3390/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Kaufmann
und Genossen
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
betreffend ,,Multiplex — Verordnung“ von Landeshauptmann Pröll
Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll hat am 4. November 1997 aufgrund des Sonn- und
Feiertags-Betriebszeitengesetzes (BZG; BGBl. Nr.129 aus 1984) eine Verordnung erlassen,
nach der die Unternehmen im sogenannten „Multiplex‘1-Fachmarktzentrum in Wiener
Neudorf künftig auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet haben dürfen.
Die von Landeshauptmann Erwin Pröll erlassene Verordnung zur Neuregelung der
Öffnungszeiten im Multiplex-Center und die hiermit verbundene Möglichkeit, künftig die
Geschäfte auch am Sonntag offenzuhalten, wird von vielen Seiten auf das Schärfste kritisiert
und abgelehnt.
Wenn gleich die „Pröll-Verordnung“ rein rechtlich nur das Offenhalten der Geschäfte, nicht
aber die Beschäftigung von Arbeitnehmern für den Sonntag erlaubt, ist diese Regelung als ein
gefährlicher Schritt in Richtung Sonntagsarbeit zu sehen. Der Druck auf die Arbeitnehmer
aufgrund der Arbeitsmarktsituation führt dazu, daß - aus Angst vor Kündigungen - viele
Angestellte trotzdem tätig werden.
Die Verordnung für künftige Sonntagsöffnungszeiten im Multiplex-Center ist daher als
gefährlicher Dammbruch zu verstehen: Weitere Betriebe werden folgen wollen, die
Einführung genereller Sonntagsöffnungs- und letztlich Sonntagsarbeitszeiten droht.
Daß dieser Schleichweg hin zur Sonntagsarbeit zu Lasten der Arbeitnehmer und der Familien,
aber auch der kleinen Handelsunternehmer in diesem Land geht, liegt auf der Hand. Die
ÖVP-NÖ verfolgt damit eine Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Beschäftigten, deren
Angehörigen und der kleinen
Handelsunternehmer.
Deshalb stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten folgende
Anfrage
1. Hat Landeshauptmann Pröll angesichts der von vielen Seiten als zu weitgehend
kritisierten Auslegung des § 3 Abs. 1 BZG („besonderer regionaler Bedarf‘, "Teilgebiet“)
seine Verordnungsermächtigung überschritten?
2. Interpretieren Sie den § 3 Abs. 1 des Sonn— und Feiertags-Betriebszeitengesetzes auch so
wie offensichtlich Landeshauptmann Pröll, daß es weitgehend seinem Belieben obliegt,
die regionale Dimension eines „Bedarfs“ einzuschätzen? Wenn ja, warum? Wenn nein,
warum nicht?
3. Gibt es Meßgrößen oder allgemein gültige Definitionen für den im BZG (§3 Abs 1)
genannten „besonderen Bedarf‘? Wenn ja, wie sehen diese aus? Wenn nein, warum nicht?
4. Besteht Ihrer Meinung nach in Wiener Neudorf tatsächlich ein besonderer regionaler
Bedarf für das Offenhalten der Geschäfte im Multiplex auch an Sonn- und Feiertagen?
5. Was verstehen Sie gemäß BZG (§ 3 Abs. 1) unter einem „Teilgebiet“ eines
Bundeslandes? Meinen Sie, daß in der gegenständlichen Verordnung die Festlegung des
Multiplex — Centers als „Teilgebiet“ gesetzeskonform ist?
6. Nach den legistischen Richtlinien des Landes Niederösterreich hat auch der
Landesverfassungsdienst eine Stellungnahme abzugeben. Ist Ihnen im betreffenden Fall
eine solche Stellungnahme bekannt? Wenn ja, sind Sie bereit, diese Stellungnahme zur
Verfügung zu stellen? Wenn nein, warum
nicht?
7. Einige Unternehmer im Multiplex überlegen nun eine sog. „kreative“ Lösung, um am
Sonntag nicht selbst im Geschäft stehen zu müßen: Die Betriebsführung soll am Sonntag
an eine Betreibergesellschaft verpachtet werden, an der sich Interessenten beteiligen
können. Sie könnten dann im Laden stehen, ohne Angehörige des Chefs zu sein. Wollen
Sie damit in Kauf nehmen, daß zur Aufrechterhaltung des Betriebes an Sonn- und
Feiertagen Vertragstypen für Arbeitskräfte kreiert werden, welche gemessen nach ihrem
äußeren Erscheinungsbild unverfänglich scheinen, tatsächlich nach ihrem wahren
wirtschaftlichen Gehalt aber eine eklatante Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher
Schutznormen darstellen? Wenn Sie das nicht wollen, werden Sie sich um eine Regelung
vergleichbar dem §2 Abs. 4 AuslBG bemühen?
8. Wie ist der von den Befürwortern der Verordnung gesehene Beitrag zur
volkswirtschaftlichen Wertschöpfung durch die Sonntagsöffnung im Multiplex zu
beziffern?
9. Sind Sie der Ansicht, daß die Kaufkraft in dieser Region durch diese Regelung einzig und
allein zeitlich verschoben, aber deshalb nicht größer wird? Wenn nein, warum nicht?
10. Wie beurteilen Sie die massive Kritik von kirchlicher und familienpolitischer Seite an der
Verordnung?