35/JPR XX.GP

 

der Abgeordneten Helmut Peter und PartnerInnen

an den Präsidenten des Nationalrates

betreffend qualifizierte begleitende Begutachtung des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses

Die Komplexität der zu regelnden Materien stellt die Gesetzgebung vor eine große

Herausforderung. In vielen Fällen wird dabei nicht nur die Grenze zwischen notwendigem

Regelungsbedarf und unnötiger bürokratischer Überregulierung überschritten, sondern es leidet

auch die legistische und sprachliche Qualität der Gesetze. Vom Verfassungsgerichtshof wird am

stärksten im sogenannten "Denksporterkenntnis” - die immer bürgerferner und undurchsichtiger

werdende Rechtsetzung angesprochen. Auch im Rahmen des kürzlich im Parlament

stattgefundenen Symposions "Rechtspolitische Perspektiven für das 21. Jahrhundert" wurden die

sprachlichen und legistischen Defizite der Normsetzung aus jüngster Zeit anhand vieler Beispiele

belegt. Unterstrichen wurde dabei, daß dies letztendlich auch den Zugang zum Recht schmälert.

Soll daher die parlamentarische Rechtsetzung nicht an Akzeptanz und Legitimität verlieren, bedarf

es einer Antwort auf die neuen Herausforderungen an das Parlament, welche durch den EU - Beitritt

und durch eine immer feinmaschigere, verfassungsgerichtliche Normenkontrolle stark gestiegen

sind.

Um die Qualität und Kompatibilität der zu erarbeitenden Rechtsnormen sicherzustellen, sollten alle

Gesetzesentwürfe vor Beschlußfassung noch einmal eingehend auf ihre EU -  und

Verfassungskonformität sowie auf die Auswirkungen auf den verbliebenen Normbestand in einem

Gesetz überprüft werden. Zu diesem Zweck sollte der Prozeß der Gesetzgebung von einer

fachlichen Unterstützung durch Verfassungs -, Gemeinschaftsrechts - und SprachexpertInnen

begleitet werden.

Nachdem der Parlamentsdienst in seiner derzeitigen Form und Ausstattung mit personellen und

fachlichen Ressourcen diesen Aufgaben nicht entsprechen kann, wäre es erforderlich, entweder eine

"qualifizierte, begleitende Begutachtung” des Gesetzwerdungsprozesses durch externe ExpertInnen

vornehmen zu lassen oder den Legislativdienst der Parlamentsdirektion in Richtung eines

Verfassungs - und Sprachprüfungsdienstes auszubauen. Die beschlußreifen Gesetzesentwürfe sollten

- ohne rechtspolitischen inhaltlichen Änderungsauftrag, der selbstverständlich nur dem Parlament

selbst zukommt - auf ihre sprachliche Verständlichkeit und Konsistenz sowie auf die Kompatibilität

mit höherrangigem Recht und völkerrechtlichen Vorgaben untersucht werden. Damit könnten

neben dem ausgebauten Legislativ - und Verfassungsdienst der Parlamentsdirektion auch die

juridischen, politik - und geisteswissenschaftlichen Universitätsinstitute betraut werden. Wenn es

die Materie erfordert, sollten auch andere Einrichtungen oder Einzelpersonen mit entsprechender

Qualifikation beauftragt werden können.

Beispiele für den Versuch einer bürgerfreundlichen und verständlichen Gesetzgebung gibt es

bereits in den USA, wo die leserfreundliche Formulierung von Gesetzen bereits in der Praxis

angewendet wird.

Im Interesse einer besseren und schlankeren Regulierung sollten auch bereits in Kraft befindliche

Gesetze in den Ausschüssen regelmäßig auf ihre Erforderlichkeit, Sachgerechtigkeit und legistische

Qualität hin kontrolliert werden. Diese Kontrolle könnte im Rahmen einer “Revision” nach

Schweizer Vorbild stattfinden, in deren Rahmen die einzelnen Bundesgesetze zu durchforsten, zu

entlasten und auf dem letzen Stand wieder zu verlautbaren bzw. obsolete Bestimmungen

aufzuheben sind.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Präsidenten des Nationalrates nachstehende

Anfrage

1. Werden Sie sich zum Zweck einer unabhängigen qualifizierten und begleitenden Begutachtung

des Gesetzwerdungsprozesses

a. für den Ausbau des Legislativdienstes der Parlamentsdirektion zu einem Verfassungs - und

Sprachdienst und/oder

b. für die Schaffung einer Rechtsgrundlage für den Abschluß von Werkverträgen zwischen dem

Parlament einerseits und externen (universitären)ExpertInnen andererseits einsetzen?

2. Wenn nein, welche Gründe, außer budgetären, liegen für Ihre Ablehnung dieses Anliegens vor?