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Anfrage

 

der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Partnerinnen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend der Behindertenfeindlichkeit des österreichischen Schulsystems

 

Mit der 15.  SchOG-Novelle wurde die Integration von Kindern mit sonderpädagogi­schem Förderbedarf in die Volksschule in das Regelschulwesen übernommen.  Im Bereich der Hauptschule, der Unterstufe allgemeinbildender höherer Schulen und der polytechnischen Lehrgänge sind nach derzeitiger Gesetzeslage zum Zwecke der Integration weiterhin Schulversuche zu führen.  Zu welch menschenverachtenden Vorgängen es führt, wenn weiterführende Integration nur im Rahmen von Schulversuchen möglich ist, wird durch die Vorgänge an der Hauptschule Vomp­Stans evident: Da die Durchführung eines Schulversuches nur möglich ist, wenn die Erziehungsberechtigten von mindestens zwei Drittel der Schüler ihre Zustimmung geben, wurde unter den Eltern eine schriftliche Abstimmung durchgeführt (siehe Beilage).  Eine der befragten Erziehungsberechtigten, selbst Mutter eines behinderten Kindes und aus ihrem Heimatland offensichtlich humane Umgangsformen gewöhnt, schrieb dazu folgenden Brief:

"i thought this was so shocking!  The teacher said to me, it was the law! lf so -... it should be changed - it shouldnt be up to other parents on whether a child should have an education.'

Tatsächlich ist die gesetzlich vorgesehene Elternabstimmung über den Schul­versuch bezüglich der Integration in der Praxis nichts anderes als das Koppeln des Rechtes auf gleichberechtigte Schulbildung an eine Mehrheitsabstimmung.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten folgende

 

Anfrage

 

1.     Halten Sie die Praxis einer Abstimmung unter den Erziehungsberechtigten der Mitschülerlnnen über die weiterführende Integration an der Sekundarstufe 1 für sinnvoll?

 

Eltern aus dieser Klasse wissen zu berichten, daß dem betroffenen Kind in von anderen Schülern gesagt wurde."Ätsch, meine Eltern unterschreiben nicht, dann kannst Du nicht mit auf die Hauptschule gehen!" Halten Sie gesetzliche Bestimmungen, die solche Grausamkeiten ermöglichen, für legitim?

 

3.      Wie gedenken Sie diese Bestimmung mit Zielrichtung einer menschenwürdigen Praxis zu verändern?

 

4.      In der ÖVP-Klub-internen "Erfolgsbilanz" zur XVIII.  Gesetzgebungsperiode vom Sommer 1994 stand unter dem Titel."ÖVP-Erfolg" zu lesen: "Keine Integration geistig behinderter Kinder in die AHS, sinnvolle Integration behinderter Kinder in die Volks- und Sonderschule".  Sehen sie die oben aufgezeigte Praxis des Mehrheitsbeschlusses über schulische Ausbildungschancen von Kindern mit Integrationsbedarf als Ausdruck dieser Art von Erfolgsbilanzierungen?

 

5.      Welche Schritte werden Sie in den nächsten Monaten setzen, um eine demokratische Integration von Schülerlnnen in allen Schultypen der

Sekundarstufe 1 zu gewährleisten?

 

6.      In einem vor kurzem kursierenden Referentenentwurf aus Ihrem Ministerium über eine Neuregelung der Integration behinderter Schülerlnnen im Sekundarbereich werden Vorschläge gemacht, die eine soziale Integration an das Vorhandensein nicht präzise definierter "Möglichkeiten" koppeln.  Halten Sie Integration in alle Schulstufen für eine "Gnade", die "nach Möglichkeit" zu gewähren ist, oder für ein Grundrecht und eine unbedingte Verpflichtung eines demokratischen Staates?

 

7.      Im angesprochenen Referentenentwurf werden die zu erwartenden Kosten von ÖS 200 bis 400 Millionen für die Integration in die Sekundarstufe 1 als mögliche Erschwernis für die rasche Umsetzung genannt.  Wie stehen Sie zur

"Güterabwägung" zwischen der Aufwendung von ca 0,5% des jährlichen Unterrichtsbudgets und dem Ziel einer Verwirklichung des demokratischen Grund- und Menschenrechtes auf soziale Integration in allen Schulstufen?

 

8.      Bitte geben Sie uns einen zeitlichen Überblick über die von Ihrem Ressort geplanten Schritte der legistischen Umsetzung der schulischen Integration in die Sekundarstufe 1.