6108/J XX.GP
der Abgeordneten Kier, Partnerinnen und Partner
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Arbeitspapier der Sektion III zur Verschärfung der Fremdengesetze
Den unterzeichneten Abgeordneten liegt ein von der Sektion III des Bundes -
ministeriums für Inneres unter Federführung von Sektionschef Dr. Manfred Matzka
erstelltes „Arbeitspapier“ vor, in dem eine drastische, teils an der Grenze zur
Menschenrechtswidrigkeit stehende Verschärfung des Asyl - und des
Fremdengesetzes gefordert wird. Während derzeit mitten in Europa organisierte
Massenvertreibungen stattfinden, wie sie dieser Kontinent seit Ende des Zweiten
Weltkrieges nicht mehr gesehen hat, und alle Staaten, denen Menschenrechte ein
Anliegen sind, sich über die Aufnahme von Flüchtlingen Gedanken machen sollten,
überlegt der "Think Tank“ des Bundesministers für Inneres, auf welche Weise
Flüchtlinge von Österreich möglichst ferngehalten werden können.
Unter anderem wird in diesem Papier verlangt, die Zusammenarbeit mit dem
UNHCR weiter einzuschränken, keine Betreuung für Schubhäftlinge zuzulassen,
diese sogar vor Beendigung der Verfahren abzuschieben, wenn sie in Hungerstreik
treten, und abgelehnte Asylwerberinnen und Asylwerber vor Erlangung der
Rechtskraft negativer Bescheide außer Landes zu bringen.
Diese bedenklichen Vorschläge reihen sich allerdings nahtlos in eine Kette
zweifelhafter Initiativen ein, die von Sektionschef Dr. Matzka ausgingen, etwa die
Ausstellung von Akkordbescheiden im Jahr 1996 oder die Einbringung eines
„Strategiepapiers“ zur Migrations - und Asylpolitik in den K4 - Ausschuß der EU -
Innenminister 1998, in dem in der ersten Fassung unter bestimmten Umständen die
Abschaffung der Genfer Flüchtlingskonvention gefordert wurde.
Innenminister Schlögl hat zwar die Bedeutung des „Arbeitspapiers“ in einer ersten
Reaktion heruntergespielt. Da er sich aber letztlich auch in anderen Fällen, in denen
es um eine Verschärfung der Fremdengesetze ging, hinter die Aktivitäten seines
Sektionschefs Matzka gestellt hat, ist davon auszugehen, daß die Vorschläge, die in
dieser 7 - seitigen Darstellung unterbreitet werden, über kurz oder lang in einen
Entwurf des Innenministeriums für eine Novelle zum Asyl - und zum Fremdengesetz
münden werden.
Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende
an den Bundesminister für Inneres;
1. Planen Sie in absehbarer Zeit die Vorlage eines Entwurfes zur Novellierung des
Fremden - und/oder des
Asylgesetzes? Wenn ja, mit welchem Inhalt?
2. Stimmt es, daß Sie den einzelnen Sektionen und Abteilungen den Auftrag
gegeben haben, ihre Kritik am neuen Fremdenrecht aufzulisten? Wenn nein, hat
dann Dr. Matzka mit der Vorlage dieses Papiers eigen mächtig gehandelt?
3. Gibt es außer dem hier zitierten noch weitere „Arbeitspapiere“ aus Ihrem Ressort,
die sich mit einer Bewertung des Asyl - und des Fremdengesetzes
auseinandersetzen? Wenn ja, mit welchen Schlußfolgerungen?
4. Wie bewerten Sie das „Arbeitspapier“ der Sektion III?
5. Stimmen Sie der in dem Papier vertretenen Auffassung zu, daß die „durch die
Novellierungen herbeigeführten Liberalisierungen“ (Zitat hier, wie in der Folge
aus dem Arbeitspapier der Sektion III) zu einer Verdoppelung der
Asylwerberzahlen geführt haben, nicht jedoch „Außenfaktoren (etwa der Krieg im
Kosovo und dergleichen)“? Wenn ja, mit welcher Begründung?
6. Auf welchen empirischen Erhebungen begründet sich die in dem Arbeitspapier
aufgestellte Behauptung, daß im Jahr 1998 „die Zahl der illegal Anwesenden um
rund 5000 zugenommen“ habe?
7. Halten Sie die Auffassung für richtig, daß „die Effizienz der
Fremdenpolizeibehörden in der Verfolgung und Bekämpfung der illegalen
Schlepperei und der illegalen Aufenthalte durch die Gesetzesänderung deutlich
gemindert wurde“? Wenn ja, warum?
8. Stimmt es, daß „die vielen Umgehungsmöglichkeiten insbesondere im Bereich
der Scheinehen ein deutliches Ansteigen der illegalen Anwesenheiten“
verursacht haben, obwohl die Überprüfungsmöglichkeiten deutlich verschärft
wurden (dreimalige Befragungsmöglichkeit innerhalb von zwei Jahren vor
Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung)? Werden Sie in diesem
Zusammenhang, ebenso wie Dr. Matzka, Änderungen im Personenstands - Ehe -
und Familienrecht fordern? Wenn ja, welche?
9. Sind Sie der Auffassung, daß „legistische und organisatorische Maßnahmen“
erforderlich seien, um „einen unverzüglichen Verfahrensabschluß in
Hungerstreikfällen“ zu ermöglichen? Heißt dies, daß negative Bescheide ohne
inhaltliche Prüfung des Vorbringens der Antragsteller erlassen werden sollen?
10. Sind Sie der in dem Arbeitspapier ausgedrückten Auffassung, daß in 84 % der
Anwendung des „gelinderen Mittels“ anstelle der Verhängung der Schubhaft die
durchgeführte Maßnahme ihren Zweck nicht erreicht hat, weil die Fremden
angeblich „untertauchten“? Nach welchen Kriterien wird in Zukunft die Schubhaft
verhängt bzw. das „gelindere Mittel“ angewendet?
11. Wie ist folgende Forderung im Arbeitspapier in Zusammenhang mit dem
Fremdengesetz zu verstehen: „Die Möglichkeit der Inlandsantragstellung im
Verlängerungsfall bis zur Unendlichkeit bedürfte eines eindeutigen
gesetzgeberischen Riegels“?
12.Woraus wird in dem Arbeitspapier geschlossen, daß „die Zahl der Kriminellen, die
Asylanträge steilen, um den fremdenrechtlichen Konsequenzen ihrer Taten zu
entgehen“, zunimmt?
13. Werden Sie sich, ebenso wie Dr. Matzka, dafür einsetzen, daß Asylwerbern „bei
Begehung einer strafbaren Handlung das Aufenthaltsrecht verwirkt“ wird
gleichgültig ob es sich um einen Flüchtling im Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention (GFK) handelt oder nicht? Ist Ihnen bewußt, daß in
diesem Fall eine Ausweisung oder Zurückweisung nur dann möglich ist, wenn
eine Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes gegeben ist oder der
Betreffende wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig
verurteilt wurde (vgl. Art. 33 GFK)?
14. „Das gravierendste Problem im Zusammenhang mit dem Asylrecht ist ohne
Zweifel die großzügige Regelung des Aufnahmerechts für Asylwerber in
Österreich in Verbindung mit der Regelung, daß vor dem rechtskräftigen
Abschluß des Asylverfahrens eine Zurückschiebung in den vorherigen
Aufenthaltstaat nicht möglich ist“, heißt es in dem Arbeitspapier. Schließen Sie
sich der Forderung an, daß eine Zurückschiebung in einen „sicheren Drittstaat
(...) unverzüglich nach der erstinstanzlichen Entscheidung“ durchgeführt werden
sollte? Werden Sie sich für eine entsprechende Gesetzesänderung einsetzen?
Hielten Sie diese für verfassungskonform?
15. Sind Sie der Auffassung, daß „das absolute Vetorecht des UNHCR“ jegliche
Zurückweisung auf dem Flughafen praktisch verunmögliche? Werden Sie sich
daher dafür einsetzen, daß die Zusammenarbeit mit dem UNHCR in diesem
Zusammenhang beendet wird?
16.Wie bewerten Sie folgende zynische Sätze aus dem Arbeitspapier der Sektion III
in Zusammenhang mit der Einreise von Asylwerbern über den Flughafen (S.6):
„Angesichts dieses Befundes ist es eigentlich schon unverständlich, weshalb sich
Fremde überhaupt noch die Mühe machen, für Flugreisen nach Österreich ein
Visum zu besorgen. Es geht wesentlich einfacher und kostengünstiger, wenn sie
sich einfach ein Flugticket besorgen und nach Österreich fliegen, ohne darauf
Rücksicht zu nehmen, ob sie ein Visum benötigen oder nicht.“? Was soll mit
dieser Feststellung ausgedrückt werden?
17. Teilen Sie die harsche Kritik Dr. Matzkas am Unabhängigen Bundesasylsenat
(UBAS)? Sind Sie auch der Auffassung, daß es „wegen der vollständigen
Unabhängigkeit dieser zweiten Instanz“ nicht möglich sei, „in irgendeiner Weise
das gesamtstaatliche Interesse am raschen Ablauf des Asylverfahrens
umzusetzen“?
18. Werden Sie sich daher für die Abschaffung des durch die Asylgesetznovelle 1997
geschaffenen UBAS und für eine Ansiedlung der 2. Instanz direkt beim
Bundesministerium für Inneres einsetzen, wie dies vor der Novelle der Fall war?
19. Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann in dem Arbeitspapier in
Zusammenhang
mit dem angeblichen Rückstau, der sich aus einer gründlichen
Behandlung der Berufungen gegen die erstinstanzliche Entscheidung durch den
UBAS ergibt, behauptet werden, diese Personen würden sich "illegal und ohne
gesicherten Status in Österreich befinden“ (Seite 6)?
20. Soll mit der Bewertung der Tätigkeit des UBAS ausgedrückt werden, daß man
besser wieder zu der bis 1996 angewendeten Praxis übergehen sollte, Bescheide
im Akkordtempo zu erlassen, um einen Rückstau zu vermeiden?
21 .Wann werden Sie eine Verordnung gemäß § 4 Abs 3a des Asylgesetzes
erlassen, durch welche Staaten bezeichnet werden, die Asylwerbern regelmäßig
effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren, wie in dem Arbeitspapier gefordert?
Welche Staaten werden Sie somit zu „sicheren Drittstaaten“ erklären?
22. Sind Sie auch der Auffassung, daß „mehr als 10% der unbegründeten
Asylanträge“ ohne die Tätigkeit der Schubhaftbetreuer nicht gestellt worden
wären? Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Behauptung, daß es nur
eine Lösung gebe, „nämlich die, daß die Schubhaftbetreuung vom gegenseitigen
vollen Vertrauen getragen“ werden müsse?
23. Welche Konsequenzen ziehen Sie für die weitere Tätigkeit von Sektionschef Dr.
Matzka, der mit der Vorlage dieses Papiers erneut gezeigt hat, daß es ihm bei
seiner Arbeit in erster Linie darum geht, Zuwanderern und Flüchtlingen zu
unterstellen, den österreichischen Staat täuschen zu wollen?
24. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß Dr. Matzka den in den Medien kolportierten
Job als Leiter der Sektion III im Bundeskanzleramt bekommt (vgl. STANDARD
vom 7.4.), damit er von der Sektion III Ihres Ressorts abgezogen wird? Wenn
nein, warum nicht?