6473/J XX.GP

 

                                                               ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

 

an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr

 

betreffend Dr. Heinrich Gross und die Ludwig Boltzmann Gesellschaft

 

 

In Ihrer am 30. 4. erfolgten Beantwortung unserer schriftlichen parlamentarischen Anfrage

betreffend Ehrung für Dr. Heinrich Gross vom 3. März 1998 bringen Sie ganz allgemein Ihre

Betroffenheit und Ihr Bedauern „über das, was unter dem NS - Unrechtsregime geschehen

konnte, zum Ausdruck“. Daran knüpft sich die Frage, ob das BMWV aus dieser Einstellung

die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat. Wie Ihrer Anfragebeantwortung zu

entnehmen ist, wurde 1968 Dr. Heinrich Gross die Leitung eines neu geschaffenen Ludwig

Boltzmann - Instituts zur Erforschung der Mißbildungen des Nervensystems übertragen. Wie

heute allgemein bekannt ist, wurden in diesem Institut Gehirnpräparate von Opfern der

Kindereuthanasie von Dr. Gross wissenschaftlich ausgewertet, und in den Tätigkeitsberichten

der Ludwig Boltzmann Gesellschaft wurde darüber stolz berichtet. Diese Forschungsarbeit

auf der Basis von sterblichen Überresten von NS - Opfern kam erst zu einem Ende, als die

Tätigkeit von Dr. Heinrich Gross als Beteiligter der Kindereuthanasie und die Herkunft der

Gehirnpräparate von NS - Opfern bekannt wurden. Offenbar zur Verwischung der Spuren

wurde das Boltzmann - Institut von Dr. Gross mit einem anderen Boltzmann - Institut

zusammengelegt und erhielt dadurch einen neuen Namen (Ludwig Boltzmann - Institut für

klinische Neurobiologie). In Ihrer Anfragebeantwortung verneinen Sie - formal zurecht - die

Förderung der Forschungstätigkeit des Dr. Gross durch das Wissenschaftsministerium.

Tatsächlich wird aber die Tätigkeit der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft und damit auch die

der einzelnen Institute hauptsächlich vom Wissenschaftsministerium finanziert, sodaß de facto

auch das von Dr. Gross geleitete Ludwig Boltzmann Institut in den Genuß von

Förderungsmitteln des Wissenschaftsministeriums gekommen ist.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

                                                               ANFRAGE:

 

 

1. Ist nachvollziehbar, welche Beträge über die Boltzmann Gesellschaft in das Institut von Dr.

Gross geflossen sind?

2. Haben das Ludwig Boltzmann - Institut für klinische Neurobiologie (als Nachfolger des

Gross - Instituts) und die Ludwig Boltzmann Gesellschaft als Dachorganisation zu diesem

Sachverhalt, der Aufbewahrung von sterblichen Überresten von NS - Opfern und deren

wissenschaftliche Verwertung (noch dazu durch einen Mitschuldigen am Tod dieser

Menschen) jemals grundsätzlich Stellung genommen?

3. Haben diese Organisationen bzw. die Verantwortlichen (Institutsleiter, Präsident oder

Vorstand) jemals eine Erklärung mit einer Distanzierung von dieser Vorgangsweise oder eine

Entschuldigung gegenüber den Betroffenen und Angehörigen ausgesprochen? Wurden Worte

des Bedauerns über dieses Fehlverhalten nach 1945 ausgesprochen?

 

4. Haben Sie oder werden Sie als zuständiger Bundesminister von der Boltzmann Gesellschaft

bzw. dem betroffenen Boltzmann Institut eine Stellungnahme oder Erklärung einfordern?

 

5. Haben Sie oder werden Sie selbst zu diesen Vorgängen im

Forschungsbereich Stellung nehmen? Wenn nein, dann richten wir an sie die Frage:

 

6. Halten Sie die Aufbewahrung von sterblichen Überresten von NS - Opfern für

Forschungszwecke für gerechtfertigt?

 

7. Wie beurteilen Sie die Verwendung von Gehirnen ermordeter Kinder für wissenschaftliche

Forschung durch ein Boltzmann Institut?

 

8. Halten Sie - im nachhinein - die Schaffung eines Boltzmann - Instituts für den

Euthanasiearzt Dr. Heinrich Gross für richtig?

 

9. Bedauern Sie als Politiker der SPÖ die Förderung des (damaligen) SPÖ - und BSA -

Mitglieds Dr. Heinrich Gross durch Einrichtungen und Organisationen, für die SPÖ - Politiker

und - Funktionäre die Verantwortung trugen und tragen?