576/J

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag.' Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend strafrechtliche Verfolgung HIV-Positiver

In einem derzeit am Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Verfahren nach § 179 StGB hat die Richterin (Dr.  Klothilde Eckbrecht-Dürckheim) leidenschaftlich die Meinung vertreten, daß HIV-positive Menschen überhaupt nicht mehr sexuell verkehren dürften; auch nicht mit Kondom und auch nicht mit einer anderen infizierten Person (siehe beiliegenden Zeitungsartikel aus 'täglich Alles' vom 20.  März 1996, S. 1, S. 10).

 

Nachforschungen haben ergeben, daß dies nicht nur die obskure Meinung einer einsamen Richterin darstellt.  Zumindest in zwei Fällen haben Staatsanwaltschaften HIV-positive Frauen angeklagt, weil sie mit Kondom verkehrt hatten und die Gerichte diese Frauen zu längeren Haftstrafen verurteilt (APA 080, 04.02.1988; APA 554, 28.02.1996).

 

Bemerkenswert ist, daß in allen bekannten Prozessen nach den 178f StGB gegen HIV­positive Personen ausschließlich Frauen angeklagt und verurteilt wurden (APA 264 vom 20.12.1988; APA 080 vom 04.02.1988; APA 121 vom 07.07.1988; RZ 1989/48; APA 527 vom 28.02.1996- APA 554 vom 28.02.1996; APA 379 vom 13.03.1996; APA 178 vom 27.03.1996).

 

Obwohl das Schutzgut der §§ 178f StGB nicht die körperliche Integrität des Partners ist sondern die 'Volksgesundheit' (damit wird ja auch begründet, daß die Einwilligung des Partners die Strafbarkeit nicht beseitigt), wird immer nur einer der beiden Partner angeklagt und verurteilt, obwohl beide 'eine Handlung begehen, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen (§ § 17 8f StGB), obwohl beide die Volksgesundheit gefährden.

 

Im jüngsten Fall haben drei Partner der verurteilten (sogar in U-Haft angehaltenen!) Frau vor Gericht ausgesagt, daß sie von der Infektion ihrer Partnerin gewußt haben (APA 379 vom 13.03.1996). Angeklagt und verurteilt wurde lediglich die Frau (APA 178 vom 27.03.1996).

 

Von zwei Partnern, die beide die Volksgesundheit gefährden, indem sie die Verbreitung von Aids ermöglichen, wird stets nur einer angeklagt und verurteilt.  Und der ist interessanterweise immer eine HIV-positive Frau.


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1    Teilen Sie die Auffassung, daß Sexualverkehr von HIV-Positiven auch dann die Tatbestände der §§ 178f StGB erfüllen, wenn mit Kondom verkehrt wird.

       Wenn ja, warum?

 

2.       Teilen Sie die Auffassung, daß die Tatbestände der §§ 178f StGB auch durch Sexualverkehr zwischen HIV-Positiven erfüllt wird?

          Wenn ja, warum?

 

3.       Wie bewerten Sie die Praxis der Staatsanwaltschaften, HIV-positive Personen nach §§ 178f StGB anzuklagen, die mit Kondom verkehrt haben?

 

4.       Sehen Sie in der Praxis der Staatsanwaltschaften, HIV-positive Personen nach §§ 178f StGB anzuklagen, die mit Kondom verkehrt haben eine Gefährdung der Aids­Präventionskampagnen des Gesundheitsministers, die zum Schutz vor Aids Sex mit Kondom propagieren?

          Wenn nein, warum nicht?

 

5.       Werden Sie Weisung geben, künftig keine Anklagen nach den 178f StGB mehr zu erheben, wenn sich eine HIV-positive Person an die 'safer sex'-Regeln gehalten, d.h. insbesondere Kondome verwendet hat?

          Wenn nein, warum nicht?

 

6.       Teilen Sie die Meinung, daß die Praxis der Staatsanwaltschaften, von allen Personen, die die Tatbestände der §§ 178f StGB setzen, lediglich HIV-positive Frauen anzuklagen, Diskriminierung gegen HIV-Positive und gegen Frauen darstellt?  Wenn nein, warum nicht?

 

7.    Werden Sie gegen die Praxis der Staatsanwaltschaften, von allen Personen, die die Tatbestände der §§ 178f StGB setzen, lediglich HIV-positive Frauen anzuklagen, etwas unternehmen?

       Wenn ja, was?

       Wenn nein, warum nicht?

 

8-    Werden Sie gesetzliche Maßnahmen initiieren, die die Diskriminierung HIV-Positiver und Menschen mit Aids abbauen?

       Wenn ja', welche?

       Wenn nein, warum nicht?