4507/J XX.GP
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Sicherheitsbehörden & Homosexuelle - Entproblematisierung eines schwierigen
Verhältnisses
Homosexuelle Frauen und Männer erleben die “Polizei” - als Vertreter einer Staatsgewalt, die sie bis
1971 gänzlich und bis heute immer noch zum Teil (§ 209 StGB) kriminalisiert - nicht immer nur als
staatliche (auch) zu ihrem Schutz bestehende Einrichtung sondern immer wieder auch als Bedrohung.
Als Problembereiche werden immer wieder berichtet:
• Amtshandlungen, die den Eindruck von Voreingenommenheit auf Grund sexueller Orientierung
erwecken, bis hin zu verbaler Erniedrigung und körperlichen Übergriffen
• Schikanen an bekannten Treffpunkten homosexueller Männer, bis hin zu bewußt unrichtigen
Anzeigen (etwa wg. “öffentlicher unzüchtiger Handlungen”, § 218 StGB)
• Vermerke über die sexuelle Orientierung in Polizeiakten (z.B. Paßakten ...), teilweise in
Zusammenarbeit mit dem Bundesheer (“Rosa Listen”)
• Gleichgültigkeit und lasche Ermittlungen bei Gewalt gegen Homosexuelle von privater Seite
• Auffallender Eifer und bemerkenswerte Härte bei der Vollziehung des anti - homosexuellen § 209
StGB (“anonyme Gelegenheitsinformanten”; Mißhandlung von Jugendlichen, um Aussagen
gegen ihre Intimpartner zu erpressen, teilweise im Zuge mehrstündiger Vernehmungen, häufig
begleitet von verbalen Beleidigungen und mitunter auch schweren körperlichen Verletzungen;
erkennungsdienstliche Behandlung von Verdächtigten nach § 209 StGB samt Weigerung der
Löschung der Daten trotz Einstellung des Verfahrens wegen erwiesenen Nicht - Vorliegens einer
strafbaren Handlung; Erniedrigung von Beschuldigten)
(vgl. hiezu Jus Amandi 6/97, 4/97, 2/97, 1/97, 6/96, 5/96, 4/96, 3/96, 2/95, Rechtskomitee LAMBDA,
Aktuelle Polizeifälle, Wien 1997; profil 11.05.98, S.79)
Seit 1993 weist die Richtlinienverordnung zum Sicherheitspolizeigesetz die Organe der öffentlichen
Sicherheit an, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Eindruck von
Voreingenommenheit oder Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung zu erwecken (§ 5
RLV “Schutz der Menschenwürde”).
Diese - sehr begrüßenswerte - Bestimmung scheint in der Praxis - mangels begleitender anti -
diskriminierender Maßnahmen im Bereich der Sicherheitsverwaltung - jedoch nicht gegriffen zu
haben.
So hat erst kürzlich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien unglaubliche Diskriminierungen seitens
eines Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien festgestellt.
Vor zwei Jahren wurde ein Mann (im weiteren UZ genannt), der sich in seinem Auto mit zwei jungen
Männern unterhalten hat, einer Routinekontrolle unterzogen. Die Polizeibeamten durchsuchten die
Insassen sowie das Fahrzeug und fanden: erotische Bildbände und Fotos mit jungen Männern. Einer
der beiden Beamten erregte sich maßlos über den überraschenden Fund und kommentierte die Bücher
und Fotos mit den Worten ,,Pfui”, “eklig”, “grauslig”. Die beiden Jugendlichen wurden in ein
nahegelegenes Gebäude verbracht und dort (einzeln) unter Druck gesetzt, doch sexuelle Kontakte mit
UZ “zuzugeben”, man wisse ohnehin alles. Wie die Jugendlichen später im Verfahren aussagten,
schrie sie der Polizeibeamte an und ging auf sie los. Als dies alles nichts nützte, drohte er den
Jugendlichen, sie festzunehmen und die Eltern kommen zu lassen. Die würden dann alles erfahren.
Die Jugendlichen blieben in diesem Fall jedoch standhaft und so mußten sie ebenso wie UZ wieder
entlassen werden. UZ wurde mit der Bemerkung verabschiedet, ob er schon einmal daran gedacht
habe, sich wegen seiner Neigung in ärztliche Behandlung zu begeben.
Die Polizei erstattete gegen UZ Anzeige wegen § 209 StGB, UZ seinerseits erhob Beschwerde an den
UVS - Wien. Das Strafverfahren gegen UZ wurde nach kurzer Zeit eingestellt, weil er erwiesenermaßen
keine strafbaren Handlungen gesetzt hat. Vor dem UVS leistete sich der SWB mit der Dienstnummer
4313 ein starkes Stück und beschimpfte UZ und die beiden Jugendlichen als “Schwuchtelbande”, mit
der man schon noch fertig würde.
Der UVS - Wien quittierte dies mit einer Entscheidung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig
läßt: “Beim Zeugen ... handelt es sich - wie sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten
Zeitungsausschnitten ergibt - um einen furchtlosen Polizisten, der sich mit besonders mutigen
Einsätzen um die Bekämpfung der Drogenkriminalität verdient gemacht hat. Das unerschrockene
Naturell dieses Zeugen dürfte es aber auch mit sich bringen, daß er sich auch dann kein Blatt vor
den Mund nimmt, wenn dies angebracht wäre. Dies zeigte sich besonders deutlich bei der oben
wiedergegeben Äußerung, die dieser Zeuge vor seiner Vernehmung zu einem anderen Zeugen
machte ... Wenn ein Sicherheitswachebeamter... selbst in einem Amtsgebäude des Unabhängigen
Verwaltungssenats nicht davor zurückschreckt, eine schwerst diskriminierende Äußerung abzugeben,
bedarf es dazu keiner weiteren Erläuterungen... § 5 Abs.1 RLV differenziert weder das in dieser
Bestimmung normierte Verbot der Diskriminierung der sexuellen Orientierung noch gibt es davon
Ausnahmen. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes trifft dieses (absolute)
Diskriminierungsverbot daher selbst dann, wenn die sexuelle Orientierung eines Menschen nach den
allgemein anerkannten Regeln der Medizin tatsächlich als pathologisch einzustufen wäre und/oder
von der Rechtsordnung nicht geduldet würde. Umsomehr gilt dieses Verbot, wenn eine derartige
Einstufung allein aufgrund der subjektiven Einschätzung des Organs getroffen wird. Die Frage, ob
der Bf schon daran gedacht habe, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen, implizierte, daß
der Zeuge... den Bf wegen dessen sexueller Neigung als ärztlich behandlungsbedürftig ansah. Mit
dieser Äußerung stufte... die sexuelle Orientierung des Bf also als pathologisch ein, was jedenfalls
geeignet ist, als abwertend, somit als diskriminierend empfunden zu werden. Diese Äußerung war
daher als rechtswidrig festzustellen.” (UVS - 02/26/61/95).
Der Antrag UZs, seine erkennungsdienstlichen Daten wegen seiner erwiesenen Unschuld wieder zu
löschen, wurde vom Bundesministerium für Inneres im übrigen bescheidmäßig abgelehnt (Jus Amandi
1/97,2).
In anderen Ländern hat man längst erfolgreiche Strategien entwickelt, um das - auf Grund der
Geschichte - schwierige Verhältnis Homosexuelle und Polizei zu verbessern.
Ganz abgesehen davon, daß - was in Österreich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend immer noch
nicht geschehen
ist - alle anti - homosexuellen Strafbestimmungen abgeschafft wurden, haben
diese
Länder (z.B. die Niederlande, NRW, Berlin in der BRD, USA etc.) folgende anti - diskriminierende
Maßnahmen ergriffen:
• Bestellung von Beauftragten in den Polizeibehörden als Ansprechpersonen für homosexuell
l(i)ebende BürgerInnen bei Problemen mit PolizeibeamtInnen und zur Planung und
Durchführung polizeiinterner Aufklärungs - und Bildungsarbeit sowie zur Förderung eines
Dialogs zwischen Polizeibehörden und Homosexuellen.
• Schulung im Rahmen der Polizeiaus - und -fortbildung unter Einbeziehung homo - und
bisexueller Frauen und Männer zwecks Abbau von Vorurteilen und zum Aufbau eines
Vertrauensverhältnisses zwischen Polizei und der ,,Lesbian/Gay - Community”.
• Öffentlichkeitsarbeit zur Prävention anti - homosexueller Gewalt durch Signalisierung
entsprechender Intoleranz und entschlossenen Einschreitens seitens der Polizeibehörden.
• Bestärkung homosexuell l(i)ebender Polizeibeamter/innen, sich im Polizeiapparat nicht zu
verstecken (zu müssen). Gezielte Anwerbung offen homo - oder bisexuell l(i)ebender Frauen
und Männer für den Polizeidienst.
Die Homosexuellenbewegung bemüht sich immer wieder um ein entspannteres Verhältnis zu den
Sicherheitsbehörden und -organen, insb. um eine rechtsstaatliche, entspannte und enteiferte
Vollziehung des § 209 StGB. So sucht das Rechtskomitee LAMBDA dazu seit Jahren Kontakte zu
Polizeibehörden, auch zum Bundesministerium für Inneres.
Anläßlich der o.a. Entscheidung des UVS - Wien hat sich das Rechtskomitee LAMBDA aber nun
beklagt, daß es “gegen Gummiwände" laufe und “außer freundlichen Worten, Vertröstungen und
Absichtserklärungen bislang nichts zu erreichen” gewesen sei (Ius Amandi 6/97, 2).
Eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und homosexuell l(i)ebenden BürgerInnen
wäre nicht zuletzt im Interesse der öffentlichen Sicherheit unerläßlich, führen doch Diskriminierungen
und Repressionen (wie die oben angeführten) zu Mißtrauen der homosexuell l(i)ebenden
Bevölkerungsgruppe gegenüber den Sicherheitsorganen, was deren Ermittlungsarbeit etwa im
kriminalpolizeilichen Bereich erheblich erschweren muß. Dabei wäre die große Mehrheit der
homosexuellen Frauen und Männer, wie die Homosexuellenbewegung immer wieder betont, an einem
entspannten und vertrauensvollen Verhältnis zu den Polizeibehörden sehr interessiert, damit
tatsächliche Verbrechen wirksam aufgeklärt werden können.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres die folgende
ANFRAGE:
1. Sind Ihnen die oben angeführten Problembereiche im Verhältnis zwischen
Sicherheitsbehörden / -organen und homosexuell l(i)ebenden Menschen bekannt?
1.a. Wenn nein, warum nicht?
1.b. Wenn ja, was haben Sie zu deren Lösung getan und welche (konkreten) Ergebnisse hatten ihre
Bemühungen bzw. was werden Sie tun und welche Ergebnisse/Verbesserungen erwarten Sie
konkret?
2. Kennen Sie die o.a. Entscheidung des UVS - Wien (UVS - 02/26/61/95)?
2.a. Wenn nein, warum nicht?
2.b. Wenn ja, welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?
2.c. Wurden dienstrechtliche Maßnahmen gegen den betreffenden Sicherheitswachebeamten
ergriffen/eingeleitet und zu welchem Ergebnis führten diese?
3. Teilen Sie die Ansicht der Anfragenden, daß die Sicherheitsbehörden bei der Vollziehung des
§ 209 StGB besonders sensibel und mit Bedacht darauf vorzugehen haben, daß sie hier eine
Gesetzesbestimmung vollziehen (müssen), die - wie die Europäische
Menschenrechtskommission im Fall Sutherland vs. UK am 01.07.97 für eine entsprechende
Bestimmung im englischen Recht festgestellt hat - die Europäische Menschenrechtskonvention
verletzt, und die aufzuheben, das Europäische Parlament Österreich bereits zweimal ausdrücklich
aufgefordert hat?
3.a. Wenn nein, warum nicht?
4. Werden Sie auf eine entspannte und enteiferte (sicherheitsbehördliche) Vollziehung des
menschenrechtswidrigen § 209 StGB hinwirken?
4.a. Wenn nein, warum nicht?
4.b. Wenn ja, wie?
4.c. Werden Sie die Sicherheitsbehörden entsprechend anweisen?
Wenn nein, warum nicht?
5. Teilen Sie die Ansicht der Anfragenden, daß bei der (sicherheitsbehördlichen) Vollziehung des
§ 209 StGB die erkennungsdienstliche Behandlung geeignet ist, auf entsprechend (straf -)
verfolgte homosexuell l(i)ebende Männer ganz besonders diskriminierend und belastend zu
wirken, zumal seit kurzem (bei allen Sexualdelikten) auch (im Hinblick auf eine bessere
Verfolgung von “Kinderschändern”) Speichelproben genommen werden, um genetische Daten
speichern zu können?
5.a. Wenn nein, warum nicht?
5.b. Wenn ja, werden Sie die Sicherheitsbehörden anweisen, auf Grund des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des ihnen eingeräumten Ermessens, von einer
erkennungsdienstlichen Behandlung von (ausschließlich) nach § 209 StGB Beschuldigten
abzusehen?
Wenn nein, warum nicht?
6. Sind Ihnen die oben angeführten Beispiele aus anderen Ländern für anti - diskriminierende
Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und
homosexuell l(i)ebenden Frauen und Männern bekannt?
6.a. Wenn nein, warum nicht?
7. Halten Sie diese Maßnahmen auch in Österreich grundsätzlich für geeignet, das Verhältnis
zwischen den Sicherheitsbehörden / -organen und homosexuell l(i)ebenden Menschen zu
verbessern?
7.a. Wenn nein, warum nicht?
8. Werden Sie bzw. Ihr Ressort mit dem Rechtskomitee LAMBDA zusammenarbeiten, um das -
durch die anti - homosexuelle Strafgesetzgebung ohnehin belastete - Verhältnis zwischen
homosexuellen BürgerInnen und der Polizei zu verbessern?
8.a. Wenn nein, warum nicht?
8.b. Wenn ja, welche Schritte werden Sie wann konkret setzen?
Anlage konnte nicht gescannt werden!!!