3808/J XX.GP
der Abgeordneten Dr. Lukesch, Dr. Gertrude Brinek, Dr. Spindelegger
und Kollegen
an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr
betreffend Forschungszentrum Seibersdorf
Erst am 17. Februar 1998 hat der Geschäftsführer des Forschungszentrums Seibersdorf
(ÖFZS), Prof. Dr. Franz Leben, in einer Pressekonferenz in Wien eine "positive
Bilanz“ über das Wirtschaftsjahr 1997 gezogen. Denn, obwohl das Zentrum, das im
Mehrheitseigentum des Bundes steht, ein „turbulentes Jahr“ hinter sich hat, sei der
Umsatz gegenüber 1996 um 16 Mio. S oder 2,1 Prozent auf 749 Mio. S gestiegen.
„Damit konnte das Forschungszentrum das beste Wirtschaftsjahr in seiner Geschichte
erreichen“, erklärte Leberl. Zur Jahreswende 1996/97 war es praktisch noch
Konkursreif. Erst im November 1997 konnten dem ÖFZS zusätzliche Mittel in der
Höhe von 160 Mio. S zur finanziellen Absicherung zugesagt werden, nämlich 1997
100 Mio. sowie 1998 und 1999 je 30 Mio. S.
Per Ende März wird Dr.Leberl - laut APA, auf eigenen Wunsch - seine Funktion nach
eineinhalb Jahren zurücklegen, um eine Einladung zu einer Gastprofessur in den USA
anzunehmen und danach in seine akademische Funktion als Universitätsprofessor für
Informatik an die Technische Universität Graz zurückzukehren.
Tatsächlich hat der neue Geschäftsführer Dr.Leberl Umstrukturierungsmaßnahmen
und neue inhaltliche Schwerpunkte gesetzt sowie die Unternehmenseinheit
,,Technology Consulting“ geschaffen, die auch dazu beitragen sollte, daß künftig die
angewandte Forschung durch eine intensive Verwertung der Untersuchungsergebnisse
weltweit aufgewertet wird; es wurde auch die Einstellung der Kernforschung
beschlossen und Personal reduziert. Die Bundesmittel sollen heuer 372 Mio. S
erreichen, davon dienen 30 Mio. der Abdeckung von Verlusten und 32 Mio. als
Investitionszuschuß.
Darüber hinaus war Dr.Leberl sehr bemüht, neue Forschungsaufträge zu akquirieren
und sonstige Drittmittel einzuwerben. Es wurden auch Überlegungen angestellt, neue
Standorte in den Bundesländern zu errichten sowie eine intensive Vernetzung und
Kooperation mit den Universitäten und Fachhochschulen einzugehen. Im
Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung des Forschungszentrums
Seibersdorf wurde also bisher vor allem die Zusammenführung der außeruniversitären
Forschung bei gleichzeitiger Regionalisierung und damit verbundener Einrichtung von
Außenstellen in den Bundesländern diskutiert, ja sogar der Standort Seibersdorf selbst
wurde in Frage gestellt.
Das neue Unternehmenskonzept wurde vom Aufsichtsrat und dem
Mehrheitseigentümer Bund, darunter auch das Bundesministerium für Wissenschaft
und Verkehr, zur Kenntnis genommen sowie mit den bereits genannten 160 Mio. 5
dotiert. Die Umsetzung der neuen Pläne
erfolgte aber nicht konfliktfrei, manche
Mitglieder der Belegschaft sprachen von chaotischen Zuständen in Seibersdorf und
von Handlungen wider jegliche betriebswirtschaftliche Grundsätze.
Das Bundesforschungs - und Prüfzentrum Arsenal wurde durch Errichtung einer
Gesellschaft m.b.H. aus der Bundesverwaltung (bisher betriebsähnliche Einrichtung)
ausgegliedert und auf ÖVP - Initiative im Plenum des Nationalrates in
„Österreichisches Forschungs - und Prüfzentrum Arsenal Gesellschaft mit beschränkter
Haftung“ umbenannt, um die Marktchancen dieser aus der Ausgliederung
entstehenden Gesellschaft zu erhalten und eine Wettbewerbsgleichheit bzw. Analogie
zur „Österreichisches Forschungszentrum Seibersdoff Ges.m.b.H.“ (ÖFZS) zu
schaffen.
Langfristig soll eine strategische Partnerschaft (Zusammenführung) zwischen dem
Arsenal und dem ÖFZS auf Basis eines auf ÖVP-Wunsch zu erstellenden
Unternehmenskonzeptes, das bis 30. Juni 1998 zu erarbeiten ist, angestrebt werden.
Eine Zusammenlegung mit dem ÖFZS soll jedenfalls einer Vorbegutachtung
unterzogen werden, bei der die Varianten der wirtschaftlichen und rechtlichen
Selbständigkeit und die Auswirkungen der Zusammenführung, insbesondere deren
wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit, darzulegen sind. Unbestritten ist, daß es zwischen
beiden Forschungseinrichtungen Synergieeffekte gibt; die konkrete Ausgestaltung der
Kooperation und Fragen der Übertragung des Eigentums werden einer
Neuorganisation überlassen. Geplant ist laut Dr.Leberl die Fixierung eines
Zusammenschlusses Anfang 1999.
Die ÖVP hat im Vorfeld zwei Versuche von Bundesminister Dr. Scholten verhindert,
ohne weitere Prüfling der Vorteil - und Sinnhaftigkeit eine sofortige Zusammenlegung
dieser beiden Institutionen vorzunehmen. Angesichts der in der Folge bekannt
gewordenen Finanzprobleme des ÖFZS hatte sich die Strategie der ÖVP als völlig
richtig erwiesen, da ansonsten die Gefahr bestanden hätte, daß die Zusammenführung
zu Lasten des Arsenals gegangen wäre.
Darüber hinaus wurde vom Ausschuß festgehalten, daß die Vertretung des Personals
ein laufendes Informations - und Mitwirkungsrecht bei der Erstellung des
Unternehmenskonzepts für die Zusammenführung der Gesellschaft mit dem ÖFZS hat.
Eine andere Frage stellt sich im Zusammenhang mit der Tatsache, daß Seibers dorf zu
den wichtigsten Auftragnehmern bei den österreichischen Weltraumaktivitäten zählt.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende
Anfrage:
1. Warum ist Geschäftsführer Dr.Leberl zurückgetreten?
2. Wie sieht die Vertragsgestaltung mit Dr.Leberl hinsichtlich seiner
Abfertigungsansprüche aus?
3. Können Sie ausschließen, daß bei der Nachbesetzung die bisherigen Fehler in der
Personalpolitik ausgespart bleiben und es zu
keiner Fehlbesetzung kommt?
4. Nach welchen Qualifikationskriterien werden Sie die neue Leitungsperson suchen?
5. Wann wird die Neubestellung des Leiters erfolgen?
6. Planen Sie die Bestellung eines interimistischen Leiters?
7. Wenn ja, an welche Person denken Sie?
8. Führt der Rücktritt des Geschäftsführers Dr.Leberl zu einer Änderung des neuen
Unternehmenskonzeptes?
9. Wie hat sich die Unternehmenskultur unter Dr.Leberl verändert?
10. Sehen Sie durch seinen Rücktritt für das ÖFZS eine unmittelbare Gefahr?
11. Worin liegen die künftigen Schwerpunkte von Seibersdorf als größte
außeruniversitäre Forschungseinrichtung?
12. Das Land Niederösterreich ist daran interessiert, Gesellschaftsanteile vom Bund zu
übernehmen und sich damit am ÖFZS zu beteiligen; sind Sie bereit, den Kreis der
Gesellschafter in diesem Sinn zu erweitern?
13. Wie stehen Sie zu den Regionalisierungsbestrebungen in Seibersdorf, vor allem in
westlichen Bundesländern Standorte zu errichten?
14. Glauben Sie, daß Seibersdorf ohne Einbindung in einen internationalen Verbund
alleine die notwendigen Forschungs- und Entwicklungsleistungen für die
Wirtschaft und für die internationale Beteiligung an Forschungsverbünden und
-institutionen leisten kann?
15. Wie werden Sie sicherstellen, daß das ÖFZS künftig im Spannungsfeld zwischen
„öffentlichen“ Aufgaben (z.B. Umweltforschung, Klimaforschung,
Vorfeldforschung, etc.) und kommerziellen Anforderungen sowie
Bilanzanforderungen bestehen kann?
16. Wird von Ihnen weiterhin an einer Zusammenlegung bzw. gesellschaftlichen
Verflechtung zwischen dem ÖFZS und dem Österreichischen Forschungs - und
Prüfzentrum Arsenal festgehalten?
17. Wenn ja, welche zeitlichen und organisatorischen Planungen gibt es dazu?
18. Da dem Vernehmen nach für unternehmensexterne Beratung unter der Ära Leberl
viel Geld ausgegeben wurde: Können Sie diese Aufwendungen beziffern?
19. Welche Personen wurden unter Dr. Leberl „zur Unterstützung der Geschäftsstelle“
angestellt und in welcher Relation stehen deren Gehälter zu anderen vergleichbaren
in Seibersdorf?
20. Ist das ÖFZS im Rahmen der Technologiekonzepte der Bundesregierung als
Kompetenzzentrum vorgesehen?
21. Wenn ja, in welchem Bereich?
22. Im Zusammenhang mit dem ÖFZS als Auftragnehmer von ESA - Aktivitäten: Wie
werden Sie sicherstellen, daß österreichisches Know - how im Zusammenhang mit
den Weltraumaktivitäten nicht verloren geht, sondern zur Sicherstellung eines
befriedigenden „return on investment“ der österreichischen Beiträge bei der ESA
diese nicht in anderen internationalen Kooperationen eingesetzt werden?