3458/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie
betreffend mögliche gesundheitliche Gefährdung durch GSM-Mobilfunknetze sowie
fehlende Bürgerbeteiligung bei der Errichtung von Mobilfunkbasisstationen
In Österreich sind nunmehr drei Mobilfunk-Betreibergesellschaften bemüht, ein möglichst
flächendeckendes Mobilfunknetz aufzubauen. Dazu ist die Errichtung mehrerer Tausend
Mobilfunkbasisstationen erforderlich. Alleine die Post-Tochter Mobilkom hat für ihr A1-
Makronetz über 1400 große Basisstationen errichtet (Stand: Mai 97) und plant zusätzlich in
Ballungsgebieten eine Vielzahl kleinerer Basisstationen für ihr Mikronetz.
Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wurden bei der Errichtung der Basisstationen
bislang praktisch nicht berücksichtigt. Mobilfunkbasisstationen werden und wurden teils
ohne Information und ohne Einspruchsmöglichkeit der betroffenen Bevölkerung errichtet,
scheinbar wo immer es den Betreibergesellschaften beliebt.
Diese undemokratische, die Bürgerinnen und Bürger entmündigende Vorgangsweise ist
einem modernen Rechtsstaat nicht würdig. Sie führt zu zunehmend massiver werdenden
Protesten seitens der betroffenen Bevölkerung, die inzwischen auch in vielen
Gemeindepetitionen an den Gesetzgeber und in der Gründung von zahlreichen
Bürgerinitiativen ihren Ausdruck finden.
Neben dem Ärger über die undemokratischen Genehmigungsverfahren wächst die Sorge in
der Bevölkerung, daß eine gesundheitliche Gefährdung durch die niederfrequent gepulste
elektromagnetische Strahlung der GSM-Mobilfunknetze nicht mit Sicherheit ausgeschlossen
werden kann.
Die Aussagen der von den Betreibergesellschaften zitierten Gutachter, biologische Effekte
im nicht-thermischen Intensitätsbereich könnten auch bei Langzeitexposition nicht zu
Gesundheitsschäden führen, wurde inzwischen mehrfach widerlegt. Umfangreiche seriöse
Publikationen belegen eindeutig und reproduzierbar Effekte von elektromagnetischen
Wellen auf biologische Systeme und zwar im nicht-thermischen Intensitätsbereich.
Die Unbedenklichkeitsgutachten der Betreibergesellschaften basieren allesamt auf den
Grenzwerten der ÖNORM 5 1120 aus dem Jahre 1992 (!). Forschungsergebnisse aus den
Jahren nach 1992 sind damit nicht berücksichtigt. Niederfrequent gepulste Hochfrequenz-
strahlung wird darin ebensowenig bewertet wie die mittlerweile anerkannten nicht-thermi-
schen Effekte. Diese rein technische Norm, die lediglich eine Vornorm ohne rechtsverbind-
lichen Charakter darstellt, muß daher
deutlich hinterfragt werden.
Die vom Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz im Frühjahr 1997 prä-
sentierte dreibändige Studie, die der GSM-Technologie gesundheitliche Unbedenklichkeit
bescheinigt, wird von vielen unabhängigen Fachleuten als unzureichend, unglaubwürdig
und im Sinne der Betreiber erstellt bewertet. Eben diese Studie beinhaltet lediglich eine
einzige Untersuchung in Bezug auf Basisstationen (Petersen und Testagrossa 1992). Weder
sind aber dabei die Frequenzen vergleichbar noch findet die niederfrequente Taktung, mit
der die GSM-Technologie arbeitet, Erwähnung.
Auf Basis des heutigen Kenntnisstandes kann somit seriös weder die Gesundheitsgefährdung
noch die Unbedenklichkeit mit Sicherheit behauptet oder ausgeschlossen werden. Es sind
daher umfangreiche und unabhängige Forschungsarbeiten nötig - insbesondere Langzeit-
beobachtungen fehlen noch völlig.
Zeichen für die ungeklärten gesundheitlichen Auswirkungen ist auch das Verhalten der Ver-
sicherungsgesellschaften: sie lehnen es ab, im Rahmen der Allgemeinen Haftpflicht für
Schäden durch elektromagnetische Felder einzustehen. Damit bleibt auch die Haftungsfrage
weitgehend ungeklärt.
In Österreich haben sich inzwischen rund 50 Bürgerinitiativen (Stand: Sept.97) gegen
Mobilfunkbasisstationen inmitten von Wohngebieten, auf Wohnhäusern, Schulen, Alten-
heimen und Krankenanstalten gebildet. Neben der nicht auszuschließenden Gesundheits-
gefährdung richtet sich der Protest in vielen Fällen auch gegen die undemokratische Vor-
gangsweise im Rahmen der Bauverfahren, die Entmündigung der StaatsbürgerInnen sowie
die Entwertung von Liegenschaften. In vielen Fällen wurde nicht einmal den Anrainerlnnen
- geschweige denn den Betroffenen - Parteienstellung im Bauverfahren gewährt, wobei dies
seitens der zuständigen Behörden einerseits mit den Bauordnungen und andererseits mit dem
Fernmeldegesetz gerechtfertigt wird.
Zudem erfolgt in Österreich eine von Gemeinde zu Gemeinde äußerst unterschiedliche
Interpretation des Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgesetzes, was eine Willkür
darstellt, die viele BürgerInnen nicht mehr hinzunehmen bereit sind.
Solange die gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht seriös nachgewiesen werden kann, ist es
verantwortungslos, Mobilfunkbasisstationen mit hoher Strahlungsintensität mitten in dicht
bewohntem Gebiet, unweit von Schulen, Kindergärten, Altenheimen und Krankenhäusern in
Betrieb zu nehmen.
Im Sinne des Vorsorgeprinzips ist der Netzausbau jedenfalls so zu gestalten, daß die Bela-
stung der Bevölkerung durch die elektromagnetische Strahlung der Basisstationen mittels
Standortwahl, Antennencharakteristik und Sendeleistung minimiert wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Anrainern und Betroffenen in allen
österreichischen Gemeinden einheitlich
und demokratisch die Möglichkeit zu geben,
sich vor den nicht auszuschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht—
ionisierender Strahlung zu schützen? Treten Sie für eine Änderung der diesbezügli-
chen gesetzlichen Bestimmungen ein? Wenn ja, in welcher Form?
2. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Anrainern und Betroffenen in allen
österreichischen Gemeinden einheitlich und demokratisch die Möglichkeit zu geben,
als Partei im Bauverfahren anerkannt zu werden, um dort Gesundheitsbedenken vor-
bringen zu können? Treten Sie für eine Änderung der diesbezüglichen gesetzlichen
Bestimmungen ein? Wenn ja, in welcher Form?
3. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um eine Inbetriebnahme von Mobilfunk—
sendeanlagen hoher Strahlungsintensität inmitten oder im Umkreis von Wohngebiet,
neben und zum Teil sogar auf Schulen, Kindergärten, Altenheimen und Kranken-
häusern zu verhindern und so die Bevölkerung im Sinne des Vorsorgeprinzips vor
nicht auszuschließenden gesundheitlichen langzeitfolgen zu schützen? Treten Sie für
eine Änderung der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen ein?
4. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit die möglicherweise besondere bio-
logische Gefahr der gepulsten Strahlung (Radar, Richtfunk, Datenfunk, GSM- und
DECT-Mobilfunknetze,...) künftig angemessen berücksichtigt wird?
5. Warum wurden die Grenzwerte für gepulste Strahlung in Österreich im Rahmen der
ÖNORM S 1120 wesentlich höher angesetzt als in den Lindern des ehemaligen Ost-
blocks? Werden Sie sich für eine Überprüfung der Grenzwerte einsetzen?
6. Werden Sie sich im Sinne des Vorsorgeprinzips für eine deutliche Absenkung der
zulässigen Grenzwerte in Österreich einsetzen?
7. Warum werden in der ÖNORM S 1120 nicht-thermische Wirkungen nicht berück-
sichtigt, obwohl über diese schon seit mindestens 15 Jahren berichtet wird?
8. Wie werden Wechselwirkungen und Summationseffekte verschiedener Felder berück-
sichtigt?
9. Wie wird dem Schutz von Risikogruppen, wie Ungeborenen, Schwangeren, Kindern,
Alten, Kranken, Sensiblen, Rechnung getragen? Halten Sie diesbezüglich besondere
Bestimmungen für notwendig?
10. Treten Sie für die verbindliche Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors ein, um den
die derzeit verwendeten Grenzwerte der ÖNORM 5 1120 abzusenken sind, solange
die gesundheitliche Unbedenklichkeit der GSM-Strahlung nicht zweifelsfrei nach-
gewiesen werden kann? Wenn ja, wie hoch sollte dieser Sicherheitsfaktor sein? Wenn
nein, warum nicht?
11. Die Versicherungsgesellschaften lehnen das Risiko ab, im Rahmen der Allgemeinen
Haftpflicht für Schäden durch elektromagnetische Felder einzustehen.
Wie beurteilen Sie diesen Umstand? Und wer haftet für Schäden durch elektro-
magnetische Felder und bis zu welcher
Schadenshöhe?
12. Gepulste HP-Strahlung, wie sie im GSM-Mobilfunk Verwendung findet, scheint bio-
logisch besonders wirksam zu sein, da sich eine Vielzahl der nicht-thermischen
Effekte fast ausschließlich in bestimmten Modulationsfrequenz- und Amplituden-
fenstern zeigt.
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Klarheit darüber zu gewinnen, welche
Wirkfenster für menschliche Zellkomponenten und Gehirnaktivititen existieren, um
z.B. entsprechende Modulationsfrequenzen in der Kommunikationstechnik zu ver-
meiden?
13. Treten Sie für die Einrichtung eines Forschungsschwerpunktes zu den gesundheitli-
chen Auswirkungen der GSM-Strahlung ein? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
14. Halten Sie die Einrichtung eines Forschungsfonds für zweckmäßig, mit dem unab-
hängige Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen der GSM-Strahlung finan-
ziert wird und der durch die Mobilfunkbetreiber sowie durch Anteile der Lizenz-
einnahmen gespeist wird? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
15. Welche Forschungsarbeiten zu den gesundheitlichen Auswirkungen der GSM-
Strahlung haben bzw. werden Sie in Auftrag geben?