4481/J XX.GP

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Dipl. - Ing. Maximilian Hofmann, Mag. Herbert Haupt

und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend den - im Zusammenhang mit der Einstellung des Vereines

“Dichterstein Offenhausen” - bekanntgewordenen Verdacht des Verbre -

chens der Verletzung des Briefgeheimnisses gem. Artikel 10 StGG,

Art. 8 MRK bzw. § 118 StGB durch Angehörige des Bundesministeriums

für Inneres.

Die Abteilung II/7 des Bundesministeriums für Inneres hat am 21. April 1998 der

Abteilung II/15 einen ,,Dienstzettel” mit dem Betreff: “Verein ‚Dichterstein Offenhausen"

übermittelt. Dieser ,,Dienstzettel" sollte als Beweisstück im Verfahren zur behördlichen

Auflösung des Vereines “Dichterstein Offenhausen” dienen.

Tatsächlich stellte die Bezirkshauptmannschaft Wels - Land mit Bescheid vom 24. April

1998 überstürzt jegliche Tätigkeit des Vereines “Dichterstein Offenhausen” bis zu

endgültigen Entscheidung über seine behördliche Auflösung gem. § 25 Abs. 2 VereinsG im

Sinne einer einstweiligen vereinspolizeilichen Sicherungsmaßnahme ein.

In dem erwähnten ,‚Dienstzettel” heißt es u.a. auf der Seite 6:

“Betreffend der vom Verein ‚Dichterstein Offenhausen‘ herausgege -

benen und im Gutachten von Univ.Prof. DDr. Heinz Mayer angeführ -

ten Medienwerke wird folgendes festgestellt:

Der Herausgeber von Medienwerken des Vereines ‚Dichterstein

Offenhausen‘, Robert TRÖTSCHER, 20.5. 1901 In Eger geb., öst.

StA., war nach ho. Erkenntnissen seit dem Jahre 1930 Mitglied der

NSDAP und trat in weiterer Folge als SA - Sturmführer, Gauredner etc.

in Erscheinung. Im Jahre 1936 wurde er wegen NS - Betätigung zu

drei Monaten Haft verurteilt.

Seit dem Jahre 1968 wurde TRÖTSCHER als NDP - Aktivist sowie bei

Veranstaltungen des DKEG und des ‚Dichterstein Offenhausen‘

wahrgenommen. Im Jahre 1982 hatte TRÖTSCHER Briefkontakt mit

Manfred RÖDER."

Im vorliegenden Fall ist die Feststellung:

“Im Jahre 1982 hatte Trötscher Briefkontakt mit Manfred Röder"

aufklärungsbedürftig! Mit diesem Satz muß der dringende Verdacht entstehen, daß die Briefe

Trötschers von der Behörde widerrechtlich geöffnet und gelesen wurden, offenbar in der

Absicht, um allenfalls vermutete, aber nicht bekannte, strafbare Handlungen erhärten zu

können.

Sowohl nach Artikel 10 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 “Über die

allgemeinen Rechte der Staatsbürger” (RGBl. Nr. 142/1867) als auch nach Artikel 8 der

Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" vom

4. November 1950 (BGBl. Nr.210/1958) als auch nach § 118 StGB darf das Briefgeheimnis

nicht verletzt werden!

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres

folgende

Anfrage:

1.) Ist der Behörde der Briefkontakt Trötschers mit Manfred Roeder bereits seit dem

Jahre 1982 bekannt? -

Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen haben die zuständigen Behörden bereits

damals eingeleitet, um die Tätigkeit des Vereins “Dichterstein Offenhausen” gem.

§ 25 Abs. 2 VereinsG einzustellen oder ist der Umstand, daß (der 1984 verstorbene)

Trötscher mit dem Verein “Dichterstein Offenhausen" damals in Verbindung stand,

der Behörde damals in keiner Weise belastend erschienen, so daß gegen den Verein

“Dichterstein Offenhausen” damals keine Schritte zu seiner Auflösung eingeleitet

wurden bzw. warum erscheint dieser Umstand der Behörde im Jahren 1998 so

bedeutungsvoll, daß sie entsprechende Schritte umgehend - nach sechzehn Jahren -

plötzlich in aller Eile "als einstweilige polizeiliche Sicherungsmaßnahme” für

notwendig erachtet und einleitet? -

Wenn nein, wann wurde der Behörde jener Briefkontakt bekannt?

2.) Befinden sich in dem umfangreichen Aktenbestand des BMI betreffend Robert

Trötscher Unterlagen, aus denen hervorgeht, ob dieser jemals von einem ordentli -

chen Gericht verurteilt oder freigesprochen wurde? -

Wenn ja, welcher Vergehen oder Verbrechen hat er sich schuldig gemacht bzw.

welcher Vergehen oder Verbrechen wurde er zunächst angeklagt?

3.) Gab es jemals Anzeigen gegen Robert Trötscher? -

Wenn ja, welchen Vorwurf enthielten sie, wer waren die Anzeiger und was geschah

in der Folge mit diesen Anzeigen?

4.) Befinden sich im Aktenbestand Trötscher in Ihrem Ministerium auch Unterlagen

dahingehend, daß Robert Trötscher in seiner Eigenschaft als Lehrer jemals nach

1949 disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde? -

Wenn ja, welche Maßnahmen wurden aus welchen Gründen ergriffen?

5.) War Trötscher 1982 jemals eines oder mehrerer Verbrechen verdächtig? -

Wenn ja, welcher?

6.) Wurde von den Sicherheitsbehörden jemals ein Ersuchen an ein ordentliches Gericht

gerichtet, den Briefverkehr Trötschers überwachen zu lassen? -

Wenn ja, wann, von welcher Behörde, hinsichtlich welcher verdächtigter Verbre -

chen? -

Wenn nein, warum, nicht?

7.) Wurde jemals von einem diesbezüglich zuständigen U - Richter ein Beschluß ausge -

fertigt, in welchem die Überwachung des Briefverkehrs genehmigt wurde? -

Wenn ja, wann, in welcher Rechtssache und von welchem U - Richter und von

welchem Gericht? -

Wenn nein, warum nicht?

8.) Ist es üblich, die Akten längst verstorbener Staatsbürger im Innenministerium aufzu -

bewahren? -

Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies und wie lange werden

die Akten über deren Tod hinaus aufbewahrt? -

Wenn nein, warum befand sich der Trötschersche Aktenbestand noch im Innenmini -

sterium?

9.) Werden die Akten verstorbener Staatsbürger, wenn ihre Aussonderung bestimmt und

verfügt wurde, tatsächlich vernichtet? -

Wenn ja, welche Abteilung führt diese Vernichtung durch und von wem wird diese

gegebenenfalls über überwacht? -

Wenn nein, was geschieht dann mit diesem Aktenbestand?

10.) Ist es zutreffend, daß Akten bzw. Aktenteile betreffend Robert Trötscher vom

“Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes” (DÖW) angefordert

bzw. von diesem bereitgestellt wurden? -

Wenn ja, um welche Aktenteile handelte es sich bzw. auf der Grundlage welchen

Gesetzes hat sich dieser Vorgang abgespielt?

11.) War es nach dem Erkenntnisstand Ihres Ministeriums den Organen des Vereines

“Dichterstein Offenhausen” bekannt bzw. hätte es den Organen des Vereins

“Dichterstein Offenhausen" bekannt sein müssen, daß Robert Trötscher 1930 in die

damals völlig legale und erst vier Jahre zuvor der reichsdeutschen NSDAP

unterstellten österreichischen NSDAP (Hitlerbewegung) eingetreten ist bzw. 1936

nach einer Verordnung aus dem Jahre 1933 [“Verordnung der Bundesregierung

vom 19. Juni 1933, womit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei

(Hitlerbewegung) und dem Steirischen Heimatschutz (Führung Kammerhofer) jede

Betätigung in Österreich verboten wird” - BGBl. Nr. 240/1933], die auf dem

,,Kriegwirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz” vom 24. Juli 1917 beruhte, von einer

Bezirksverwaltungsbehörde zu drei Monaten Haft verurteilt wurde"? -

Wenn ja, ist dieser Kenntnisstand für den Verein so belastend, daß dessen Tätigkeit

in dem Augenblick hätte eingestellt werden müssen, als Robert Trötscher dort

Mitglied wurde bzw. ist eine von den Behörden des Ständestaates (so wie er als

“Bundesstaat Österreich” zwischen dem 1. Mai 1934 und dem 12. März 1938

bestand) vorgenommene Verurteilung eines Mitgliedes nach dem obgenannten

Gesetz dem Verein als solchen rechtlich zurechenbar, so daß eine Vereinsauflösung

so dringend geboten ist, daß ein Verein unbedingt aufgelöst werden muß? -

Wenn nein, auf Grund welcher gesetzlichen Verpflichtung heraus hätte sich der

Vereinsvorstand von diesen Dingen unterrichten müssen bzw. hätte Ihr Ministerium

auf ein diesbezügliches Gesuch hin dem Vereinsvorstand eine entsprechende

Akteneinsicht gewährt?

12.) War es nach dem Erkenntnisstand Ihres Ministeriums den Organen des Vereines

“Dichterstein Offenhausen” bekannt bzw. hätte es den Organen des Vereins

“Dichterstein Offenhausen” bekannt sein müssen, daß Robert Trötscher brieflichen

Kontakt mit Manfred Roeder unterhalten hat? -

Wenn ja, ist dieser Kenntnisstand für den Verein so belastend, daß dieser schon

damals aufgelöst hätte werden müssen bzw. ist ein den Behörden unliebsamer

Briefverkehr eines Mitgliedes dem Verein als solchen rechtlich zurechenbar, so daß

eine Vereinsauflösung so dringend geboten ist, daß ein Verein unbedingt aufgelöst

werden muß? -

Wenn nein, auf Grund welcher gesetzlichen Verpflichtung heraus hätte sich der

Vereinsvorstand von diesen Dingen unterrichten müssen bzw. hätte Ihr Ministerium

auf ein diesbezügliches Gesuch hin dem Vereinsvorstand eine entsprechende

Akteneinsicht gewährt?

13.) Sind Sie bereit, den gegenständlichen Akt der zuständigen Staatsanwaltschaft zur

rechtlichen Beurteilung des geschilderten Sachverhaltes vorzulegen? -

Wenn nein, warum nicht?

Wien, am 27. Mai 1998