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ANFRAGE

der Abgeordneten DDr. Niederwieser, Mag. Guggenberger, Wurm, Tegischer und Genossen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend „Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte - Umgang mit Ersttätern“

 

 

Im März 1995 wurde in Innsbruck bei einem Verkehrsunfall eine 81jährige Frau von der Lenkerin eines Autobusses niedergestoßen und verstarb an den Unfallfolgen.

 

Im November 1995 wurde die Fahrzeuglenkerin wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung vom Bezirksgericht Innsbruck zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je öS 50,-- verurteilt.

 

Der Vollzug der Geldstrafe wurde auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Staatsanwalt erhob Berufung wegen der Höhe des Tagessatzes. Bei der Berufungsverhandlung im Feber 1996 wurde dieser auf öS 300,-- angehoben, der Vollzug auf 3 Jahre bedingt nachgesehen. Am selben Tag wurde in der vielgesehenen Regionalsendung des ORF, „Tirol heute“, ein Fernsehbericht gesendet, der darüber informierte, daß die Buslenkerin nun für den vErkehrsunfall vom 24.3.1995 bestraft worden ist. Auch im Regionalteil des Kurier wurde darüber berichtet, wobei die Firma mit Namen und die Lenkerin mit ihrem Vornamen und abgekürztem Familiennamen genannt wurde.

 

Die Tatsache, daß im namentlich genannten Unternehmen von einigen hundert beschäftigten Busfahrern nur drei Frauen sind, hatte zur Folge, daß die Lenkerin leicht erkannt werden konnte und am folgenden Tag ihren Dienst aufgrund massivster Beschimpfungen durch Fahrgäste nicht fortsetzen konnte.

 

Laut Information durch den zuständigen Chef der ORF-Sendung hat der diensthabende Staatsanwalt die Medien zur Berufungsverhandlung „geladen“. Bei der Hauptverhandlung im November 1995 waren keine Vertreter der Presse anwesend gewesen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen an den Herrn Bundesminister für Justiz die folgende

 

A n f r a g e :

 

Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund der geschilderten Sachlage die Sinnhaftigkeit der Bestimmungen des Strafrechtes, wonach Ersttäter unter die Begünstigungen der Strafregisterauskunft fallen und demnach die Verurteilung nur Gerichten und Behörden bekannt sein soll?

 

Halten Sie das Vorgehen des diensthabenden Staatsanwaltes, die Medien in einem solchen fall über eine Berufungsverhandlung zu informieren (einzuladen), für vertretbar?

 

Gibt es Kriterien, nach denen die Pressestelle der Staatsanwaltschaften Medienvertreter von bevorstehenden Prozessen verständigen?

 

Wenn ja, ist eine Verständigung auch bei Berufungsverhandlungen wegen der Höhe der Strafe vorgesehen?

 

Das Medieninteresse und in der Folge der Vertrauensverlust der Fahrgäste sind nicht ohne psychische Folgen für die genannte Fahrzeuglenkerin geblieben. Werden Sie Maßnahmen veranlassen, die einen sensibleren Umgang von im Gerichtsbereich tätigen Personen und Vertretern der Presse, gerade bei bedingten Verurteilungen von Ersttätern, garantieren?