4435/J XX.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Kier, Partnerinnen und Partner
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Knüpfung der Erteilung der Niederlassungsbewilligung eines Kindes an
den Aufenthaltstitel der Mutter
Mit Bescheid vom 16. April 1996 (Gz: 305.076/3 - III/11/96) wurde die Berufung des
Kindes Natasa L. gegen einen abweisenden Bescheides der Wiener MA 62 auf
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung abgelehnt, daß die Mutter
keine Aufenthaltsbewilligung habe, während die Tatsache, daß der Vater sehr wohl
unbefristet in Österreich aufenthaltsberechtigt ist, keine Rolle spiele, weil nur eine
„besondere Bindung“ zur Mutter bestehe. Daraufhin hob der Verwaltungsgerichtshof
diesen Bescheid am 19. Dezember 1997 (Zlen. 96/19/1660, AW 96/19/0713) auf, da
er sich der Begründung der Beschwerde anschloß, daß sehr wohl ein
Rechtsanspruch des Kindes auf Aufenthaltsbewilligung bestehe, weil nicht allein auf
die Bewilligung der Mutter abgestellt werden könne. Es gehe nicht an, daß dem Vater
ausschließlich die traditionelle Erwerbsrolle zukomme, während der Mutter die
Kindesobsorge und Haushaltsführung obliege und dies ausschlaggebend für die
Erteilung des Aufenthaltsrechts sei.
Doch das Bundesministerium für Inneres gab nicht auf. Am 15. April 1998 lehnte es
die Berufung mit Bescheid (Gz: 305.076/16 - III/11/98) erneut ab, weil nach dem
neuen Fremdengesetz erstens der Antrag aus dem Ausland zu stellen sei (obwohl
das Kind in Österreich geboren wurde), vor allem aber zweitens der Tatsache, daß
der Vater einen unbefristeten Sichtvermerk besitze, wieder keine Relevanz
zugemessen wurde. Die Ausnahmebestimmung von der Sichtvermerkspflicht gemäß
§ 28 Abs. 2 FrG könne nicht angewendet werden, da diese auf den Aufenthaltstitel
der Mutter abstelle.
Diese Bestimmung scheint mit Artikel 8 Abs 2 EMRK nicht vereinbar, weil das Kind
natürlich ein Recht auf Familiengemeinschaft mit beiden Elternteilen hat, daher auch
mit dem Vater. Außerdem führt die genannte Bestimmung im Fremdengesetz dazu,
daß ein in Österreich geborenes Kind keine Niederlassungsbewilligung erhalten
kann, wenn die nicht niedergelassene Mutter innerhalb der ersten drei Monate stirbt,
ein Aufenthaltsverbot erhält, sich vom Vater trennt (und Österreich verläßt) usw.
Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof scheint somit
erfolgversprechend zu sein.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende
ANFRAGE
an den Bundesminister für Inneres:
1. Weshalb wird bei der Abwägung, ob einem in Österreich geborenen Kind eine
Niederlassungsbewilligung zu erteilen ist, ausschließlich auf den Aufenthaltstitel
der Mutter abgestellt?
2. Aus welchem Grund muß ein Kind, das in Österreich geboren wurde, seinen
Antrag auf Niederlassungsbewilligung aus dem Ausland stellen, obwohl dessen
Vater unbefristet aufenthaltsberechtigt ist?
3. Wieso wird dem Aufenthaltstitel der Mutter in einem solchen Fall eine größere
Bedeutung beigemessen als jenem des Vaters? Ist dafür auch heute noch die
überkommene traditionelle Rollenverteilung in der Gesellschaft (Mutter sorgt für
Kinder, Vater ist erwerbstätig) ausschlaggebend?
4. Halten Sie die Ausnahmebestimmung des § 28 Abs 2 FrG, welcher auf das
Aufenthaltsrecht der Mutter abstellt, mit Art. 8 Abs 2 EMRK für vereinbar, obwohl
das Kind auch ein Recht auf Familienleben mit dem Vater hat? Wenn ja, warum?
Wenn nein, werden Sie eine Gesetzesnovelle vorschlagen?
5. Halten Sie die Tatsache, daß das Kind eines Ausländers mit unbefristeter
Niederlassungsbewilligung kein Aufenthaltsrecht erhält, wenn der nicht
aufenthaltsberechtigten Mutter etwas im Sinne der in der Begründung
angeführten Beispiele zustößt, für gerechtfertigt? Wenn ja, warum?