3748/J XX.GP

 

der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Dipl. - Ing. Dr. Peter Keppelmüller

und Genossen

an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

betreffend Multilaterales Abkommen über Investitionen (MAI)

Nach Zahlen des deutschen Soziologen Ulrich Beck (Was ist Globalisierung? Suhrkamp

Verlag, Seite 20) hat sich der Anteil der Unternehmenssteuern an den gesamten

Steuereinnahmen des Staates von 1989 bis 1993 halbiert. Die Gewinne der Unternehmen

stiegen seit 1979 um 90 Prozent, die Löhne um 6 Prozent, dennoch hat sich das

Lohnsteueraufkommen verdoppelt und haben sich die Steuern auf Gewinne halbiert.

Die meisten transnationalen Unternehmen zahlen im Inland längst keine Steuern mehr. Die

EU - Länder sind in den letzten 20 Jahren um 50 - 70 Prozent reicher geworden, die Wirtschaft

wuchs schneller als die Bevölkerung, und dennoch gibt es 18 Millionen Arbeitslose,

5 Millionen Obdachlose und 50 Millionen Arme in der EU.

Wo ist der Reichtum hin? Für die USA gibt es Berechnungen, daß 96 Prozent des zusätzlichen

Reichtums den reichsten 10 Prozent der US - Bevölkerung zugeflossen sind.

Seit mehr als zwei Jahren wird im Verein der Industrieländer (OECD) ein Vertrag

ausgehandelt (MAI: Multilateral Agreement on Investment), dessen Ziel der Schutz und die

Liberalisierung ausländischer Investitionen ist. Multinationale Unternehmen werden dabei

teilweise Nationalstaaten gleichgestellt, und sie erhalten das Recht, Staaten auf die Einhaltung

der MAI - Bestimmungen zu klagen, Schadenersatz zu verlangen. Die Staaten verpflichten

sich, dem Urteil des MAI - Schiedsgerichtes Folge zu leisten.

Das MAI stellt nach Ansicht vieler Kritiker eine neoliberale Verschärfung des NAFTA -

Vertrages (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und

Mexiko) dar und ist der Versuch ihrer Ausdehnung über den ganzen Globus. Kritisiert wird

auch, daß die Verhandlungen bislang fernab jeder Öffentlichkeit erfolgten und daß die

Machtverschiebung zugunsten multinationaler Unternehmen und ihre Auswirkungen auf

Lebens - und Arbeitswelt politisch nicht diskutiert werden.

Da „Investitionen“ vom MAI extrem weit definiert werden - unter anderem auch geistiges

Eigentum (Patentrecht auf Leben, Gene?), Grund und Boden, indirekte Investitionen wie

Beteiligungen -, wird nahezu die gesamte Ökonomie eines Landes prinzipiell von den MAI-

Bestimmungen erfaßt.

Entstehungshintergrund des MAI ist der Versuch (vor allem der USA im Interesse ihrer

Konzerne), die regulativen Möglichkeiten von Regierungen zu beschränken (zum Beispiel

Mindestmaß an einheimischen Beschäftigten, einheimische Vorprodukte, Regulation von

Gewinn - und Kapitaltransfers usw.) beziehungsweise eine Öffnung von geschlossenen oder

regulierten Märkten zu erzwingen. Diese Beschränkung staatlichen Handlungsspielraumes

soll nicht nur in die Zukunft reichen, sondern auch rückwirkend gelten. So sehen die

sogenannten „Stillstands - und Rücknahmebestimmungen“ ein Verbot zukünftiger Gesetze und

politischer Maßnahmen vor, die den Liberalisierungsbestimmungen des MAI widersprechen,

beziehungsweise sollen all jene bestehenden Gesetze rückgängig gemacht werden, die dem

MAI entgegenstehen.

Ein zentraler Aspekt des MAI ist die Schaffung eines Schiedsgerichtes. Multinationale

Unternehmen erhalten somit die Möglichkeit, Staaten auf die Einhaltung der liberalen MAI-

Bestimmungen zu verklagen bzw. Schadenersatz zu fordern. Die Staaten verpflichten sich,

dem Spruch des MAI - Schiedsgerichtes Folge zu leisten.

Vertreter der amerikanischen Industrie begrüßten die Möglichkeit der Klage von

Nationalstaaten, da dies einen erzieherischen Effekt auf die Parlamente habe und die

politische Diskussion und ihre Ergebnisse angesichts der absehbaren Millionenklagen positiv

(im Sinne der Industrie) beeinflusse.

Es droht die Gefahr, daß gemäß MAI - Abkommen Regierungen Investoren entschädigen

müssen, wenn sie Regulierungen oder Verbote im Interesse der öffentlichen Gesundheit oder

des Umweltschutzes erlassen.

Das MAI soll im Mai 1998 von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden. Die

unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, für mindestens 20 Jahre die Bestimmungen des

MAI zum Schutz internationaler Investoren einzuhalten. Dies bedeutet, daß nationale

Wirtschaftspolitik unabhängig von politischen Veränderungen (demokratischen Wahlen) für

einen sehr langen Zeitraum auf das neoliberale Experiment mit all seinen katastrophalen

Konsequenzen für Mensch und Natur verpflichtet wird.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für wirtschaftliche

Angelegenheiten nachstehende

Anfrage:

1. Wann beabsichtigen Sie, das MAI dem österreichischen Parlament vorzulegen?

2. Welche Auswirkungen haben die MAI - Bestimmungen auf

a) die arbeitende Bevölkerung,

b) auf die natürlichen Lebensgrundlagen,

c) auf den Schutz des regionalen Umfeldes?

3. Sehen Sie die Möglichkeit, entgegen dem Entwurf beispielsweise folgende Regelungen

einzubinden:

a) Beschwerderechte von Menschen, Gemeinschaften, Staaten gegenüber

multinationalen Unternehmungen einzuführen?

b) Umweltpolitisches, soziales Verhalten und Mindeststandards vorzuschreiben?

c) Den ruinösen und unproduktiven Standortwettbewerb einzudämmen?

d) Dem spekulativen Abbau von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen

entgegenzuwirken?

e) Die Haftung von Konzernen für von ihnen verursachte soziale und ökologische

Kosten zu regeln?

4. Sind Sie bereit, dieses Abkommen vor deren Ratifizierung einer öffentlichen Diskussion

zuzuführen?