3159/J XX.GP
der Abgeordneten Gaugg , Mag. Haupt
und Kollegen
an die Bundesministerin für Gesundheit, Arbeit und Soziales
betreffend die Rolle der Arbeiterkammer im Zuge der Pensionsreform
In den letzten Jahren ist die Arbeiterkammer in der Öffentlichkeit vor allem durch Kritik am
Zustand von Fleischproben oder des Pendlerverkehrs sowie an Bankzinsen aufgefallen.
Hingegen drang im Zuge der Pensionsreform von seiten der Arbeiterkammer so gut wie
nichts Eigenständiges an die Öffentlichkeit. Ihre eher unter Ausschluß der Öffentlichkeit er-
scheinenden Presseaussendungen legen davon Zeugnis ab, daß die Arbeiterkammer an
Vorschlägen zum Pensionsrecht substantiell kaum mehr zu bieten hatte als den x-ten Auf-
guß der bereits vom ehemaligen Sozialminister Dallinger erhobenen Altforderung, eine
Wertschöpfungsabgabe einzuführen.
Daß auf diese - angesichts des großen Reformbedarfs unbrauchbare - Forderung nicht
reagiert wurde, war der Arbeiterkammer nicht etwa Anlaß, ihre rückständige, aus Klassen-
kampfzeiten stammende Position zu überdenken. Vielmehr zog sie sich offenbar schmollend
noch weiter zurück und erging sich in larmoyanten Presseaussendungen: „Die von der BAK
vorgeschlagene Ausweitung der Beitragsgrundlagen in Richtung Lohnsumme bzw Wert-
schöpfung werde nicht angegangen, sondern künftigen Diskussionen vorbehalten... Die für
die Begutachtung zur Verfügung stehende Zeit reiche für eine endgültige Beurteilung des
Entwurfs nicht aus, kritisiert die BAK und behält sich vor, ergänzende Ausführungen zum
Entwurf noch nachzureichen.“ (Presseaussendung der AK Wien vom 7. Oktober 1997)
Eine solche Stellungnahme kommt angesichts ihres zu anderen Zeiten von der Arbeiter-
kammer gerne hochgelobten Reservoirs an „Experten“ einer Bankrotterklärung nahe. Aller-
dings hatte sich schon vorher gezeigt, daß die AK-“Experten“ in letzter Zeit eher dann öffent-
lich auffallen, wenn einer von ihnen sich der Europäischen Union für deren Propagandaak-
tivitäten zur Durchsetzung des Euro in Österreich andient.
Hauptsächlich wurde die Arbeiterkammer im Zuge der jüngsten Pensionsdiskussion als eine
Mitfahrerin im Boot des 0GB wahrgenommen. Das äußerte sich vornehmlich darin, daß ein
AK-Präsident Tumpel mit einem Lächeln im Gesicht, das eher an das Lächeln eines Ertapp-
ten erinnerte, hinter dem 0GB-Präsidenten Verzetnitsch in die Kamera nickte. Die Stellung-
nahmen des ÖGB-Chefs ihrerseits vermochten des öfteren den Eindruck zu vermitteln, daß
es ihm sichtlich unangenehm war, so tun zu müssen, als steuere er einen anderen Kurs als
den der bedingungslosen Regierungskonformität.
Dieses Verhalten der Arbeiterkammer ist nicht mehr bloß mit der jahrzehntelang geübten,
weitgehenden Unterordnung unter den ÖGB - die in der Bestellung des ÖGB-Funktionärs
Tumpel zum AK-Präsidenten erst in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erfahren hat - zu
erklären, sondern erweckt die Frage nach hinreichender Erfüllung ihres gesetzlichen Auftra-
ges.
Bisher bestand eine Zusammenarbeit zwischen Arbeiterkammer und ÖGB derart, daß der
ÖGB hat die Arbeitnehmervertretung auf betrieblicher und kollektivvertraglicher Ebene über-
nommen hat und die Arbeiterkammer diejenige im Gespann ÖGB/AK gewesen ist, die in
Fragen der Gesetzgebung die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt. Während der
Diskussion über die Änderungen im pensionsrecht aber war keine Spur davon zu sehen,
daß die Initiative auf seiten der Arbeiterkammer und nicht des ÖGB gelegen wäre. Vielmehr
zeigte sich die Arbeiterkammer in diesen entscheidenden Wochen und Monaten - ihren
Presseaussendungen zufolge - eher zum Beispiel an folgenden Themen interessiert: „PAK
163/97: AK: Handyman soll Erlagschein-Gebühr zurücknehmen“, ,,PAK 167/97: AK: Keine
Erhöhung der Versicherungsprämie bei Euro-Umstellung“, „PAK 170/97: AK unzufrieden
mit Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle „PAK 177/97: AVISO: AK Wien Symposium am 30.
September: Arbeit - Buch - Wissenschaft“, „PAK 180/97: AK-Kritik wegen längst überfälliger
Novelle zur Reisebüro-Sicherungsverordnung ,,PAK 183/97: AK: ‚Strafsteuer‘ für privat im-
portierte Autos“, „PAK 194/97: Tumpel: ‚Benya ist uns prägendes Vorbild“.
Es stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit die Arbeiterkammer zum Beispiel in Erfüllung
des gesetzliche Auftrages gemäß § 4 Abs. 2 Z 5 Arbeiterkammergesetz, „in Angelegenhei-
ten ... des Konsumentenschutzes... Maßnahmen zu treffen und Einrichtungen zu schaffen,
zu verwalten oder zu unterstützen“, im Sinne der in § 1 statuierten „Interessen der Arbeit-
nehmer und Arbeitnehmerinnen“ tätig werden kann.
Nicht zuletzt von der Arbeiterkammer wird beklagt, daß in letzter Zeit eine Umverteilung der
Einkommen zu Lasten der Arbeitnehmerschaft stattgefunden habe. Da die österreichischen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weniger in der Lage sind und auf Grund der
Pensionsreform in Zukunft als Pensionisten noch viel weniger dazu in der Lage sein werden,
große Ersparnisse anzuhäufen, kommt es ihnen immer weniger zugute, daß sich die Arbei-
terkammer in Erledigung ihrer Konsumentenschutz-Agenden Sorgen um Zins-
Achtelprozente macht. Davon können logischerweise nur die Besitzer großer Vermögen -
und somit nicht an erster Stelle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - entsprechend große
Vorteile haben.
Es läßt sich daher ein Zustand feststellen, demgemäß die Arbeiterkammer immer noch auf
dem Wege der Pflichtmitgliedschaft von denjenigen finanziert wird, die immer weniger ha-
ben, aber immer mehr denjenigen zugute kommt, die zwar viel davon haben, an der Finan-
zierung der Arbeiterkammer jedoch in keiner Weise beteiligt sind.
Sofern die mangelnde Präsenz der Arbeiterkammer gegenüber der Öffentlichkeit im Zuge
der Pensionsreform nicht dadurch bedingt ist, daß sie sachlich oder fachlich unzureichend
dazu geeignet ist, könnte man ihr allenfalls zugute halten, daß sie offensichtlich dadurch
extrem ruhiggestellt worden ist, daß eine ehemalige AK-Präsidentin heute als diejenige So-
zialministerin fungiert, welche in der Regierung darangeht, die Verschlechterungen für die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu exekutieren.
Vor allem aber stellt sich die Frage, inwieweit die Arbeiterkammer mit ihrem Verhalten im
Zuge der Diskussion über die Pensionsreform dem gesetzlichen Auftrag noch entsprochen
hat, der eindeutig lautet: „§ 4. (1) Die Arbeiterkammern sind berufen, alle zur Interessenver-
tretung der Arbeitnehmer - einschließlich der zuvor als Arbeitnehmer beschäftigten Arbeits-
losen und Pensionisten - erforderlichen und zweckmäßigen Maßnahmen zu treffen.“ Es stellt
sich die Frage, ob ein öffentlich kaum wahrnehmbares Agieren dieser Institution, die
„insbesondere berufen (ist), 1. Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen und Gesetzesvorha-
ben abzugeben“, im Zuge der Schaffung neuer gesetzlicher Grundlagen für Pensionisten
diesen Anforderungen hinreichend nachgekommen ist.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Arbeit, Ge-
sundheit und Soziales als Aufsichtsorgan der
Arbeiterkammer nachstehende
Anfrage:
1. Warum hat die Arbeiterkammer nicht selbst öffentlich eine Stellungnahme im Zuge des
Begutachtungsverfahrens über den Entwurf für die Pensionsreform abgegeben?
2. Gab es eigene Vorschläge der AK zur Pensionsreform?
Wenn nein: Warum wurde von der AK kein alternatives Modell für die Pensionsreform vorge-
legt?
Wenn ja: Warum legten die AK-Experten über eventuelle Vorschläge ihrerseits zur Pensi-
onsreform den mit den Pflichtmitgliedsbeiträgen für ihre Bezahlung aufkommenden AK-
Beitragszahlern öffentlich Rechenschaft?
3. Gab es Einflußnahme der Sozialministerin derart, daß sie als ehemalige AK-Präsidentin
den AK-Experten im Zuge der Pensionsreform sozusagen das Schweigen nahelegte, oder
ist die Stummheit der AK-Experten eher durch eine Unfähigkeit, zur Pensionsreform eigene
Vorstellungen zu entwickeln, zu erklären?
4. Hat die Arbeiterkammer keine Stellungnahme abgegeben, weil sie trotz eindeutigen ge-
setzlichen Auftrags Pensionisten nicht mehr als zu dem von ihr zu vertretenden Personen-
kreis gehörig betrachtet?
Wenn ja: Ist diese Mißachtung des Gesetzesauftrages darauf zurückzuführen, daß es in der
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit zunehmend unvereinbar wird, die Inter-
essen von aktiven Arbeitnehmern und Pensionisten zugleich zu vertreten?
5. Halten Sie es für adäquat, daß die Arbeiterkammer als eine aus den Beiträgen der
Pflichtmitgliedschaft finanzierte Institution im Zuge der Pensionsreform eine für die Pflicht-
mitglieder in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbare Rolle gespielt hat?
Wenn ja: Ist es mit den Prinzipien der Demokratie verträglich, daß Institutionen des demo-
kratischen Staates für die demokratische Öffentlichkeit undurchschaubar agieren?
6. Werden Sie Initiativen zu einer entsprechenden Adaptierung des AK-Gesetzes ergreifen?
Wenn ja, welche?
7. Ist das Verhalten der Arbeiterkammer für den heutigen Zustand der Sozialpartnerschaft
symptomatisch?