2473/J XX.GP
der Abgeordneten 1.angthaler, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie
betreffend ``Berliner Erklärung``
Am 8. März 1997 wurde auf einer, von der deutschen Umweltministerin initiierten
Konferenz zu ``Biologischer Vielfalt und Tourismus", die ``Berliner Erklärung,`
verabschiedet. Beteiligt waren daran VertreterInnen von 18 afrikanischen, asiatischen,
europäischen und lateinamerikanischen Staaten (siehe Beilage). Diese Erklärung
versteht sich als Beitrag zum durch die Rio-Konferenz 1992 formulierten Leitbild der
nachhaltigen Entwicklung und formuliert Prinzipien für einen nachhaltigen
Tourismus.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie folgende schriftliche
ANFRAGE:
1 . Wie bewerten Sie die ,`Berliner Erklärung" zum Thema biologische Vielfalt und
Tourismus?
2. Werden Sie für Österreich diese Berliner Erklärung unterzeichnen?
3. a) Wenn ja, wann?
b) Wenn nein, warum nicht?
DEUTSCHE ÜBERSETZUNG
Berliner Erklärung
BIOLOGISCHE VIELFALT UND NACHHALTIGER TOURISMUS:
Wir, die in Berlin zur internationalen Konferenz über Biologische Vielfalt und Tourismus
vom 6. bis 8. März 1997 versammelten Minister und Delegationsleiter
* In dem Bewußtsein, daß Tourismus eine wichtige Quelle wirtschaftlichen
Wohlstands und einer der am schnellsten wachsenden Sektoren in der
Weltwirtschaft ist;
* In Erwägung, daß Tourismus ein weltweites Phänomen ist, mit einer ständig
wachsenden Zahl von Fernreisenden, .
* In Anerkennung, daß eine gesunde Umwelt und schöne Landschaften die
Grundlage für eine langfristig lebensfähige Entwicklung aller touristischen Aktivitäten
darstellt;
* In der Erkenntnis, daß Tourismus sich zunehmend Gebieten zuwendet, in denen
die Natur noch in einem relativ intakten Status ist, so daß eine beträchtliche Anzahl
der verbleibenden Naturgebiete der Welt zunehmend für touristische Aktivitäten
erschlossen werden;
* In Sorge, daß Tourismus zwar einerseits bedeutsam zur sozio-ökonomischen
Entwicklung und zum kulturellen Austausch beiträgt, andererseits aber zugleich
das Potential zur Degradierung der natürlichen Umwelt, der sozialen Strukturen und
des kulturellen Erbes in sich birgt,
* Unter Berücksichtigung, daß nachhaltige Formen des Tourismus auch Einkommen
für lokale Gemeinschaften einschließlich indigener Gemeinschaften schaffen können
und daß ihre Interessen und Kultur
besondere Beachtung erfordern;
* Ebenfalls anerkennend, daß Tourismus die Nachfrage nach wildlebenden Tieren,
Pflanzen oder aus ihnen hergestellten Produkten als Souvenirs erzeugen oder
erhöhen und dadurch Arten gefährden und Schutzmaßnahmen beeinträchtigen
kann;
* Weiterhin anerkennend, daß die Natur und die biologische Vielfalt als wesentliche Basis
für eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung wertgeschätzt und geschützt werden
muß,
* In der Überzeugung, daß die Natur einen eigenen Wert hat, der die Erhaltung der
Arten- sowie der genetischen und öko-systemaren Vielfalt verlangt, um den Schutz der
wesentlichen lebenserhaltenden Systeme zu gewährleisten; .
* Ferner überzeugt, daß nachhaltige Formen des Tourismus zur Erhaltung .
der biologischen Vielfalt, innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten, beitragen
können;
* In der Erwägung, daß empfindliche Gebiete wie kleine Inseln, Küsten- und
Bergregionen, Feuchtgebiete und Grünflächen sowie Land.- und Seegebiete von
außergewöhnlicher Schönheit und reichhaltiger biologischer Vielfalt besondere . .
Schutzmaßnahmen verdienen;
* In der Überzeugung, daß es in der Verantwortung aller Beteiligten liegt, einschließlich
der Regierungen auf allen Ebenen, der internationalen Organisationen, des privaten
Sektors, der Umweltgruppen und aller Bürger, sowohl in den Ziel- wie in den
Herkunftsländern, nachhaltige Formen des Tourismus zu erreichen; .
* Entschlossen, mit allen zusammen zu arbeiten, die an der Erarbeitung internationaler
Richtlinien oder Regeln beteiligt sind, die die Interessen der Naturerhaltung
und des Tourismus miteinander in Einklang bringen, zu einer nachhaltigen Entwicklung
des Tourismus führen und dadurch zur Umsetzung des Übereinkommens über die .
biologische Vielfalt und die Ziele der Agenda 21 beitragen,
stimmen über folgende Grundsätze
überein:
1.Allgemeines
1 . Touristische Aktivitäten sollten ökologisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell
verträglich sein. Entwicklung und Management touristischer Aktivitäten sollte von
den Zielen, Grundsätzen und Verpflichtungen des Übereinkommens über die
biologische Vielfalt geleitet sein.
2. Touristische Aktivitäten, die direkt oder indirekt zum Schutz der Natur und der
Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen und den örtlichen Gemeinschaften
nutzen, sollten von allen Beteiligten gefördert werden. .
3. Um Natur und biologische Vielfalt als eine bedeutsame Ressourcenbasis
touristischer Aktivitäten zu erhalten, sollten alle notwendigen Maßnahmen
ergriffen werden` die die ständige Berücksichtigung der Tragfähigkeit der Natur
sicherstellen. In Gebieten, in denen bereits ein starker Druck auf die Natur
vorhanden ist, sollte eine zusätzliche Belastung durch touristische Entwicklung
vermieden werden. Der Modernisierung und Renovierung vorhandener touristischer
Einrichtungen sollte Vorrang eingeräumt werden.
4. Maßnahmen im Sinne des Vorsorgeprinzips sollten ergriffen werden, um Schaden
an der biologischen Vielfalt zu vermeiden und zu minimieren. Solche Maßnahmen
sollten die Überwachung bestehender Aktivitäten und die Bewertung der
. Umweltauswirkungen vorgeschlagener neuer Aktivitäten einschließlich der
Überwachung der negativen Auswirkungen der Naturbeobachtung umfassen.
5. Touristische Aktivitäten` die umweltverträgliche Technologien für die Wasser-
und Energieeinsparung nutzen, Umweltverschmutzung vermeiden, Abwasser
behandeln, die Vermeidung und die Verwertung von Abfällen fördern,
sollten soweit wie möglich unterstützt werden.
Ebenso sollten touristische Aktivitäten` die die Benutzung von öffentlichen und nicht-
motorisierten Verkehrsmitteln befürworten, unterstützt werden` wo immer dies möglich
ist.
6. Alle Beteiligten, einschließlich der Regierungen, der internationalen Organisationen,
des privaten Sektors und der Umweltorganisationen gleichermaßen, sollten ihre
gemeinsame Verpflichtung anerkennen, nachhaltige Formen des Tourismus zu
erreichen.
Es sollten eine Politik und, soweit angebracht, gesetzgeberische Maßnahmen sowie
umweltökonomische Instrumente und Anreize entwickelt werden, welche sicherstellen,
daß touristische Aktivitäten den Erfordernissen des Naturschutzes und der Erhaltung
der biologischen Vielfalt Rechnung tragen` einschließlich der Mobilisierung von
Finanzmitteln aus dem Tourismussektor.
Der private Sektor sollte ermutigt werden, Richtlinien und Codes of Conduct für einen
nachhaltigen Tourismus auszuarbeiten und anzuwenden. .
Alle Beteiligten sollten lokal, national und international zusammenarbeiten, um ein
gemeinsames Verständnis für die Erfordernisse eines nachhaltigen Tourismus zu
erreichen. Besonderes Augenmerk sollte auf die grenzüberschreitenden Gebiete und
Gebiete von internationaler Bedeutung gelegt werden.
7. Konzepte und Kriterien für nachhaltigen Tourismus sollten entwickelt und
in die Ausbildungsprogramme für die im Tourismus Tätigen integriert werden. Die
allgemeine Öffentlichkeit sollte über den Nutzen informiert und aufgeklärt werden, der
sich für den Naturschutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch nachhaltige
Formen des Tourismus ergibt. Forschungsergebnisse über Konzepte eines
nachhaltigen Tourismus sollten in verstärktem Maße verbreitet und umgesetzt werden.
II. Besonderes: .
8. Bestandsaufnahmen touristischer Aktivitäten und Attraktionen sollten entwickelt
werden` wobei die Auswirkungen auf die Natur und die biologische Vielfalt
berücksichtigt werden sollten. Koordinierte Bemühungen von Regierungen, des
privaten Sektors und aller anderen Beteiligten sollten unternommen werden, um
Kriterien auszuarbeiten, mit denen die Auswirkungen des Tourismus auf Natur und
biologische Vielfalt gemessen und bewertet werden können. Die technische und
wissenschaftliche Zusammenarbeit sollte durch den Clearing House Mechanismus
des Übereinkommens über die biologische Vielfalt erfolgen.
9. Tourismusaktivitäten einschließlich der Tourismusplanung, Maßnahmen zur
Errichtung der touristischen Infrastruktur sowie touristische Unternehmungen, die
voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf Natur und biologische Vielfalt haben,
sollten nicht ohne eine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
10. Touristische Aktivitäten sollten auf den geeigneten Ebenen in der Absicht
geplant werden, sozio-ökonomische, kulturelle und ökologische Erwägungen auf allen
Ebenen einzubeziehen. Entwicklungsplanung, Umweltplanung und Tourismusplanung
sollten integrierte Prozesse sein. Alle Bemühungen sollten unternommen werden, um
integrierte Tourismuspläne umzusetzen und anzuwenden.
1 . Tourismus sollte auf umweltverträglichen Verkehrskonzepten und -modalitäten
beruhen. Negative Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt sollten reduziert
werden, wobei den Umweltauswirkungen des Straßen- und Luftverkehrs besondere
Beachtung geschenkt werden sollte, vor allem in ökologisch empfindlichen
Gebieten.
12. Sport- und Freizeitaktivitäten in der Natur, einschließlich des Jagens und Fischens zu
Erholungszwecken, insbesondere in Ökologisch empfindlichen Gebieten, sollten so
gelenkt werden, daß den Erfordernissen der Erhaltung der Natur und der biologischen
Vielfalt Rechnung getragen wird und daß die bestehenden Vorschriften über die
Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der Arten eingehalten werden.
13. Es sollte besondere Sorge dafür getragen werden, daß lebende Tiere und Pflanzen,
sowie daraus hergestellte Produkte, nur dann als Souvenirs zum Verkauf angeboten
werden` wenn eine nachhaltige und umweltgerechte Nutzung natürlicher Ressourcen
vorliegt und die nationalen Rechtsvorschriften sowie internationale Vereinbarungen
eingehalten worden sind.
14. Wenn möglich und angebracht, sollten ökonomische Instrumente und Anreize
einschließlich Auszeichnungen, Zertifikate oder Umweltgütesiegel für nachhaltigen
Tourismus genutzt werden, um den privaten Sektor zu ermutigen, seine
Verpflichtungen für nachhaltige Formen des Tourismus wahrzunehmen. Die
Abschaffung ökonomischer Anreize, die umweltbelastende Aktivitäten fördern, sollte
angestrebt werden.
15. Tourismus sollte so entwickelt werden, daß er den örtlichen Gemeinschaften nützt,
die lokale Wirtschaft stärkt, einheimische Arbeitskräfte beschäftigt und auch, wo
umweltverträglich möglich, lokale Materialien, lokale landwirtschaftliche Produkte
und traditionelle Fähigkeiten nutzt. Mechanismen, einschließlich Politikern und
gesetzlicher Maßnahmen, sollten eingeführt werden, um sicherzustellen, daß die
örtlichen Gemeinschaften kontinuierlich in den Genuß der daraus entstehenden
Vorteile kommen.
Touristische Aktivitäten sollten dort, wo sie stattfinden, die ökologischen Merkmale
und Tragfähigkeit der Örtlichen Umwelt respektieren. Alle Bemühungen sollten
unternommen werden, um traditionelle Lebensweisen und Kulturen zu respektieren.
16. Tourismus in Ökologisch und kulturell empfindlichen Gebieten sollte beschränkt
und, wo nötig, vermieden werden. In diesen Gebieten sollten alle Formen des
Massentourismus vermieden werden. In Gebieten, in denen bestehende
tourislische Aktivitäten bereits die Tragfähigkeit überschritten haben, sollten alle
Bemühungen unternommen werden, um negative Auswirkungen durch
touristische Aktivitäten zu reduzieren und Maßnahmen zur Wiederherstellung der
degradierten Umwelt zu ergreifen.
17. Tourismus in Schutzgebieten sollte so gelenkt werden, daß die Ziele der
Schutzgebietsregime erreicht werden. Wo immer touristische Aktivitäten
zur Erreichung der Schutzziele in Schutzgebieten beitragen können, sollten sie
ermutigt und gefördert werden, auch mit dem Ziel, in kontrollierter Weise die
Auswirkungen von Tourismus auf die biologische Vielfalt zu überprüfen. In
hochempfindlichen Gebieten, Naturreservaten und anderen Schutzgebieten, die
einen strengen Schutz verlangen, sollten touristische Aktivitäten auf das tragfähige
Minimum beschränkt werden.
18. In Küstengebieten sollten alle Maßnahmen ergriffen werden` die notwendig sind,
um nachhaltige Formen des Tourismus zu erreichen; dabei sollten die
Prinzipien des integrierten Küstenzonen-Managements berücksichtigt werden.
Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Schutz empfindlicher Zonen gewidmet
werden` wie z.B. kleinen Inseln` Korallenriffen, Küstengewässern, Mangroven,
Küstenfeuchtgebieten, Stränden und Dünen.
19. Tourismus in Berggebieten sollte ebenfalls in ökologisch verträglichen Formen
gesteuert werden. Tourismus in sensiblen Gebirgsregionen sollte so geregelt werden,
daß die biologische Vielfalt dieser Gebiete erhalten wird.
20. ln allen Gebieten, in denen die Natur besonders vielfältig, empfindlich und
attraktiv ist, sollten alle Bemühungen unternommen werden, um den Erfordernissen
des Naturschutzes und der Erhaltung der biologischen Vielfalt Rechnung zu tragen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte den Erhaltungsnotwendigkeiten von Waldgebieten,
Grünflächen, Süßwasser-Okosystemen, Gebieten von spektakulärer Schönheit,
arktischen und antarktischen Ökosystemen geschenkt werden..
21 . Die in Berlin am 7. und 8. März 1997 zur internationalen Konferenz über ,`Biologische
Vielfalt und Tourismus`` versammelten Minister und Delegationsleiter
* empfehlen der Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens über die
biologische Vielfalt` auf der Grundlage der ``Berliner Erklärung`` und in Abstimmung mit
den Beteiligten` Richtlinien oder Regeln für eine nachhaltige Tourismusentwicklung auf
globaler Ebene zu erarbeiten, um damit zur Umsetzung der Ziele des Übereinkommens
beizutragen.
* vereinbaren, die ``Berliner Erklärung`` allen Vertragsstaaten und Zeichnerstaaten mit.
dem Ziel zuzuleiten` eine Beratung auf der 4. VSK in Bratislava herbeizuführen.
* appellieren an die UN-Sondergeneralversammlung, diese Initiative im Rahmen der BV-
Konvention zu unterstützen und empfehlen der SGV` das Thema nachhaltiger
Tourismus in das künftige Arbeitsprogramm der CSD aufzunehmen, um die Ziele der
Agenda 21 verstärkt zur Geltung zu
bringen .
* appellieren an die bilateralen und multilateralen Finanzierungsorganisationen, bei der
Förderung tourismusbezogener Projekte die Grundsätze und Leitlinien der "Berliner
Erklärung" zu berücksichtigen.
Vereinbart in Berlin, den 8. März 1997
Die "Berliner Erklärung" wurde von folgenden Staaten und Institutionen erarbeitet.
Bahamas, Brasilien, Bulgarien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Frankreich,
Deutschland, Griechenland, Ungarn, Kenia, Malediven, Mexiko, Namibia, Polen, Portugal,
Südafrika, Spanien, Tunesien;
Kommission der Europäischen Union, Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP),
Global Environment Facility, Sekretariat des Übereinkommens über die Biologische
Vielfalt, World Tourism Organization, International Union for the Conservation of Nature
and Natural Resources (IUCN);
Deutscher Fremdenverkehrsverband, Deutscher Naturschutzring, Deutscher
Reisebüroverband, Forum Umwelt und Entwicklung.