6576/J XX.GP

 

                                                               ANFRAGE

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend der Veröffentlichung eines NS - verharmlosenden und holocaustleugnenden

Artikels in der Wochenzeitung „Zur Zeit“

 

 

Wie vor kurzem der Tageszeitung „Der Standard“ zu entnehmen war, erstattete das

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes bei der Staatsanwaltschaft

Wien gegen die Wochenzeitung „Zur Zeit“ eine Anzeige wegen des Verdachtes des

Verstoßes gegen das Verbotsgesetz. In der Ausgabe 23 vom 4. - 10. Juni 1999 von „Zur

Zeit“ werden in dem Artikel „Zweifel, Vater der Erkenntnis“ nationalsozialistische

Verbrechen geleugnet und grob verharmlost. Autor dieses Artikels ist ein Hans

Gamlich. Er bezeichnet u. a. Adolf Hitler als einen „großen Sozialrevolutionär“ und

dessen Stellvertreter Rudolf Heß als einen „kühnen Idealisten“. Auch die Schuld der

Nationalsozialisten am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird geleugnet. Laut

Gamlich habe nicht die NS - Führung, sondern Churchill „Europa in die Katastrophe“

gestürzt. Der Überfall auf die Sowjetunion wird bei Gamlich zu einer „notwehrhaften

Präventivaktion“ „zum Schutz Europas“ umgedeutet. Den Holocaust und die Anzahl

der sechs Millionen Opfer bezeichnet er abwechselnd als „Dogma“ und „Mythos“,

welcher „im größten Schauprozeß der Weltgeschichte in Nürnberg institutionalisiert“

wurde und „sich nurmehr quasireligiös begründen“ lasse. Bezugnehmend auf bekannte

neonazistische Geschichtsfälscher („Revisionisten“) wird auch der Einsatz von Zyklon -

B für die Massenvergasungen in den nationalsozialistischen Konzentrations -  und

Vernichtungslagern geleugnet. Gamlich bezieht sich dabei auf „naturwissenschaftlich -

technische Gutachten“ und Aussagen von „Revisionisten“ wie Germar Rudolph, Robert

Faurisson, Fred A. Leuchter und Dipl. Ing. Walter Lüftl. Rudolph wurde 1995 in

Stuttgart wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß verurteilt und

befindet sich derzeit auf der Flucht vor einer Strafverfolgung. Auch die übrigen, von

Gamlich angeführten Vertreter der sog. „Auschwitzlüge“ (Faurisson, Leuchter) wurden

bereits in Frankreich und Deutschland angeklagt oder verurteilt. Die zustimmende

Bezugnahme auf Dipl. Ing. Walter Lüftl, der ebenfalls die Unmöglichkeit der

nationalsozialistischen Gasmorde behauptete, wurde bereits 1995 dem damaligen

Geschäftsführer des Aula - Verlages, Herwig Nachtmann, zum Verhängnis. Er wurde

damals in Graz nach dem NS - Verbotsgesetz verurteilt, da unter seiner presserechtlichen

Verantwortung Lüftls Behauptungen in einem in der der Aula veröffentlichten Artikel u.

a. als „Meilenstein auf dem Weg zur Wahrheit“ bezeichnet worden waren.

In der Ausgabe 25 vom 18. - 24. Juni 1999 erfolgte bezugnehmend auf diesen Artikel von

Seiten der Verantwortlichen von „Zur Zeit“, eine „Berichtigung“. So soll durch ein

„redaktionelles Versehen“ es zum „ungeprüften Abdruck“ dieses Artikels gekommen

sein.

Weiters soll „irrtümlich im Zuge der umbruchsbedingten Kürzungen durch Hilfskräfte

noch zusätzlich eine Verstümmelung“ des Artikels erfolgt sein. Sie betonen, daß es

ihnen fernliege, „die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen.“

Herausgeber und Redaktion „distanzieren sich auf das Schärfste“ von „allfälligen

Passagen“, die gegen das Wiederbetätigungsverbot verstoßen könnten. Durch die

„Berichtigung“ sollte der Schaden, den die „Hilfskräfte“ angerichtet haben, behoben

werden. Die nachgereichten, „irrtümlich“ den „Kürzungen“ zum Opfer gefallenen

Passagen können aber dem Artikel keinen unbedenklichen Charakter verleihen.

Insbesondere die im Rückgriff auf neonazistische Geschichtsfälscher von Gamlich

formulierten Zweifel an der deutschen Kriegsschuld und systematischen Ermordung der

europäischen Juden in den Gaskammern werden nicht berichtigt.

Als Chefredakteur der Nummer 23 fungierte Andreas Mölzer, der zwei Wochen später

in der Ausgabe Nummer 25 seinen Rücktritt von dieser Funktion verkünden läßt.

Verantwortlich dafür wird seine „zeitliche Belastung im Rahmen seiner neuen

Beratertätigkeit für die Kulturabteilung der Kärntner Landesregierung und den Kärntner

Landeshauptmann“ gemacht. Der - wie in „Zur Zeit“ betont wird - „inhaltlichen

Verantwortung“ nun entbunden, bleibt Mölzer diesem Blatt als Herausgeber jedoch

weiter erhalten. Unterstützt wird er in Zukunft dabei von Johann Josef Dengler und vom

FPÖ - Bundesrat John Gudenus. Letzterer hat sich auch schon in der Öffentlichkeit mit

allzu bezeichnenden Aussagen über die NS - Vernichtungspolitik in Szene gesetzt. Im

Herbst 1995 sagte er bei einer Podiumsdiskussion zu den Gaskammern folgendes: „Ich

halte mich da raus! Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist.“

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage

 

 

1. Wie beurteilen Sie den Inhalt des von Hans Gamlich verfaßten und in der

    Wochenzeitung „Zur Zeit“ veröffentlichten Artikels? Ist Ihrer Meinung nach hier

    ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz gegeben?

 

2. Sind durch die Staatsanwaltschaft Wien gegen die Wochenzeitung „Zur Zeit“ und

    gegen den Verfasser des oben erwähnten Artikels, Hans Gamlich rechtliche Schritte

    eingeleitet worden?

    Wenn ja, welche und in welchen Stadium befinden sich diese?

    Wenn nein, warum nicht?

3. Wie in der Einleitung schon erwähnt, wurde 1995 der damalige Geschäftsführer des

     Aula - Verlages, Herwig Nachtmann, in Graz nach dem NS - Verbotsgesetz verurteilt,

     da unter seiner presserechtlichen Verantwortung die Behauptungen von Dipl. Ing.

     Walter Lüftl bezüglich des Einsatzes von Zyklon B zur Ermordung von Menschen

     in den Gaskammern der nationalsozialistischen Konzentrations -  und

     Vernichtungslagern in einem in der Aula veröffentlichten Artikel u. a. als

     „Meilenstein auf dem Weg zur Wahrheit“ bezeichnet worden waren.

     Sind durch die Staatsanwaltschaft Wien gegen den bei der Veröffentlichung des

     Artikels von Hans Gamlich noch amtierenden und für den Inhalt verantwortlichen

     Chefredakteur von „Zur Zeit“, Andreas Mölzer, rechtliche Schritte eingeleitet

     worden?

     Wenn ja, welche und in welchen Stadium befinden sich diese?

     Wenn nein, warum nicht?

 

4. Wann ist mit einem Abschluß der Ermittlungen zu rechnen?

 

5. Würden Sie nach der Veröffentlichung von Artikeln mit antisemitischen und NS -

    verharmlosenden Inhalten eine Zeitung wie „Zur Zeit“ noch als eine

    verfassungskonforme Publikation einschätzen?

 

6. Wie beurteilen Sie den Umstand, daß Politiker und Berater einer im Parlament und

    im Bundesrat vertretenen Partei als Herausgeber einer Publikation fungieren, in der

    antisemitische, NS - verharmlosende und holocaustleugnende Artikel veröffentlicht

    werden?