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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Anna Huber

und Genossen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch das Pestizid "Benlate"

 

 

 

Am 7. Juni verurteilte ein Gericht in Miami (USA) den Chemiekonzern DuPont zu einer Schadenersatzzahlung von umgerechnet rund 40 Millionen Schilling.  Das Gericht sah es für erwiesen an, daß das von DuPont hergestellte Pestizid "Benlate" zu Fehlbildungen der Augen führt. (Siehe auch beigelegten Artikel aus "profil" Nr.26/96). Dieses Mittel ist auch in Österreich am Markt und ist als "mindergiftig" eingestuft.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz daher nachstehende

 

 

 

 

Anfrage:

 

1.)     Wie hoch ist der jährliche Verbrauch an "Benlate" in Österreich ?

 

2.)     Ist eine Überprüfung von "Benlate" durch das Bundesministerium für Gesundheit

hinsichtlich möglicher Schädigungen der Gesundheit angesichts der neuen Erkenntnisse in den USA geplant ?

 

3.)     Ist daran gedacht, "Benlate" in Österreich zu verbieten ?

 

4.)     Halten Sie "Benlate" zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissenstand für

gesundheitlich völlig unbedenklich ?

 

Das schöne Wetter des frühen Novem­bertages nutzte die werdende Mutter aus South Dade County in Florida für einen langen Spaziergang.  Als sie die feinen Trö . pfchen auf ihrem Gesicht, den Armen und Beinen spürte, dachte Donna Castillo zunächst an einen Regenschauer.  Dann erst bemerkte sie den Traktor auf dem To­matenfeld - und den gewaltigen Sprüh­nebel dahinter, aus dem der \Wind einen leichten Schleier zu ihr herübergeweht hatte.  Die Frau, damals gerade in

der sechsten Schwanger­schaftswoche, ging verär­gert weiter.

Als sie acht Monate spä­ter im Kreißsaal den ersten Schrei ihres Sohnes hörte, bemerkte Donna Castillo auch die bestürzten Blicke der Ärzte.  Gleich darauf brauchte die Mutter keine Erklärungen mehr - JOHN kam ohne Augen zur Weit.

Ende Mai dieses Jahres saß der inzwischen Sechs­jährige drei Wochen lang im Zuschauerraum eines Gerichtssaales in Miami.  Wenn ihn die Monologe der diversen Zeugen allzusehr langweilten, lasen ihm seine-Eltern abwechselnd aus mitgebrachten Büchern vor.

 

 

Als die Richterin Amy Steele Dotiner am 7. Juni das Urteil verkündete, hörte aber auch John Castilio aufmerksam zu: Der weltweit präsente Pflanzenschutzmittelhersteller Du­Pont, so entschied die Jury, müsse dem jun­gen umgerechnet 40 Millionen Schilling an Schadenersatz zahlen, weil das von- ihm hergestellte Pestizid "Benlate" seine Behin­derung verursacht hätte.  "Das ist das erste Mal", jubelt der von der Familie engagier ' te Staranwalt James L. Ferraro, daß ein Zu­sammenhang zwischen Pestiziden und Fehl­bildungen nachgewiesen werden konnte."

Donna und ihr Mann Juan hatten viele Jahre ergebnislos über die Ursache für die von Medizinern Anophthalmie genannte Krankheit ihres Sohnes gerätselt.  Bis ein englischer Journalist, der mehr als ein Dut­zend ähnlicher Fälle in Großbritannien re­cherchiert hatte, von der Mutter erfahren wollte, ob sie während der Schwangerschaft mit diesem Pflanzenschutzmittel in Kontakt gekommen war.- - Umwelt

 

Bei einer Wiederholung der Untersuchung produzierten die DuPont-Tester zwar wie­der Ratten mit deformieren Augen.  Aber da, hält DuPont-Sprecher Thomas entge­gen, waren die Mengen unverhältnismäßig groß.  Ein Mensch müßte dementsprechend mehrere Galionen des Mittels trinken."

In diesem verwirrenden Stadium des Pro­zesses präsentierte Anwalt Fertaro seinen Hauptzeugen.  Vyvyan Hoivard, Experte für fötale Pathologie an der Uni-Klinik von Liverpool, referierte das Ergebnis von Tests, bei denen Gehirnzellen von Mäusen und menschlichen Embryonen dem Mittel aus­gesetzt wurden: "Die Zellen konnten die lebenswichtigen Verbindungen zu den Nach­barzellen nicht mehr her­stellen und starben ab", er­klärt Howard gegenüber profil.  Die Menge, die Castillo Donna über die Haut aufgenommen hat, "dürfte bei weitem ausgereicht ha­ben, um John im Mutterleib zu schädigen".  Versuche im Reagenzglas, argumentiert dagegen der britische Benlate von DuPoilt, Mike Upstone, "sind nicht auf den Menschen über­tragbar".  Der Konzern will das Urteil von Miami nun in der nächsten Instanz Z bekämpfen.  Gleichzeitig

%vollen freilich mehr als 50 Opfer aus Großbritannien

3     Castillos Beispiel folgen

Pont klagen  und ebenfalls vor Gericht ziehen.  Der erste Fall wird

Andrew Boume vs. DuPont heißen.  Der Neunjährige aus Essex kam ebenfalls ohne Augen zur @t.  Seine Mutter Klaggie hatte %vährend der Schwangerschaft Erdbeeren im Garten mit Benlate behandelt.

Die österreichischen Behörden lassen sich durch den \Virbel um den Bentate-Prozers nicht aus der Ruhe bringen.  "\Vir sind kei­nesfalls an das Urteil gebunden", will der zuständige Beamte im Gestindheitsniiiiiste­rium, Edmund Plattner, erst den weiteren Gang der Dinge abwarten.  "Auch ainerika­nische Gerichte sind fehlbar."

In Österreich, so das Stitistische Zentral­amt, ist 1992 und 1993 je ein Kind ohne Augen zur Wclt gekommen.  Ober die mög­lichen Ursachen schweigt die Statistik.  Der Umweitmediziner Klaus Rhomberg meint dazu: Sclion Contergan hat gezeigt, dar Tausende Fälle nonvendig sein können, bis endlich reagiert wird." in