984 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten


über die Regierungsvorlage (767 der Beilagen): Übereinkommen auf Grund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll auf Grund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Euro­päischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich


Das vorliegende Übereinkommen soll die Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Bekämpfung und Verhütung schwer­wiegender Formen internationaler Kriminalität durch die Einrichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol) verbessern.

Europol soll die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Durchführung des Informationsaustausches unter­stützen, sondern auch selbständig zur Erfüllung der oben genannten Aufgaben Informationen und Erkenntnisse sammeln, analysieren und den Mitgliedstaaten die Arbeitsergebnisse übermitteln. Die Mitgliedstaaten haben für die Durchführung des Informationsaustausches eine nationale Stelle zu benennen und Verbindungsbeamte zu Europol zu entsenden.

Die Festlegung einer Reihe von Rechtsschutzansprüchen im Übereinkommen soll die Wahrung der Rechte der von der Europol-Tätigkeit Betroffenen gewährleisten, wobei auch Europol selbst durch die Ausstattung mit Rechtspersönlichkeit als möglicher Anspruchsgegner konstituiert wird.

Aufwendungen sind einerseits für die Errichtung und den Betrieb des Europäischen Polizeiamts sowie die Beistellung der Verbindungsbeamten bei Europol, andererseits für die Beistellung von Personal für die nationale Stelle sowie für die Einrichtung und den Betrieb dieser Stelle zu tätigen, allerdings nur, soweit sie nicht schon im Rahmen der Errichtung und des Betriebes der Europol-Drogenstelle geleistet wurden.

Das Abkommen und das Gerichtshof-Protokoll haben gesetzändernden und gesetzesergänzenden, aber nicht politischen Charakter. Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder werden nicht berührt, sodaß es einer Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG nicht bedarf.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. November 1997 in Verhandlung genommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Hans Helmut Moser, Mag. Terezija Stoisits, Matthias Achs, Walter Murauer sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl das Wort.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des gegenständlichen Übereinkommens zu empfehlen.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten vertritt die Auffassung, daß die Bestimmungen des Abkommens zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodaß von einer Beschlußfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG abgesehen werden kann.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluß des Staatsvertrags: Übereinkommen auf Grund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen) samt Anhang und Erklärungen; Protokoll auf Grund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Errichtung eines Euro­päischen Polizeiamts durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung samt Erklärung und Erklärung der Republik Österreich (767 der Beilagen) wird genehmigt.


Wien, 1997 11 27

                                     Anton Gaal                                                                       Anton Leikam

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann

Anlage

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage betreffend das Europol-Übereinkommen (767 der Beilagen, XX. GP)


Förderung der polizeilichen Zusammenarbeit

In einem gemeinsamen Europa muß der Schutz der BürgerInnen vor – auch grenzüberschreitender – Kriminalität noch mehr verbessert und das verbreitete Unsicherheitsgefühl verringert werden. Zu diesem Zweck ist in erster Linie den sozialen Ursachen von Kriminalität intensiv entgegenzuwirken und der Straftatenverhütung durch geeignete Präventionsmaßnahmen besonderes Augenmerk zu schenken.

Die darüber hinaus notwendige Zusammenarbeit der Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden der Europäischen Staaten, und zwar auch unserer östlichen Nachbarländer, muß so direkt, ortsnah, flexibel und unbürokratisch wie möglich erfolgen. Sie ist durch überregionale, zwischenstaatliche oder supranationale Vorkehrungen und Einrichtungen zu ergänzen, soweit hiefür ein praktischer Bedarf existiert.

Kein Bedarf an Europol als Staat im Staate

Nach diesen Grundsätzen besteht in Europa bereits heute ein enges Geflecht von bi- und multilateralen Abkommen über die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden: Etwa innerhalb der EU, zwischen dieser und Drittstaaten, zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten, zwischen diesen und Drittstaaten, regionale Kooperationsabkommen usw. Internationale Zusammenarbeit zur Kriminalitätsbekämpfung erfolgt zB über Interpol – eine bewährte Zentrale für internationale Fahndungen und Kriminalitätsanalysen –, über Einrichtungen der Vereinten Nationen, wie dem UNDCP oder der Kriminalpräventions- und Justiz­kommission, im Europarat oder in der Finiancal Action Task Force, der G 7/P 8 und anderen mehr.

Angesichts dieser Fülle an Institutionen für die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit ist kein praktischer Bedarf zu erkennen, ergänzend hierzu mit Europol eine zentrale Bürokratie zu errichten oder dieser – wie gefordert und im Rahmen der Regierungskonferenz vorgeschlagen – sogar operative Befugnisse zu verleihen. Stattdessen ist die direkte Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und deren zuständigen Behörden beständig weiterzuentwickeln und zu verfeinern, etwa durch den Ausbau der gegenseitigen Amts- und Rechtshilfe sowie eine Angleichung des nationalen Strafverfahrenrechts der EU-Mitgliedstaaten. Da seit Öffnung der Ostgrenzen immer wieder von der zunehmenden Gefährdung der Sicherheit der BürgerInnen durch kriminelle Organisationen die Rede ist, wird insbesondere eine Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarländern als effizientere Maßnahme zu forcieren sein.

Keine Kontrollbefugnisse – weder durch die Parlamente noch den EuGH

Außerdem besteht auf Grund der Konvention für Europol ein gravierender Mangel an demokratischer Kontrolle. Dieser Mangel ist von besonderer Bedeutung, da Europol in einem zentralen Bereich staatlicher Tätigkeit – Ausübung des Gewaltmonopols durch Polizei- und Strafjustiz – eingreift und durch die Sammlung und Analyse von Daten unmittelbar das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Europol unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle – weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Die gleichsam frei schwebende Behörde darf „von keiner Regierung, Behörde, Organisation oder nicht der Europol angehörenden Personen Weisungen entgegennehmen“ (Art. 30 I Europol-Konvention). Lediglich ein Verwaltungsrat aus von den Mitgliedstaaten entsandten Regierungs­vertretern (Art. 28 Europol-Konvention) soll eingesetzt werden; allerdings ist auch diesem jede wirksame Einflußnahme auf die konkrete Aufgabenerfüllung verwehrt.


Mit diesem eklatanten Defizit an demokratisch-parlamentarischer Kontrolle unterschreitet Europol demo­kratische Mindeststandards. An der Verfassungsmäßigkeit bestehen deshalb erhebliche Zweifel, da auch europäische Institutionen mit hoheitlichen Befugnissen durch die nationalen Parlamente und allenfalls auch durch das Europäische Parlament demokratisch legitimiert sein müssen.

Mangelnder Datenschutz für die Betroffenen

Die Tätigkeit von Europols läßt sich nicht auf die Sammlung und Analyse von Daten reduzieren. Das europäische Polizeiamt kann selbst aus der eigenen Analysetätigkeit gewonnene oder von Dritten (außer­halb der EU) erlangte Daten (Art. 8 III Europol-Konvention) in das Informationssystem eingeben. Es verfügt zwar – derzeit – über keine eigenständigen Ermittlungsbefugnisse, kann jedoch zur Beschaffung von Daten entsprechende Ansuchen an die Mitgliedstaaten wie auch Drittstellen richten (Art. 4, 10 III Europol-Konvention). Damit generiert Europol neue personenbezogene Daten.

Die Vorschriften zur Datensammlung sind äußerst unbestimmt. Nach der Konvention werden Daten nicht nur über Straftäter und Verdächtige gesammelt und verarbeitet, sondern auch über sogenannte Risiko­personen, über potentielle oder tatsächliche Zeugen, Informanten, Opfer und Kontaktpersonen. Die Weitergabe an „Drittstaaten“ ist möglich, das heißt zB auch an ausländische Geheimdienste. Richterliche oder staatsanwaltliche Anordnungen sind nicht vorgesehen.

Die Behandlung dieser personenbezogenen Daten durch Europol unterliegt nicht der EU-Datenschutz­richtlinie von 1995, da diese nur auf das Gemeinschaftsrecht Anwendung findet, jedoch nicht auf die in der dritten Säule geregelte justiz- und innenpolitische Zusammenarbeit, der Europol zuzurechnen ist. Durch die Konvention ist somit in keiner Weise sichergestellt, daß Europol den datenschutzrechtlich gebotenen Standards entspricht.

Resümee

Die Notwendigkeit eines verbesserten Schutzes vor grenzüberschreitender Kriminalität und der integra­tionspolitische Symbolwert eines europäischen Kriminalamtes rechtfertigen keine Verletzung von Verfassungsstandards, zumal alternative Möglichkeit der Intensivierung polizeilicher Zusammenarbeit zur Bekämpfung der sogenannten organisierten Kriminalität wesentlich effizienter wären, tatsächlich als Alternative aber nicht einmal geprüft wurden.

Die Grünen lehnen daher die Ratifizierung der Europol-Konvention ab, da die Konvention weder den durch die Österreichische Bundesverfassung vorgegebenen Standards organisatorischer, parlamenta­rischer und gerichtlicher Kontrolle der geplanten Behörden noch dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts entspricht und außerdem die in Österreich geltende Sachherrschaft der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren unberücksichtigt läßt. Statt zusätzlicher zentraler Bürokratie wird der Ausbau bereits bestehender Strukturen polizeilicher Zusammenarbeit, insbesondere mit unseren östlichen Nachbarländern, zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität gefordert.

Auch das Europäische Parlament der EU hat deutliche Kritik an der Europol-Konvention geübt und insbesondere den mangelnden Datenschutz sowie die fehlenden Kontrollbefugnisse hinsichtlich der Europol verurteilt.