1278/J

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Maria Fekter, Kiss

und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend: Möglichkeiten unserer Exekutive zum Scheinkauf

 

Der Bundesminister für Justiz wurde am 19. September 1996 im Zuge der Debatte

über einen Dringlichen Antrag zum Thema ,,Schutz unserer Kinder" u.a. ersucht, bis

zu einer eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 25 StPO im Einvernehmen mit

dem Bundesminister für Inneres klarzustellen, welche Möglichkeiten

Sicherheitsbehörden im Rahmen der verdeckten Ermittlung zur Verfügung stehen.

 

Im Zuge der Debatte hat der Justizminister u.a. folgendes ausgeführt:

,, Was den heute angesprochenen § 25 StPO, also die verdeckte Ermittlung, etwa

durch den Scheinkauf, anlangt, möchte ich darauf hinweisen, daß es anerkannt ist,

daß die mit dem sogenannten Scheinkauf, insbesondere von Suchtgift, und anderen

Formen der verdeckten Ermitt/ung durch Organe der Sicherheitsbehörden

verbundenen Fragen über die bestehende summansche Regelung des

Sicherheitspolizeigesetzes hinaus einer klaren strafprozessualen Rechtsgrundlage

bedürfen.

 

Dabei geht es einerseits um handhabbare und effiziente Vorschriften für das

kriminalpolizeiliche Vorgehen, andererseits um das Abstecken von Grenzen, um ein

unerwünschtes Ausufern solcher besonderer Ermittlungsmaßnahmen, aber auch

darin, eine Verstnckung von Beamten in die knminelle Szene zu verhindem. lm

einzelnen sind dabei sicher schwienge rechtsstaatliche Fragen zu lösen.

 

Es ist kein Zufall, daß dies bisher nur in sehr wenigen Staaten gelungen ist und daß

zumeist erst in der Praxis beziehungsweise im Einvernehmen zwischen Justiz und

Sicherheitsbehörden Handlungsspielraume und Grenzen ausgelotet werden.

 

Das gleich gilt für die Rechtsprechung derjeweiligen Höchstgerichte. Die

Entwicklung ist international im Fluß. ln Österreich wurde aufgrund einer schon vor

Jahren einvemehmlich gefundenen restnktiven lnterpretation des § 25 StPO eine,

wenn auch nur provisonsche, aber doch weitgehend praxisgerechte Basis für die

Arbeit der StrafVerfolgungsbehörden gefunden. Mit dem lnnenressort besteht

Übereinstimmung, daß die dabei getroffene Lösung nicht nur für den Bereich des

Ankaufs von Suchtgift Geltung hat. Eine darüber hinausgehende gesetzliche

Regelung ist, wie ich schon erwähnt habe, wünschenswert und im Rahmen der

Reform des strafprozessualen Vorverfahrens auch geplant, aber nicht in wenigen

Wochen kurzfnstig realisierbar.

 

Abgesehen von diesen grundsätzlichen Überlegungen besteht aus der Sicht beider

Ressorts zur Zeit kein Bedarf nach einer weiteren Klarstellung der Rechtslage,

 

eventuell in Form von Erlässen oder dergleichen. Unser Standpunkt ist allen

Beteiligten ausreichend bekannt. "

 

Auf die Frage, ob der Scheinkunde also erlaubt sei, ergänzte der Bundesminister für

Justiz:

,, Wenn es so durchgeführt wird, wie es nach unseren Vorstel/ungen zum

Suchtgiftbereich geschieht, so sehe ich überhaupt keine Veranlassung, das nicht

auch auf andere Bereiche vergleichbarer Art auszudehnen. Natürlich muß man sich

darüber klar sein, daß eine Provokation nicht zulässig ist, aber das scheinbare

Eingehen auf Anbote fälltjedenfalls unter die getroffene Regelung, die sogenannte

Foregger-Doktnn. "

 

Dem Erstanfrager ist durchaus bekannt, daß sich schon der Gesundheitsausschuß

anläßlich der Behandlung der SuchtgiftgesetznoveIle 1980 (420 d.B., XV.GP) mit

diesem Problem auseinandergesetzt hatte und sich ausdrücklich zur verdeckten

Fahndung im Bereich der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und zur

Rechtsansicht bekannt hatte, daß eine solche Fahndung weder durch die

Bestimmungen der Strafprozeßordnung noch des Strafgesetzbuches noch durch

andere gesetzliche Bestimmungen verhindert sei.

 

Zu dieser ProbIematik wird im Kommentar zum Suchtgiftgesetz von Foregger-Litzka²

(Manz 1985) zu § 12 SGG folgendes ausgeführt:

,,Er (§ 25 StPO) verbietet es, auf die Gewinnung von Verdachtsgründen oder die

Überführung eines Verdächtigen hinzuwirken, daß dieser zur Untemehmung,

Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Handlung verleitet wird. Auszugehen

ist davon, daß im Zuge verdeckter Fahndung kein noch nicht Tatentschlossener zur

Tatbegehung (,, Unternehmung") verleitet werden da. Daß zB ein V-Mann der

Polizei einen Dritten veranlaßt, im Ausland Suchtgift einzukaufen, es einzuführen

und sodann hier in Verkehr zu setzen, wäre nicht nur dem Strafgesetzbuch, sondem

auch § 25 StPO zuwider. Dasselbe gilt für die Vollendung eines Suchtgiftdelikts,

soweit dieser Begnff materiell verstanden wird. Der V-Mann da also nicht bewirken,

daß Suchtgift an Verbraucher oder unkontrollierbare Zwischenhändler

weitergegeben wird. Die bloß formelle Deliktsvollendung durch eine wegen

Versuches oder einer strafbaren Vorbereitungshandlung bereits straffä//ig

gewordenen Person muß aber nicht als vom Begnff der ,, Vollendung" im § 25 StPO

eaßt angesehen werden, zumal auch die Begnffe ,,Unternehmung und Fortsetzung"

offenbar nicht im strengen Sinn des Deliktsaufbaus zu verstehen sind. Der Begnff

,,Fortsetzung" einer strafbaren Handlung im § 25 StPO, der zwischen

,, Untemehmung" und Vollendung" steht, bedeutet offenbar die Wiederholung

deliktischer Handlungen und nicht lediglich das Verharren im Versuchsstadium. Vor

allem aber sollte man den Begnff" Verleiten" nicht überdehnen. Wer sich als

Kaufinteressent geriert, verleitet noch nicht, und zwar nicht bloß nicht im Sinn der

Bestimmungstäterschaft nach § 12 StGB, sondem auch nicht im allgemeinen

Wortsinn. Er erweckt nicht einen Tatentschluß, sondern täuscht einem

Tatentschlossenen vor, daß er ein geeignetes Objekt für einen Kaufabschluß sei. "

 

Es ist nicht wirklich überraschend, daß manche Exekutivbeamte über mangeInde

Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Suchtgiftdelikten, und wie sich im

Zusammenhang mit den jüngsten VorfäIlen der Kinderpornographie gezeigt hat,

 

auch in diesem Bereich klagen. Für den einzelnen Beamten ist es nicht zumutbar,

die durchaus fundierten rechtlichen Ausführungen in der täglichen Praxis auch real

umsetzen zu können. Umso mehr verwundert es, wenn angeblich kein Bedarf nach

einer weiteren Klarstellung der Rechtslage besteht.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für lnneres

nachstehende

 

Anfrage:

 

1 . Wie beurteiIen Sie die Frage der praktischen Anwendbarkeit der Bestimmung über

den Scheinkauf (§ 25 StPO) für den einzeInen Sicherheitsbeamten, der im

Moment über sein Verhalten entscheiden muß, wenn dazu seitenweise

Ausführungen in Kommentaren notwendig erscheinen?

 

2. Glauben Sie im Lichte der Komplexität dieser Materie ebenso wie der

Justizminister, daß - abgesehen von der Notwendigkeit einer gesetzlichen

Regelung - eine erIaßmäßige Regelung nicht notwendig ist?

 

3. Besteht aus lhrer Sicht nicht die Befürchtung, daß Exekutivbeamte wegen der

schwierigen Abgrenzungsfragen eher von den ihnen grundsätzlich eingeräumten

Möglichkeiten nicht Gebrauch machen, um sich nicht der Gefahr einer

strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, wodurch es schließlich zu einer

Beeinträchtigung der Strafverfolgung kommt?

 

4. Wurden gegen Exekutivbeamte in den letzten Jahren Strafverfahren eingeleitet,

weil sie als Scheinkunden aufgetreten sind?

Wenn ja, wieviele?

Wie war der Ausgang dieser Verfahren?

 

5. Bleiben Sie dabei, daß eine erlaßmäßige RegeIung dieser Fragen nicht notwendig

ist oder sind Sie bereit, gemeinsam mit dem Justizminister die komplexen

Ausführungen praxisnahe zu formulieren, um Mißinterpretationen zu vermeiden?