4568/J XX.GP

 

der Abgeordneten Scheibner, Apfelbeck, Mag. Haupt, Dr. Ofner und DI Schöggl

an den Bundesminister für Landesverteidigung

betreffend die Erfahrungen mit der Kleintaktik und der Gefechtstechnik des ÖBH im

Rahmen von Raumschutzübungen und internationalen Übungen

Im Zuge der letzten Jahre fanden eine Reihe von sog. "Raumschutzübungen” des

österreichischen Bundesheeres (ÖBH) sowohl mit Truppen der Präsenzorganisation als auch

der Miliz statt. Dabei sollte der Einsatz von militärischen Kräften im Rahmen der

sicherheitspolizeilichen Assistenz im Zusammenwirken mit Kräften des Innenministeriums

geübt werden.

Aufgabe der eingesetzten Kräfte war ganz allgemein der Schutz von bedrohten Räumen und

Einrichtungen. wie z.B. wichtigen zivilen Infrastruktureinrichtungen, wie Umspannwerken,

Wasserreservoirs, Sendeanlagen sowie Verkehrsverbindungen, aber auch von militärischen

Einrichtungen. Der angenommene Feind trat militärisch geschult und organisiert, aber den

Kampf hauptsächlich subversiv führend, auf Das Kampfgeschehen zeichnete sich daher durch

keine klassischen militärischen Muster aus. Vielmehr mußte ein teilweise durch Zivilisten

unterstützter, im Inneren des Staates agierender militärischer Feind, bekämpft werden.

Erschwert wurde die Situation durch in Zivil auftretende Saboteure und paramilitärische

Kräfte, die überwiegend von darin nicht geschulten Soldaten des ÖBH dargestellt wurden. Für

solche Einsätze speziell ausgebildete, ausgerüstete und organisierte Kräfte des Bundesheeres

nahmen an diesen Übung großteils nicht teil, weshalb oft ein falsches Lagebild entstanden ist.

So wurde einerseits davon ausgegangen, daß Jägerkräfte (vielfach Präsenzdiener nach dem

vierten Monat) in der Lage seien, einen solchen Feind im zivilen Umfeld wirkungsvoll aktiv zu

bekämpfen ohne dabei mehr Schaden als Nutzen anzurichten, wie etwa bei den Übung

"WACHHUND” und “WACHSAMES AUGE” in der ersten Jahreshälfte 1998 und ähnlichen

Übungen im Jahr 1997(z.B. “ANSCHLAG 97”) und andererseits konnte der Einsatz von

tatsächlich nach subversiven und kommandoartigen Grundsätzen kämpfenden Feindsoldaten

oftmals nicht bewertet werden, wodurch der Kampfwert der eingesetzten Wachverbände der

Milizorganisation überschätzt und überbewertet wurde.

Aber auch in einem anderen Zusammenhang hat sich herausgestellt, daß die Kleintaktik und

Gefechtstechnik der Truppen des ÖBH nicht den Erfordernissen des modernen Gefechtsfeldes

und den neuen Aufgaben entspricht. So waren angeblich etwa im Rahmen der Übung

"ESPERIA” (9/1997) durch die eingesetzten österreichischen Kräfte auch einige Gebäude von

überraschend auftretendem Feind zu "säubern", wobei aber immer noch eine sog. “zivile Lage”

anzunehmen war. Die eingesetzten ö. Soldaten sollen diese Aufgabe zwar überaus motiviert,

aber dennoch falsch, gelöst haben, weil sie nicht über die entsprechenden Kenntnisse (Aufrollen

eines Hauses im zivilen Umfeld) verfügt haben.

Es sei erwähnt, daß anerkannter Weise die Infanterieausbildung des österreichischen Soldaten

als überaus gut bewertet wird, die unterschiedlichen Einsatzverfahren und - arten aber nicht

von einem “Jäger für alles” bewältigt werden können. Die Ausbildung des ÖBH wurde daher

zur Zeit der Raumverteidigung auf diese Bedürfnisse ausgerichtet, was zu speziellen

Infanteriekräften (Jg, Sperrjg, Wachkft, JaK und JaKdo) bzw. entsprechenden

Ausbildungszielen (bis hin zu unterschiedlichen Schießprogrammen) geführt hat. Die

nunmehrige Annahme jeder Infanteriesoldat könne fast jede Aufgabe wahrnehmen, er müsse

nur entsprechend geführt werden, hat sich im Lichte der zu kurzen Ausbildungszeit als falsch

herausgestellt.

Die neuen Aufgaben verlangen eine noch größere Spezialisierung als früher. Die

Organisationsform hinsichtlich der Beweglichkeit in unterschiedliche JgBrig erscheint als nicht

ausreichend und im Falle der terr - Jgflaon (mit Wach - und Sicherungsaufgaben sowie der

Fähigkeit den Brigaden für Verteidigung, Verzögerung und Angriff zuzuwachsen) sogar als

unmöglich, um den Aufgaben gerecht zu werden. Ausschlaggebend ist vor allem die

Ausbildungszeit und die Orientierung der Ausbildung mehrheitlich am “klassischen

Gefechtsbild”, die zwar als "Handwerkszeug" ihre Berechtigung hat, aber um die spezifischen

Anforderungen für Einsätze im Bereich der friedensunterstützenden Missionen und des

Raumschutzes bereits im Grundwehrdienst ergänzt werden müßte.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für

Landesverteidigung folgende

ANFRAGE

1. Welche Einheiten nahmen insgesamt in welcher Stärke an den angeführten

Verbandsübungen teil?

2. Aus welchen Gründen wurden in diesen Übungen nicht immer spezielle Kräfte des ÖBH

zur aktiven Kampfführung gegen subversiven Feind bzw. als Feinddarsteller für den

subversiv oder kommandoartig kämpfenden Feind eingebunden?

3. Was waren die Zielsetzungen dieser Übungen?

4. Welche Ergebnisse, Erfahrungswerte und Erkenntnisse brachte diesen ersten großen

Verbandsübungen in der Kampfform Raumschutz?

5. Welche Schlußfolgerungen wurden daraus gezogen?

6. Hat das Ergebnis dieser Übungen Einfluß auf die Gliederung, Ausrüstung, Bewaffnung

bzw. die Einsatzgrundsätze des Heeres?

7. Wenn ja, welche, und wie wirken sich diese auf die sog. “HG - NEU - NEU” aus?

8. Wenn nein, warum nicht?

9. In welcher Form wird im Zuge der Grundwehrdiener, Unteroffiziers - und

Offiziersausbildung auf die neuen Aufgaben und deren Auswirkungen auf die

Gefechtstechnik eingegangen?

10. Ist die vorhandene Ausbildungszeit ausreichend um, unabhängig von den Einteilungen nach

der Beweglichkeit (geb, luft u. gepz) innerhalb der Waffengattung Jäger alle

Einsatzverfahren, Einsatzarten und Aktionsarten ausreichend auszubilden?

11. Wenn ja: wie sind die Erfahrungen der überprüfenden Organe (einschließlich der

Infanterieinspektion) damit?

12. Weshalb wurden weitere große Raumschutzübungen für 1998 abgesagt?

13. Welchen Stellenwert hat der Raumschutz im Einsatzkonzept des Bundesheeres?

14. Ist das Bundesheer in der Einsatzorganisation, nach Einnahme der sog. "HG - NEU - NEU”

in der Lage alle für den Bestand des Staatsgefüges wichtigen Einrichtungen der Kategorie

A (ca. 1000, festgelegt vom BMI) in einem solchen Bedrohungsszenario derart zu

schützen, daß deren Funktion im gesamten Bundesgebiet gesichert ist?

15. Wenn nein, was gedenken Sie zu tun, um dies in Zukunft gewährleisten zu können?