4014/J XX.GP

 

der Abgeordneten Gaugg, Mag. Haupt

und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales

betreffend gastgewerbliche Tendenzen der Arbeiterkammer Salzburg

Die Arbeiterkammer Salzburg hat beschlossen, ein Jugendwohnheim und Veranstaltungs -

zentrum in ein "Seminarzentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten” umzuwandeln. Im Rah -

men der Konzepterstellung für dieses Unternehmen hat die Beratungsfirma Delphinus Del -

phis auf Grund eines von der Arbeiterkammer Salzburg über das Wirtschaftsförderungsin -

stitut der Wirtschaftskammer Salzburg erteilten Auftrages eine Wirtschaftlichkeitsberech -

nung angestellt.

Diese Entscheidung läuft auf eine Betätigung der Arbeiterkammer Salzburg im Bereich des

Gastgewerbes hinaus. Es bedeutet die Aufnahme eines Hotelbetriebes, der auf ,,Low Bud -

gert" - Basis arbeiten soll.

Daraus ergibt sich zunächst die Frage nach der Übernahme von Verlusten, die sich - ins -

besondere im Hinblick auf die geplanten Preisermäßigungen für Gewerkschaften - aus die -

sem Hotelbetrieb werden ergeben können.

Zweifellos stellt diese geplante Maßnahme der Arbeiterkammer Salzburg einen Schritt im

Zuge des heute vielfach zu beobachtenden Überganges zur Erschließung neuer Geldquel -

len dar, womit häufig auch ein Übergang von öffentlicher zu privater Finanzierung verbun -

den ist. Im Falle der Arbeiterkammer ist jedoch deren Status als Selbstverwaltungskörper zu

beachten und überdies auf die spezifische Besonderheit Rücksicht zu nehmen, daß ihre

Finanzierung auf der Eintreibung von Geldmitteln via gesetzlich vorgeschriebener Zwangs -

oder - wie der euphemistische Fachausdruck dafür lautet - Pflichtmitgliedschaft beruht.

Dies unterscheidet die Arbeiterkammer fundamental von irgendwelchen x-beliebigen Verei -

nen oder Instituten, die sich zur Aufnahme einer erwerbsorientierten oder auf die Erschlie -

ßung neuer Geldquellen abzielenden Aktivität entscheiden.

Zur Verdeutlichung des Tatbestandes und des eigentlich ungeheuerlichen Schrittes, den

dieses offenbar von einer Art privatwirtschaftlichem “Fund Raising” - Gedanken inspirierte

Treiben der Arbeiterkammer Salzburg bedeutet, möge der folgende Vergleich dienen.

Die österreichischen Bundesmuseen sollen jetzt in die Lage versetzt werden, sich - im

Rahmen des Überganges von einer Teilrechtsfähigkeit zur Vollrechtsfähigkeit - selbst zu -

sätzliche Einnahmen, finanzielle Zuwendungen und Sponsorengelder beschaffen zu kön -

nen. Sie sollen einige Freiheit in der Wahl ihrer Mittel bekommen. Vielleicht werden manche

Museen künftig nicht nur ,,Museumsshops‘• betreiben, sondern sich auch nach Möglichkei -

ten zur Unterbringung von Museumsbesuchern umsehen, um sich damit einen Nebener -

werb zu verschaffen. Damit würde dort ein ähnlicher Schritt wie jener erfolgen, zu dem sich

die Arbeiterkammer Salzburg jetzt offensichtlich entschlossen hat.

Worin aber besteht nun der Unterschied zwischen einem Bundesmuseum und einer Arbei -

terkammer, wenn sie als Marktteilnehmerin auf dem Sektor der selbständigen Beschaffung

von Finanzmitteln tätig wird?

Die Finanzierung der Bundesmuseen erfolgt nicht aus den Mitteln eines im vorhinein fest -

gelegten Personenkreises. Es gibt keine “Museumsbesuchspflicht”, welche die Museen ih -

ren Zwangsbesuchern verpflichten würden. Daher ist es begründbar, ja unter dem Ge -

sichtspunkt der Senkung von Zuschüssen aus Steuermitteln sogar wünschenswert, daß

Museen Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit erzielen. Die Museumsbesucher können

ins Museum gehen, müssen das aber nicht tun; dagegen haben die AK-Mitglieder nicht die -

se Wahl. Denn in der Arbeiterkammer gibt es die Pflichtmitgliedschaft, und diese verpflich -

tet im Gegenzug selbstverständlich auch die Arbeiterkammer ihren Mitgliedern und hindert

sie zugleich an der voraussetzungslosen Wahrnehmung von Marktchancen. Die Arbeiter -

kammer hat daher nicht den Spielraum, den freien Markt in allen Facetten zu nützen, und

diese eingeschränkte Handlungsfreiheit könnte allzu leicht in Verluste infolge unternehmeri -

scher Versäumnisse münden.

Es gibt allerdings einen Aspekt, unter dem eine gewerbliche Betätigung der Arbeiterkammer

auch gegenüber ihren Mitgliedern vertretbar werden könnte. Dieser Aspekt ist die Senkung

des Pflichtmitgliedsbeitrages. So, wie geschäftliche Aktivitäten der Museen den Zuschuß

aus öffentlichen Mitteln senken und damit den Steuerzahlern zugute kommen können,

müßte eine marktwirtschaftlich orientierte Tätigkeit der Arbeiterkammer sich auch für die

finanzielle Belastung der AK - Pflichtmitglieder günstig auswirken.

Solange aber die österreichischen Arbeitnehmer keine marktwirtschaftliche Wahlfreiheit

haben, ob sie Mitglieder in der Arbeiterkammer sein wollen oder nicht, solange kann auch

nicht eine Arbeiterkammer als Profiteurin der mit Gesetzeskraft aufgezwungenen Pflichtmit -

gliedschaft frei darüber entscheiden, ob sie sich über den Markt eine zusätzliche Einnah -

mequelle erschließt oder nicht. Denn in bezug auf die Erschließung von Einnahmequellen

ist stets zu bedenken, ob sich die Arbeiterkammer damit in Abhängigkeitsverhältnisse be -

gäbe, die sowohl mit ihrer Eigenschaft als Interessenvertretung als auch mit dem Status

eines Selbstverwaltungskörpers letztlich unvereinbar wären.

Ein ähnliches Problem zeigt sich heute schon dort, wo die Arbeiterkammer sich im Rahmen

ihrer Konsumentenschutztätigkeit als Beschützerin der Inhaber von Bankkonten geriert. In

Anbetracht der Eigentumsverhältnisse des Finanzkapitals ist es offensichtlich, daß die Ar -

beiterkammer damit nur zum wesentlich geringeren Teil die Interessen der Arbeitnehmer

vertritt.

Auch findet die Verhängung der Pflichtmitgliedschaft ihre Begründung letztlich ja nur darin,

daß diese Art der Mitgliedschaft eine Finanzierungsart schafft, die für die Institution den

Status der Unabhängigkeit gewährleisten kann.

Dies ist offensichtlich auch ein Grundgedanke des Arbeiterkammergesetzes 1992. In § 61

Abs. 1 heißt es daher unmißverständlich: “Zur Bestreitung der Auslagen hebt jede Arbeiter -

kammer von den kammerzugehörigen Arbeitnehmern ... eine Umlage ein.” Es steht mit kei -

nem Wort darin, daß eine Arbeiterkammer sich zur Bestreitung ihrer Auslagen zum Beispiel

Einnahmen aus einem Beherbergungsbetrieb verschafft.

Nur wegen dieser Sonderstellung besteht ja auch eine Basis dafür, daß zur Eintreibung der

Mitgliedsbeiträge gewissermaßen zweckentfremdet die Dienste der Sozialversicherungsträ-

ger herangezogen werden.

Dadurch hingegen1 daß beispielsweise aus dem Berufsförderungsinstitut ein Verein ge-

macht wurde, hat die Arbeiterkammer Salzburg einen deutlichen Schritt der Distanzierung

vom — eigentlich zum Kernbereich der AK-Aktivitäten zu zählenden — Bereich der Bildungs-

maßnahmen für Arbeitnehmer gesetzt.

Es ergeben sich somit mehrere Anhaltspunkte dafür, daß die Arbeiterkammer Salzburg sich

mit der gegenständlichen Entscheidung in eine Opposition zu ihren eigenen Grundlagen

begeben hat.

Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Arbeit, Ge-

sundheit und Soziales nachstehende

Anfrage:

1. Halten Sie es für vereinbar mit den Zielen und Zwecken der Arbeiterkammern, daß eine

Landes - Arbeiterkammer sich im Gastronomiebereich gewerblich betätigt?

2. Ist es vereinbar mit den gesetzlichen Zielen und Zwecken der Arbeiterkammern, daß

eine Landes - Arbeiterkammer sich im Gastronomiebereich gewerblich betätigt?

3. Welche Schritte planen Sie zur Überprüfung und rechtlichen Beurteilung der Absicht der

Arbeiterkammer Salzburg, ein Jugendwohnheim und Veranstaltungszentrum in ein

“Seminarzentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten” umzuwandeln?

4. In welchem Ausmaß soll oder wird das geplante “Seminarzentrum mit Übernachtungs -

möglichkeiten” - Hotel den Funktionären und Mitgliedern des ÖGB zugute kommen und

somit eine Subventionierung des ÖGB durch die Arbeiterkammer Salzburg via Preiser -

mäßigung für Übernachtungen von ÖGB - Mitgliedern gegeben sein?

5. Soll die begünstigte Preisgestaltung im Rahmen eines “Segmentes 7” auf dem “Kern -

markt 4” unter dem Titel "AK - Nahe Vereinigungen und Verbände” beispielsweise eher

der SPÖ zugute kommen, oder ist dabei primär an Arbeitnehmervertretungen - wie zum

Beispiel die Freie Gewerkschaft Österreichs - gedacht?

6. Welche Kriterien gelten für die Abgrenzung zwischen dem Sozialaspekt - zum Beispiel

im Hinblick auf Jugendwohnheime — und einem unternehmerischen Aspekt - denn bei

der Wirtschaftlichkeitsberechnung für dieses “Seminarzentrum mit Übernachtungsmög -

lichkeiten” geht es offensichtlich nicht um den Sozialaspekt - in der gastronomischen

Tätigkeit von Arbeiterkammern?

7. Auf welche Stelle(n) des Arbeiterkammergesetzes ist eine rechtliche Beurteilung jener

Fälle zu gründen, in denen eine Arbeiterkammer - auch ungeachtet des erwerbswirt -

schaftlichen Aspektes - als Quartiergeberin und Bereitstellerin von Unterkünften tätig

ist?

8. Durch welche konkreten Schritte nehmen Sie Ihre Aufsichtsfunktion gemäß § 91 Arbei -

terkammergesetz im Hinblick auf die gastgewerbliche - und gegebenenfalls sonstige

gewerbliche - Tätigkeit von Arbeiterkammern wahr?

9. In welcher Form und in welchem Ausmaß werden die gewerblichen Aktivitäten der Ar -

beiterkammer Salzburg die Höhe des Pflichtmitgliedsbeitrages für die Salzburger AK -

Mitglieder beeinflussen?

10. Wird ein infolge der Gewinne aus gewerblicher Tätigkeit der Arbeiterkammer gegebe -

nenfalls gesenkter Pflichtmitgliedsbeitrag in Salzburg auch Auswirkungen auf die Höhe

des Pflichtmitgliedsbeitrages anderer Landes - Arbeiterkammern haben?

11. Planen Sie Schritte zur Überprüfung der Praxis, die in den Arbeiterkammern bei der

Beauftragung von Untemehmensberatungsfirmen gepflegt wird?

Wenn ja, welche?

12. Aus welchem Grund ist die Arbeiterkammer Salzburg nicht direkt an einen Unterneh -

mensberater herangetreten, sondern das Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschafts -

kammer Salzburg “im Namen und auf Rechnung der Arbeiterkammer Salzburg” bei die -

ser Auftragsvergabe tätig geworden?

13. Ist die Tatsache, daß diese Auftragsvergabe über “das Wirtschaftsförderungsinstitut der

Wirtschaftskammer Salzburg ... im Namen und auf Rechnung der Arbeiterkammer Salz -

burg” abgewickelt wurde, als Ausdruck tätiger Sozialpartnerschaft, als ein Schritt zur

Verheimlichung der gastgewerblichen Pläne der Arbeiterkammer Salzburg, als ein Vor -

wand zur Lukrierung einer Provision oder als ein Akt der Mauschelei unter vorgeblich in

Konkurrenz zueinander stehenden Institutionen zu verstehen?

14. Ist die Aussage, daß der Auftrag vom "Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschafts -

kammer Salzburg ... auf Rechnung der Arbeiterkammer Salzburg” erteilt wurde, so zu

verstehen, daß eine Vermittlungsprovision von der Arbeiterkammer an das Wirtschafts -

förderungsinstitut geflossen ist?

Wenn ja: Wie hoch war diese Provision?

15. Planen Sie eine Änderung des Arbeiterkammergesetzes unter dem Aspekt, daß die

Aufnahme der Gewerbetätigkeit von Arbeiterkammern explizit vorgesehen wird?

Wenn ja: Inwieweit wird darin auf Detailfragen - wie zum Beispiel jene nach den Nutz -

nießern von Preisnachlässen und sonstigen Begünstigungen oder auch die Frage nach

der Veranlagung eventueller Gewinne der Arbeiterkammern - bereits Bezug genommen

werden?

16. Besteht für Sie eine Notwendigkeit, die Gewährung einer Art “Gewerbefreiheit” für Ar -

beiterkammern mit der Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft zu verknüpfen:

a) in untemehmerischer Hinsicht?

b) in moralischer Hinsicht?

17. Auf welche Weise und in welchem Ausmaß wird eine Änderung des Arbeiterkammerge -

setzes sich auf die Höhe des Pflichtmitgliedsbeitrages auswirken?

18. Ist Ihrer Ansicht nach das Arbeiterkammergesetz 1992 ausreichend zur Beurteilung der

Zulässigkeit der Gewerbetätigkeit von Arbeiterkammern?

19. Welche gesetzlichen Grundlagen sind aus Ihrer Sicht für die Selbstverwaltungskörper

im Hinblick auf deren Ausübung untemehmerischer Tätigkeiten von Belang?

20. Welche sonstigen rechtlichen Grundlagen können über das Arbeiterkammergesetz hin -

aus zur Beurteilung gewerblicher Aktivitäten von Arbeiterkammern herangezogen wer -

den?

21. Welche konkreten Schritte werden aus der Sicht Ihres Ministeriums im Zuge einer

eventuellen expliziten Verankerung marktwirtschaftlicher Prinzipien in den gesetzlichen

Grundlagen der Selbstverwaltung von vorrangiger Bedeutung sein?