5258/J XX.GP

 

                                            ANFRAGE

 

der Abgeordneten Gaugg

und Kollegen

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Schwemmlandeigentum am Wörthersee

 

Die Finanzprokuratur führt Klage gegen eine Reihe von Seegrundstückseigentümern. Von

seiten der Finanzprokuratur selbst wird bestätigt, daß derzeit rund 60 Verfahren anhängig

sind. Diese Klagen beruhen auf der Voraussetzung, daß es an Seeufern eine Verlandung

gegeben habe und sogenanntes Schwemmland entstanden sei, welches im Eigentum des

Bundes stehe. Auf dieser Basis sind Eigentümer angrenzender Seegrundstücke auf Eigen -

tumsfeststellung geklagt worden.

 

Ein Prozeßausgang im Sinne der Finanzprokuratur hätte für die betroffenen Eigentümer,

darunter zahlreiche Gastgewerbebetriebe, gravierende Folgen. Sie müßten für das

Schwemmland Bestandszins bezahlen und hätten zu gewärtigen, daß ihnen im Anschluß an

die Laufzeit eines auf neun Jahre abgeschlossenen Vertrages dieses Ufergrundstück ab -

handen kommen könnte, oder sie müßten auf Basis des Verkehrswerts teures Geld für den

Erwerb bezahlen und damit eine empfindliche Einschränkung ihres lnvestitionsspielraums -

verbunden mit der Gefahr, in die Illiquidität zu geraten - hinnehmen.

 

Die angespannte finanzielle Lage der Gastgewerbebetriebe ist aus zahlreichen Untersu -

chungen hinlänglich bekannt. Kurz zusammengefaßt schrieb zum Beispiel “Die Presse” am

13. Juli 1998: “So beträgt die durchschnittliche Eigenkapitalausstattung der Hotels in Öster -

reich nur 10,2 Prozent - es ist die finanziell am schlechtesten gestellte Branche in Rot - weiß -

rot.”

 

Zurückblickend ist festzuhalten, daß im Jahr 1824 ein Finanzkataster erstellt wurde. Die da -

mals vorgenommene Vermessung gibt allerdings nicht genau den Uferverlauf wieder. Da

von 1934 an öffentliches Wassergut nicht mehr ersessen werden konnte, war mit 1894 das

Stichjahr für Ersitzungen festgelegt. Im Jahr 1936 kam es zu einer ersten genaueren Ge -

samtvermessung der Uferlinie.

 

Im vorliegenden Zusammenhang gibt es unübersehbare Anhaltspunkte, die dagegen spre -

chen, daß es je zu einer Verlandung in der heute unterstellten Form gekommen ist. So steht

zum Beispiel auf dem sogenannten Schwemmland eines der betroffenen Betriebe am Nord -

ufer des Wörthersees ein Baum, der nachweislich mindestens 135 Jahre alt ist. Dies aber

wird vom der Finanzprokuratur nicht als Ersitzungsbeweis anerkannt.

 

Anfang der siebziger Jahre erfolgte ein Parlamentsbeschluß in Sachen Schwemmland, wo -

nach dieses öffentlich gemacht oder verkauft wird. Der Verkaufspreis wurde willkürlich und

ohne Rücksicht auf die Widmung der Grundstücke festgelegt. Als Basis wurde der Ver -

kehrswert herangezogen, obwohl sich der Kaufpreis von Baugrundstücken nicht auf gewerb -

lich gewidmete Grundstücke ummünzen läßt. Überdies wurden für Seegrundstücke am

Wörthersee drei Preiszonen festgelegt, deren Begründung nicht nachvollziehbar erscheint.

Eine neuerliche, diesmal exakte Vermessung der Grundstücke in Maria Wörth im Jahr 1994

führte dazu, daß sich die Ansicht festsetzte, es würden alle dortigen Betriebe über

Schwemmland verfügen. Diese Ansicht beruht auf der Differenz, die sich zwischen der un-

genauen Finanzkatastervermessung von 1824 und der Ufervermessung von 1994 ergab.

Auf Basis dessen betrachtet sich die Republik Österreich als Eigentümerin der Schwemm -

land - Seegrundstücke.

 

Weitere Vermessungen sollen noch bevorstehen. Einige Grundstückseigentümer am Wört -

hersee haben sich zwar in dieser Sache mit der Republik Österreich geeinigt, andere aber

stehen auf dem Standpunkt, daß sie beziehungsweise ihre Familien, sofern es zu einer

Schwemmlandbildung gekommen wäre, die betroffenen Flächen längst ersessen hätten. Da

die Rechtslage nicht eindeutig ist, wurde an verantwortlicher Stelle offensichtlich der Be -

schluß gefaßt, über die Finanzprokuratur Klage gegen betroffene Betriebe zu führen. Dabei

ist der Eindruck entstanden, daß die Betroffenen durch finanziell aufwendige und zermür -

bende Prozesse zum Nachgeben gebracht werden sollen.

 

Aus der Anfragebeantwortung durch den Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger

4374/AB betreffend Finanzprokuratur geht hervor, daß ,,Kostenersatzverpflichtungen des

Bundes von der Finanzprokuratur nicht statistisch in einer Gesamtsumme erfaßt” werden.

Dies läßt darauf schließen, daß der Finanzprokuratur beziehungsweise deren Auftraggebern

ein nicht unbeträchtlicher Spielraum zur Einbringung von potentiell auch ohne entsprechen -

de Aussicht auf Erfolg geführten Klagen eröffnet wird.

 

Die bisherigen Geschehnisse in Sachen Schwemmland sind geeignet, an eine ähnliche

Sachlage in einem anderen Bereich zu erinnern, nämlich an die Sachlage im Zusammen -

hang mit dem Straßenbauvorhaben namens ,,Ennsnahe Trasse” in der Steiermark. Dabei

kam es zu drastischen Drohungen von seiten der Finanzprokuratur mit dem Ziel, Staatsbür -

ger mit Hilfe teils exorbitanter Klagsdrohungen massiv zu beeinflussen. Dazu heißt es im

Minderheitsbericht der Abgeordneten Andreas Wabl, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Karl Smolle in

1460 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP wörtlich:

“6. Politischer Versuch der Einschüchterung durch Klagen: In der Auseinandersetzung um

das gegenständliche Bauvorhaben haben politische Verantwortliche nicht davor zurückge -

schreckt, gegen Bauern und Umweltaktivisten mit Hilfe der Finanzprokuratur (Rechtsanwalt

der Republik) umfassende Klagen einzubringen; zum Teil in der Größenordnung von mehre -

ren 100 000 Schilling gegen Schüler und Studenten. Die Republik verlor sämtliche Klagen.”

 

Dieses Faktum läßt die Schlußfolgerung zu, daß die Finanzprokuratur auch zur Einbringung

von Klagen tätig geworden ist, deren primärer Zweck weniger vom materiellen Gehalt der

Klage als von einer Intention seitens politisch Verantwortlicher oder von Verantwortlichen auf

Beamtenebene zur politischen Einflußnahme gegen Staatsbürger inspiriert gewesen sein

könnte.

 

Insofern ergibt sich die Frage, ob oder inwieweit die Finanzprokuratur zugunsten politischer

Zwecke instrumentalisiert wird.

 

Ein die Klagstätigkeit auch nicht gerade hemmendes Faktum ist offensichtlich folgende in

der Anfragebeantwortung 4374/AB angeführte Tatsache: "Gerichtsgebühren können aller -

dings vernachlässigt werden, weil die Mehrzahl der von der Prokuratur vertretenen

Rechtsträger solche nicht zu entrichten hat.” Daraus ergibt sich die Frage, ob nicht das Ab -

rücken von dieser Privilegierung ein Schritt in die Richtung wäre, wirksame Schranken ge -

gen eine politische Instrumentalisierung der Finanzprokuratur zu errichten.

 

Da auch im Fall des in Rede stehenden Schwemmlandes an Seeufern von der Finanzproku -

ratur beinahe schon exzessiv mit der Einbringung von Klagen vorgegangen wird, um die

gegensätzlich gelagerte Meinungshaltung seitens der Grundstücksanrainer zu beeinflussen,

ja diese Anrainer zur Bezahlung von Bestandszinsen oder Kaufsummen zu zwingen, stellt

sich verstärkt die Frage nach dem Spielraum, den die Verantwortlichen haben, um gegen

Staatsbürger vorgehen zu können, ohne für eventuelle schädliche Folgen für die Republik

Österreich haften zu müssen. Solche schädlichen Folgen wären allein schon durch die infol -

ge abgewiesener Klagen zu tragenden Kosten gegeben, noch nicht zu reden von dem

Schaden für das Gemeinwesen, den der Eindruck, daß sozusagen die Obrigkeit den klags-

weg als Instrument der Einschüchterung von Staatsbürgern gebraucht - um nicht zu sagen

mißbraucht -, hervorzurufen geeignet ist.

 

Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nach-

stehende

 

                                            Anfrage:

 

1. In wie vielen Fällen sind Seegrundstückseigentümer von Forderungen des Bundes be -

    troffen, die auf das Vorhandensein von Schwemmland gegründet sind?

 

2. In welchem Umfang verändert sich durch die Aufstockung um dieses Schwemmland die

    Steuerbemessungsgrundlage der betroffenen Grundstückseigentümer?

 

3. Wie viele Steuerpflichtige sind davon betroffen?

 

4. In wie vielen Fällen unterblieb bei vor Ablauf der Ersitzungszeit vorgenommenen Grund-

    stückstauschvorgängen eine entsprechende Katastralmappen - Eintragung?

 

5. Wodurch sind die Unterschiede zwischen den diversen Zonen von Grundstückspreisen

    für das Schwemmland begründet?

 

6. Welche Bereiche möglichen Schwemmlandes sind noch nicht vermessen worden?

 

7. Wann werden diese Vermessungsarbeiten erfolgen?

 

8. Worauf gründet die Finanzprokuratur ihre Chancen, mit der Klagsführung zum Erfolg zu

    kommen?

 

9. In wie vielen Fällen kam es bereits zur Abweisung von Klagen im Zusammenhang mit

    dem Versuch, Eigentumsansprüche der Republik Österreich auf an Seeufern entstande -

    nes Schwemmland zu gründen?

 

10. Wie viele Gastgewerbebetriebe befinden sich unter den rund 60 derzeit Beklagten?

 

11. Hat die Finanzprokuratur bei ihrer Vorgangsweise den Aspekt der Gefährdung der Wirt -

    schaftlichen Lebensfähigkeit von Gastgewerbebetrieben in Erwägung gezogen?

 

12. Hat die Finanzprokuratur beziehungsweise das Finanzministerium vor der Einbringung

    von Klagen Schritte unternommen, um die Folgen dieser Maßnahme abzuschätzen, und

    beispielsweise Berechnungen darüber angestellt, in welchem Ausmaß in dem Fall, daß

    den Klagen stattgegeben wird, zusätzliche finanzielle Belastungen auf Gastgewerbebe -

    triebe am Wörthersee zukämen?

    Wenn ja: Wie hoch wären diese finanziellen Belastungen?

    Wenn nein: Erachten Sie es für unnötig, bei Maßnahmen der Finanzprokuratur bezie -

    hungsweise des Finanzministeriums nicht nur die rein fiskalischen, sondern auch dar -

    über hinausgehende wirtschaftliche Folgen abzuschätzen?

 

13. Entspricht es dem in der Finanzprokuratur obwaltenden betriebswirtschaftlichen Sach -

    verständnis, anzunehmen, daß kleinere Hotelunternehmen ohne nachhaltige Erschütte -

    rung ihrer finanziellen Gebarung in der Lage wären, neben allen infolge des laufenden

    Geschäftsbetriebes anstehenden Investitionen sozusagen nebenher auch noch die

    Kaufsumme von beispielsweise 4 Millionen Schilling für ein Schwemmland - Seegrund -

    stück aufzubringen?

 

14. Inwieweit hat die Finanzprokuratur bei ihrer Vorgangsweise den Aspekt der Arbeitsplatz -

    erhaltung im Gastgewerbe berücksichtigt?

 

15. Wie viele Arbeitsplätze werden von den unter den Beklagten befindlichen Gastgewerbe -

    betrieben gehalten?

 

16. Hat die Finanzprokuratur vor den getroffenen Maßnahmen Schätzungen darüber ange -

    stellt, in welchem Ausmaß es zu Steuerausfällen auf Grund von Betriebastillegungen in -

    folge zu hoher finanzieller Zusatzbelastungen von Gastgewerbebetrieben am Wörther -

    see kommen kann?

    Wenn ja: Wie hoch wären die Steuerausfälle insgesamt im Rahmen eines “Worst Case"-

    Szenario?

    Welche Einnahmenarten wären im einzelnen davon betroffen?

 

17. Führte die Finanzprokuratur vor Einbringung der Klagen eine Abwägung zwischen den

    Aspekten “Fiskalische Vorteile des Staates” und “Gerechtigkeitsempfinden von Staats -

    bürgern” durch?

 

18. Wie viele Klagen unter diesem Titel werden von der Finanzprokuratur noch geplant?

 

19. Wie hoch werden die Kosten für die Republik Österreich im Falle der Abweisung der

    bisher eingebrachten Klagen sein?

 

20. Welcher Spielraum sollte Ihrer Ansicht nach den politisch Verantwortlichen beziehungs -

    weise den Verantwortlichen auf Beamtenebene für die Klagsführung gegen Staatsbürger

    zur Verfügung stehen?

 

21. Gibt es nach heutiger Gesetzeslage eine Möglichkeit, für den der Republik Österreich

    entstandenen Schaden infolge der Abweisung von Klagen, die von politisch Verantwortli -

    chen beziehungsweise von Verantwortlichen auf Beamtenebene initiiert worden sind, die

    Verursacher solcher Prozesse haftbar zu machen?

    Wenn nein: Erachten Sie das Fehlen einer solchen Möglichkeit - insbesondere im Hin -

    blick auf offenbar zunehmende entsprechende Fehlleistungen - für einen tragbaren Zu -

    stand?

 

22. Erachten Sie es für einen weiterhin tragbaren Zustand, daß ,,Kostenersatzverpflichtun -

    gen des Bundes von der Finanzprokuratur nicht statistisch in einer Gesamtsumme er -

    faßt” werden, was de facto darauf hinausläuft, daß das Ausmaß an vergeblichen bezie -

    hungsweise aussichtslosen Klageführungen seitens der Finanzprokuratur und damit

    auch das Ausmaß an Fehlleistungen der politisch Verantwortlichen beziehungsweise der

    Verantwortlichen auf Beamtenebene monetär nicht bewertbar ist und insofern verschlei -

    ert werden kann?

 

23. Wodurch kann heute noch die Befreiung der “Mehrzahl der von der Prokuratur vertrete -

    nen Rechtsträger” von Gerichtsgebühren gerechtfertigt werden?

 

24. Verträgt sich Ihrer Meinung nach die Befreiung von Gerichtsgebühren für Rechtsträger,

    die von der Finanzprokuratur vertreten werden, mit den Ambitionen, im öffentlichen

    Dienst größere Kostenwahrheit zur Geltung kommen zu lassen?