6640/J XX.GP
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
betreffend Schwazer Felssturz
Am Samstag, den 10. Juli 1999 ereignete sich um 14.45 Uhr ein Felssturz im Bereich
des Eiblschrofen oberhalb von Schwaz. Mehrere tausend Kubikmeter Felsmaterial
stürzten in die Tiefe und rissen zwei Schneisen in den Wald. Seither kommt es zu
weiteren Abgängen. Mehrere hundert Menschen des Ortsteils Ried mußten evakuiert
werden.
Dieser Felssturz ist nicht der erste dieser Art. Der letzte größere Vorfall ereignete sich im
Jahre 1993. Dies warf damals schon die Frage auf, ob zwischen dem Dolomitabbau und
dem Pingenfall ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Diese Frage wurde in einem
Gutachten der Landesbaudirektion des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung
Wasserwirtschaft, Landesgeologie vom 23.12.1994, Zl VIh - 736/900/85 wie folgt
beantwortet:
„Die zusammenfassende Schlußfolgerung des Gutachtens ist also so zu formulieren,
daß der Pingenfall am Zintberg oberhalb Schwaz eindeutig durch den Verbruch des
Abbaues I, ausgehend von dessen Firste, verursacht wurde. Als Grund für das Ereignis
des Pingenfalles kann daher weder eine obertägige Hangrutschung noch ein
tektonisches Geschehen (wie Erdbeben) noch eine sonstige Ursache (wie z.B. Einsturz
alter Erzabbaue) verantwortlich gemacht werden. Daraus folgt, daß die Montanwerke
Brixlegg als Betreiber des Bergbaues Falkenstein auf Grund der Fehleinschätzung
mehrerer gravierender Faktoren wie Geologie, Strukturgeologie, Felsmechanik,
montanhistorische Aspekte (alte Bergbaue) als Verursacher dieses
Katastrophenereignisses bezeichnet werden müssen.“
Das Gutachten weist auf folgende Fehler hin:
1. Die Abbaukessel für den Dolomit seien zu groß dimensioniert worden, es wurde
also zu wenig bergfestes Gestein stehengelassen.
2. Der Abbau wurde zu nah an den "inkompetenten Porphyroidschiefer"
herangeführt, wodurch eine „felsmechanische Schwachstelle" geschaffen worden
sei.
3. Der Abbau I erreichte in seinem Endzustand die Nähe von tektonisch erstrangigen
Großstörungen
(Stollenwandstörung und Sandwechselstörung).
4. Es seien auch die aus dem Erzabbau bestehenden Hohlräume zu wenig
berücksichtigt worden.
Der Verbruch am 2.5.1993 sei eindeutig von der Firste des Abbaues ausgegangen.
Zum Schutz von Menschen und Sachen ist die Rohstoffgewinnung unter
Genehmigungsvorbehalt der Bergbehörden gestellt und sind auch zur Kontrolle des
laufenden Betriebs Handhaben geschaffen. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern die
Bergbehörden in Zusammenhang mit dem aktuellen Dolomitabbau oberhalb von
Schwaz ihren gesetzlichen Pflichten nachgekommen sind. Angesichts der Zuständigkeit
der Bergbehörden auch für stillgelegte Bergbaue, solange nur ein Bergschaden eintreten
könnte, ist diese Frage jedoch auch für ältere Abbauten zu stellen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Zuständigkeit der Berghauptmannschaft Innsbruck für den Dolomitabbau der
Montanwerke Brixlegg
a) Angesichts der Tatsachen, daß einerseits der Dolomit - zumindest bis zum
MinroG - nur dann zu den grundeigenen Stoffen gezählt wurde, „soweit er
sich zur Herstellung feuerfester Erzeugnisse eignet“ und andererseits das
Schwazer Material nachweislich für den Straßenbau zum Einsatz kam, stellt
sich folgende Frage: Aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung lag der
zumindest ab 1957 ausschließliche Dolomitabbau in der Zuständigkeit der
Bergbehörden?
b) Wie wurde die besondere Eignung des Dolomit nachgewiesen bzw. die
Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde wegen Vorliegen eines der
Gewerbeordnung unterstehenden Massenrohstoffs ausgeschlossen?
c) Welche Rolle spielt die Untertägigkeit des Abbaus im Sinne des Berggesetzes
bzw. des MinroG für die Beurteilung der Zuständigkeit?
d) Unter welches Regime des geltenden Mineralrohstoffgesetzes fällt der
Dolomitabbau jetzt unter Beachtung der Überleitungsbestimmungen, welche
Behörde ist bis zum Jahresende 2000 für die Kontrolle des Dolomitabbaues
zuständig?
2. Bergbehördliche Genehmigungen für Dolomitabbau am Eiblschrofen
a) Aufgrund welcher bergbehördlicher Genehmigungen erfolgt/e der
Dolomitabbau ab 1957 am Eiblschrofen?
b) Lagen zum Zeitpunkt des ersten großen Verbruchereignisses Mitte der 80er
Jahre, bei dem 50.000 Tonnen Dolomitgestein abbrachen, bereits
bergbehördliche Genehmigungen für den Abbau vor und inwiefern deckten
sich diese Genehmigungen mit dem tatsächlichen Abbau, dessen
Vermessung in Folge des Verbruchereignisses Mitte der 80er - Jahre von der
Bergbehörde angeordnet wurde?
c) Welchen Durchmesser durften die „Abbaukessel" gemäß den Auflagen der
Berghauptmannschaft haben und war die Ausweitung des Durchmessers von
30 m auf später 80 m erlaubt?
d) War die Ausweitung des Kessels „Hohe Alm" gegen Südwesten und
schließlich die Vereinigung der Kessel „Hohe Alm" und „Hoher Ort“, was zu
einer Abbaufläche von 160 m Länge und 80 m Breite führte, von der
Bergbehörde genehmigt worden?
e) Inwiefern wurden bei den bergbehördlichen Genehmigungen die schon
bestehenden Hohlräume aus dem alten Erzbergbau berücksichtigt?
f) Wurde nach dem Pingenfall vom Jahre 1993 eine Ausweitung des Abbaus
beantragt und von der Bergbehörde genehmigt?
g) Wurden bei der vollständigen Befahrung des Dolomitbergbaus Schwaz am
25.3.1998 (siehe Anfragebeantwortung des BMwA zu 5014/J vom
25.11.1998) konsenslose Abbaue entdeckt und welchen Umfang hatten
diese?
h) Entspricht das Bergbaukartenwerk des Dolomitbergbaus Schwaz den
tatsächlichen Verhältnissen?
i) Welche Maßnahmen wurden von der Bergbaubehörde gegen konsenslose
bzw. konsenswidrige Abbaue gesetzt?
3. Bergbehördliche Veranlassungen aufgrund des Pingenfalls vom 2.5.1993 und der
Geologischen Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung vom
23.12.1994
Durch den Pingenfall am 2.5.1993 ist ein Bergschaden eingetreten, der laut
Stellungnahme vom Dolomitabbau verursacht worden ist. Die Stellungnahme
nennt auch konkrete Fehlerquellen und spricht davon, „daß die
Gebirgsverhältnisse oberhalb des Abbaues II als unterhalb der
Dolomitgesteinswand des Eibischrofens den Zustand der Stabilität bzw.
Standfestigkeit längst verlassen haben, was Grund zu größter Sorge sein muß.“
a) Welche Untersuchungen hat die Bergbehörde veranlaßt, um
aa) einen Zusammenhang zwischen dem Pingenfall und dem
Dolomitabbau auszuschließen, bzw
bb) der in der Stellungnahme der landesgeologischen Abteilung vom
23.12.1994 aufgestellten Kausalität zwischen Dolomitabbau und
Bergschadensfall am 2.5.1993 nachzugehen?
b) Lag der Bergbehörde im Jahre 1994 bzw später ein Gutachten vor, das auf
gleichem fachlichen Niveau und von objektiver Seite (Amtsgutachten oder
amtlich bestelltes Gutachten) einen Zusammenhang zwischen Pingenfall und
Dolomitabbau ausschloß? Ist dieses Gutachten für die betroffene
Bevölkerung zugänglich?
c) Falls das landesgeologische Gutachten nicht auf gleicher Ebene entkräftet
werden konnte, warum sind Maßnahmen zur Minimierung der Risken
weiterer Felsstürze unterblieben?
d) Welche Sachverständigengutachten belegten die Sicherheit des weiteren
Abbaus nach 1993 im Rahmen von Genehmigungsverfahren, inwiefern
gingen diese Gutachten auf den Pingenfall 1993 ein? Sind diese Gutachten
für die betroffene Bevölkerung zugänglich?
4. Zuständigkeit der Bergbehörde für stillgelegte Bergbauten
Gemäß § 197 BergG und jetzt § 173 MinroG endet die Zuständigkeit der
Bergbehörden, wenn mit Bergschäden nicht mehr zu rechnen ist. Der Eiblschrofen
wird seit Jahrhunderten intensiv genutzt. Die Gewinnung von Silber und Fahlerz
hat zahlreiche Hohlräume hinterlassen, sodaß Bergschäden nicht ausgeschlossen
werden können. Es ist daher die gesetzliche Pflicht der Bergbehörde, die aus den
stillgelegten Bergbauten entstehenden Risken zu minimieren.
a) Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um das Risiko aus den stillgelegten
Bergbauten am Eiblschrofen einschätzen zu können?
b) Wann wurde der Fahlerzabbau offiziell eingestellt und welche
Sicherheitsmaßnahmen wurden damals von der Bergbehörde verfügt?
c) Wenn keine Sicherheitsmaßnahmen verfügt wurden, welches Amtsgutachten
wies die Gefahrlosigkeit des stillgelegten Bergbaus aus?
5. Maßnahmen nach dem jüngsten Felssturz
a) Welche Maßnahmen von seiten der Bundesregierung wurden bzw. werden
gesetzt, um die unmittelbare Gefahr am Eibelschrofen zu bewältigen ?
b) Welche Überlegungen hat die Bergbehörde, um das Risiko einer zukünftigen
Katastrophe in Schwaz zu minimieren?
c) Welche Sofortmaßnahmen für die evakuierte Bevölkerung und für die
stillgelegten Betriebe (130 Arbeitsplätze derzeit stillgelegt) sind vom
Ministerium geplant?
d) Gibt es bereits finanzielle Hilfeleistungen für die Betroffenen?
e) Inwieweit wird die Stadtgemeinde Schwaz mit Bgm. Lintner beim
Katastrophenplan von seiten des Ministeriums unterstützt?
f) Sind die Aussagen von Bundesminister Farnleitner bei der Pressekonferenz
am 13. Juli 1999 („Der Felssturz ist ein Naturereignis.“) durch schriftliche
Sachverständigengutachten belegt und für wen sind diese Gutachten
zugänglich?
6. Bergbehördliche Förderungen
a) Welche Bergbaufördermittel wurden in den letzten 15 Jahren für den
Dolomitabbau der Montanwerke Brixlegg zugesprochen (Bitte führen Sie die
Höhe der Fördermittel für jedes Jahr getrennt an.)
b) Für welchen Zweck wurden Fördermittel zugesprochen? Welche
Bedingungen waren an die Mittelvergabe geknüpft?
c) Wurde die ordnungsgemäße Verwendung der Fördermittel durch die
Montanwerke Brixlegg überprüft? Wenn ja, durch wen? Wenn nein, warum
nicht?