1669/J

 

 

 

 

der Abgeordneten lng. Nußbaumer

und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Teilnahme Österreichs an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion

am 01.01.1999

 

 

Vor kurzem wurde die offizielle volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des statistischen

Zentralamtes veröffentlicht. Danach betrug das Bruttoinlandsprodukt 1995 2272,3 Mrd.

Schilling. Dies ist eine um 80 Mrd. Schilling verschlechterte Bilanz im Vergleich zu den

Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Damit hat sich auch die Neuverschuldung 1995 von 5,9 auf 6,1 Prozent und die

GesamtverschuIdung der öffentlichen HaushaIte von 69,5 auf 72 Prozent des BIP erhöht.

 

Zur Beurteilung einer möglichen Teilnahme an der dritten Stufe der Wirtschafts- und

Währungsunion werden zwar die Daten aus dem Jahre 1997 heranzuziehen sein, das

Erreichen einer maximalen Neuverschuldungsgrenze für Österreich von drei Prozent wird

aber immer unwahrscheinlicher.

ln diesem Zusammenhang ist auch eine Aussage des Präsidenten des Europäischen

Währungsinstituts in der ,,Presse" am 04.12.1996 zu verstehen, wenn er sich Sorge um die

fiskalische Position Österreichs macht und ausführte: ,,Sie haben 1991/1992 mit einer

Verschuldung von 58 Prozent (des BIP) begonnen und waren in fünf Jahren bei 72 Prozent.

Das ist keine haltbare Position. Sie müssen den Anstieg stoppen und dann umkehren. Das hat

nicht direkt mit Maastricht zu tun. Kein Staat kann mit einer steigenden Verschuldung

leben."

 

Im Jahre 1997 wird die Gesamtverschuldung Östereichs erneut steigen. Vor diesem

Hintergrund erscheint es daher sehr bedenklich, wenn mit 01.01.1999 weitere

wirtschaftspolitische Instrumente an eine überstaatliche Institution abgegeben werden.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für

Finanzen folgende

 

 

 

 

Anfrage

 

 

 

1) Inwieweit sehen Sie durch den Übergang auf eine gemeinschaftliche Geldpolitik und durch

die Verpflichtung zur Einhaltung der derzeitigen Konvergenzkriterien und eines zukünftigen

Stabilitätspakts den Verbleib an Spielraum in der nationalen Finanzpolitik als gefährdet an?

 

2) Sehen Sie sich durch eine von der Europäischen Zentralbank gesteuerte Geldpolitik daran

gehindert eine vernünftige nationale Fmanzpolitik zu führen, bedingt etwa durch die .

Unmöglichkeit zusätzlicher Ausgaben oder der Senkung von Abgaben?

 

3) Inwiefern sind staatlicher Finanzpolitik durch die Einhaltung eines zukünftigen

Stabilitätspakts die Hände gebunden?

 

4) Ist die Führung einer für das eigene Land vernünftigen Finanzpolitik bei völliger Abgabe

der Geldpolitik an eine weisungsunabhängige Stelle und von durch einen Stabilitätspakt unter

Strafe gestellten, aber vormals zulässigen finanzpolitischen Maßnahmen überhaupt noch

möglich?

 

5) Wird von den an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmenden

Mitgliedstaaten bei nicht mehr tragbarer Schuldenlast und daraus resultierender laufender

Zahlungen eines teilnehmenden Staates finanzielle Solidarität eingefordert und auch gewährt

werden?

Wenn nein, warum nicht?

 

6) Titel VII des Vertrages von Maastricht setzt in seinem Artikel Q fest, daß dieser Vertrag

auf unbegrenzte Zeit gilt. Ein Austritt ist daher nicht möglich.

Auch aus der Europäischen Währungsunion ist eine Austrittsmöglichkeit nicht

vorhergesehen. Halten Sie die Einfügung einer Austrittsklausel angesichts oben beschriebener

Szenarien für wünschenswert? Wenn nein, warum nicht?

 

7) Welche weiteren integrationspolitischen Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach auf Ebene

der Europäischen Union bei Vollendung der Währungsunion notwendig?

 

8) Sollte Ihrer Ansicht nach auch eine Erweiterung der Europäischen Union vorangetrieben

werden unter der Voraussetzung, daß der Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und

Währungsunion verschoben werden muß?

 

9) Die Höhe der Spareinlagen aller Österreicher und Österreicherinnen beträgt momentan

etwa die Summe von 1500 Mrd. Schilling.

Können Sie den Werterhalt der Spareinlagen für die davon betroffenen Bürger garantieren?

 

10) Welche Folgen hätte vor allem bei einem ,,weichen Euro" ein Zinsanstieg auf dem

Rentenmarkt für den Kurs von Anlagen mit einer Festzinsvereinbarung für jene Personen, die

ihre Ersparnisse darin investiert haben?

 

11) Rechnen Sie damit, daß es in den Ländern der Währungsunion aufgrund des WegfaIls des

Wechselkursrisikos zu einem sich angleichenden einheitlichen europäischen Zinssatz

kommt?

Wenn ja, wird es in Österreich im Zuge dessen zu einem Anstieg des Zinsniveaus kommen?

 

12) Welche konkreten Auswirkungen sind durch Inkrafttreten der dritten Stufe der

Wirtschafts- und Währungsunion auf den österreichischen Arbeitsmarkt zu erwarten?

Welche Berufsgruppen in Östereich werden Ihrer Ansicht nach zu den Verlierern einer

Wirtschafts- und Währungsunion zählen?

 

13) Stellt Ihrer Ansicht nach der Kreis der voraussichtlich zu erwartenden Teilnehmerländer

ein optimales Währungsgebiet dar? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

 

14) Sind die dafür entscheidenden Faktoren wie emne starke Diversifikation der jeweiligen

Industrien oder die Flexibilität von Preisen und Löhnen ausreichend gegeben? -

 

15) Sehen Sie in der Bevölkerung den entsprechenden politischen Willen, regionale, den

Unionsinteressen unterzuordnen und eine ausreichende politische Solidarität (in bestehenden

Währungsunionen z.B. in der Form direkter Fiskaltransfers), um die dritte Stufe der WWU

auch politisch absichern zu können?

Wenn ja, in welcher Form manifestiert sich dieser Wille?

 

16) Welche Vorstellungen hegen Sie, um die aktueIlen Schwachstellen der Wiener Börse (wie

etwa zu geringe Liquidität, geringe Dividenrendite, übermächtige Stellung der Banken,

Überbewertung der angebotenen Aktien, generell schwache Performance) zur

Aufrechterhaltung dieser Institution zu beseitigen?

 

17) Werden Sie Initiativen setzen, um die Wiener Börse als Nischenbörse für spezielle

Bereiche und als Markt für KMU's aufrechtzuerhaIten?

Wenn ja, an welche Maßnahmen denken Sie?

Wenn nein, warum nicht?

 

18) Was halten Sie von dem Vorschlag nennwertlose Aktien einzuführen?

 

19) Börsenotierten Gesellschaften ist es nicht gestattet eigene Aktien rückzukaufen.

Denken Sie daran, hier eine gesetzliche Änderung durchzuführen?

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

 

20) Sehen Sie es als sinnvoll an, den Unternehmen stärkere (z.B. steuerliche) Anreize zur

Veranlagung in Risikokapital zu geben?

Wenn ja, an weIche Maßnahmen denken Sie?

Wenn nein, warum nicht?

 

21) Global ungehindert fließende Kapitalströme bestehen bereits zu 95% aus reiner

Spekulation und nur noch zu 5% aus realwirtschaftlichen Transaktionen.

Sehen Sie die Gefahr von großen Devisenspekulationen vor Bekanntgabe des

Teilnehmerkreises für die dritte Stufe der WWU?

 

22) Welche konkreten Möglichkeiten Sehen Sie, um solchen Spekulationen vorzubeugen?

 

23) Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, grenzüberschreitende KapitaIströme zu besteuern?

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

 

24) Wird den am EWSII teilnehmenden Mitgliedstaaten die obligatorische und jährliche

Vorlage eines Konvergenzprogrammes auferlegt werden?

 

25) Ist auch hier vorgesehen, Sanktionen für jene Teilnehmerstaaten anzudrohen, die die

vorgegebenen Kriterien nicht emhalten?

Wenn nein, warum nicht?

 

26) Welche sonstigen Maßnahmen stehen ferner zur Verfügung, diese Staaten an die WWU

heranzuführen?

 

27) In einem Interview in der ,,Presse" vom 27.11.1996 deuten Sie die Möglichkeit an, für em

paar Monate per Verordnung im Einzelhandel keinerlei Preissteigerung zuzulassen. -

lst dies lhrer Ansicht nach dem Einzelhandel neben der Vorschreibung einer doppelten

Preisauszeichnung für denselben Zeitraum zuzumuten?

28) Wird der Handel daher zur Vermeidung unrunder Beträge bei Umstellung vom Schilling

auf den Euro dazu gezwungen sein, bei allen Preisen zu seinen Ungunsten abzurunden?

29) Teilen Sie die Ansicht von Herrn Schmidt-Chiari, der darauf vertraut, daß die Kräfte des

Marktes alleine eine Preissteigerung verhindern werden? Wenn nein, warum nicht?

30) Ist damit zusammenhängend geplant, auch für die im Bereich des Handels angestellten

Personen einen Lohnerhöhungsstopp für genannten Zeitraum festzulegen?

31) Welche zusätzlichen Kosten wird, neben der von Ihnen geforderten doppelten

Preisauszeichnung, ein Preisstopp für die Unternehmen darüber hinaus noch mit sich

bringen?

32) Herr Henrik Kröner, Generalsekretär von Eurocommerce, gibt zu Bedenken , daß der

1.Jänner 2002 für die Einführung einer einheitlichen Währung als ungeeignet erscheint

Teilen Sie diese Auffassung? Wenn nein, warum nicht?