anwendungsbereich erweiterte PKA für alle Vertragsparteien, dh. einschließlich der neu beigetretenen Mitglieder, gleichzeitig in Kraft tritt. Die Russische Föderation stimmte dieser Vorgangsweise durch die Abgabe einer spiegelbildlichen Erklärung zu.

Das dem Beitritt zugrundeliegende Stammabkommen schafft einen verläßlichen Rahmen für die Neugestaltung der politischen, wirtschafts- und handelspolitischen Beziehungen zu Rußland. Gegenüber dem obgenannten Abkommen mit der UdSSR enthält es im wesentlichen folgende neue Elemente:

–   die Institutionalisierung eines Mechanismus für den politischen Dialog;

–   weitgehende Bestimmungen über industrielle, technische, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit, darunter die Perspektive von Verhandlungen über eine Freihandelszone;

–   Bestimmungen über Rechtsangleichung, Wettbewerb und ein Verbot von Beihilfen;

–   Bestimmungen über die finanzielle Zusammenarbeit.

Ziel des Abkommens ist es, den politischen Dialog zu fördern, die Ausweitung von Handel und Investitionen anzuregen, die dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung der Wirtschaft der Vertragsparteien zu sichern und die Festigung der Demokratie und den Transformationsprozeß von einer Staats- zur Marktwirtschaft in Rußland zu unterstützten. Die Achtung der demokratischen Prinzipien, der Grundsätze des Völkerrechtes und der Menschenrechte stellen grundlegende Elemente des Abkommens dar.

Im Warenverkehr treten die Vertragspartner für die auf den Grundsätzen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) beruhende Liberalisierung ein und gewähren einander die Meistbe­günstigung. Nicht berührt werden hievon eingeräumte Vorteile auf Grund von Freihandelsabkommen oder einer Zollunion sowie von Vereinbarungen zugunsten von Entwicklungsländern.

Das Abkommen sieht vor, daß erforderlichenfalls ein Sonderabkommen über den Handel mit Kern­material zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft und der Russischen Föderation abgeschlossen wird.

Im Bereich der Niederlassung von Gesellschaften, Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen gewähren die Vertragsparteien einander die Meistbegünstigung; ausgenommen hievon sind Verkehrs­unternehmen.

Die Vertragsparteien sind durch das Abkommen nicht daran gehindert, ihre Gesetze und sonstigen Vorschriften über Einreise und Aufenthalt, Arbeit, Arbeitsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern sie dies nicht auf eine Weise tun, durch welche die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Bestimmung des Abkommens erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden.

Große Bedeutung wird auch dem Schutz des geistigen Eigentums beigemessen. In diesem Bereich verpflichtet sich die Russische Föderation, binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens ein der Gemeinschaft vergleichbares Schutzniveau zu erreichen.

Neben der wirtschaftlichen und industriellen Kooperation sieht das Abkommen Zusammenarbeit, ua. auf den Gebieten der Angleichung der Gesetzgebung, der Investitionsförderung und des Investitionsschutzes, des öffentlichen Auftragswesens, der Wissenschaft und Technik, der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Agrar- und Ernährungswirtschaft, der Energie, der Umwelt, des Verkehrs, der Postdienste und der Telekommunikation, der Finanzdienstleistung, der Regionalentwicklung, im sozialen Bereich sowie auf den Gebieten des Fremdenverkehrs, des Verbraucherschutzes, des Zollwesens, der Bekämpfung der Geldwäsche und des Drogenhandels sowie der Kultur vor.

Durch das Abkommen wird ein Kooperationsrat geschaffen, der einmal jährlich zusammentritt und sich aus Mitgliedern des Rates der Europäischen Union und Mitgliedern der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einerseits und aus Mitgliedern der Regierung der Russischen Förderation andererseits zusammensetzt.

Ebenso wird ein Parlamentarischer Kooperationsausschuß gebildet, der sich aus Abgeordneten des Europäischen Parlaments und des Bundesparlaments der Russischen Föderation zusammensetzt.

Das Abkommen wird für zehn Jahre geschlossen und danach automatisch um jeweils ein Jahr verlängert, sofern es nicht eine Vertragspartei kündigt.

Da das Abkommen neben in der Kompetenz der Gemeinschaften liegenden Materien auch Bereiche regelt, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind, wird es als sogenanntes gemischtes Abkommen geschlossen und bedarf dementsprechend auf EU-Seite neben der Genehmigung durch die Gemein­schaften auch der Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten. Für die beitretenden Staaten gilt dies im Hinblick auf das Beitrittsprotokoll.

Das Beitrittsprotokoll hat – soweit es in die Vertragsabschlußkompetenz der Mitgliedstaaten fällt – gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden sowie politischen Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Es ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, so daß eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


Die anläßlich der Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls abgegebene Erklärung, die die Inkrafttretens­bestimmung des Abkommens ergänzt, bedarf ebenfalls der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 16. Septem­ber 1997 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich neben dem Ausschußobmann die Abgeordneten Dr. Wal­ter Schwimmer, Dr. Martina Gredler, Otmar Brix, Dr. Kurt Heindl, Herbert Scheibner, Dipl.-Kfm. DDr. Friedrich König, Mag. Doris Kammerlander, Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Dr. Michael Spindel­egger sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

           1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte (800 der Beilagen) wird genehmigt.

           2. Gemäß Art. 49 Abs. 2 BVG hat die Kundmachung des Protokolls, das in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, sowie der Erklärung in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundes­ministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen.

Wien, 1997 09 16

                  Dipl.-Kfm. DDr. Friedrich König                                                  Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann