Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 119. Sitzung / 82

Jetzt sagt man: Man hat schon damals die verfassungsändernden Teile nicht bezeichnet, daher könne man dies jetzt gar nicht tun. Aber es waren sämtliche Oppositionsfraktionen bereit, über einen verfassungskonformen Weg nachzudenken, auf dem wir ohne dieses sogenannte "Ermächtigungsgesetz" dem Willen der Mehrheit - wie auch immer sich dieser herausstellen wird -, dem Willen einer Zweidrittelmehrheit Rechnung tragen können. Es ist unbestritten, daß das zu geschehen hat.

Meine Einschätzung, daß dieses Verfahren gefährlich sein kann, gründet sich vor allem auf folgende Überlegung. Ohne Zweifel sind 1994 die Bauprinzipien dieser demokratischen Republik Österreich - basierend auf einem Votum des Souveräns - verändert worden. In welcher Art und Weise sie verändert worden sind, ist jetzt schwer feststellbar, da der Kanon des österreichischen Verfassungsrechts - des Verfassungsrechts sui generis, wie Sie es im Ausschuß genannt haben - nicht mehr bezeichnet und daher auch nicht mehr eingrenzbar ist.

Jetzt frage ich Sie: Wo wäre der Punkt gegeben, ab dem wir wieder von einer Gesamtänderung der Verfassung reden müßten? Wie weit könnte ein weiterer grundlegender Vertrag auf Unionsebene überhaupt zu der Einschätzung führen, daß es sich um eine Gesamtänderung handelt, wenn wir den Bestand des Verfassungsrechts - dieses mir nicht näher bekannten Verfassungsrechts sui generis - und der einfachgesetzlichen Rechtslage nicht mehr feststellen können? Ist jede weitere Änderung des demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzips eine Gesamtänderung? Welche Änderung ist es nicht? - Ich denke, gerade bei der Verfassungsgeschichte dieses Landes müssen wir darauf bestehen, in diesen Fragen sorgfältig zu sein. Und diese Sorgfalt vermisse ich! Grundlos, wie gesagt, denn wir hätten einen anderen Weg gehen können.

Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt: Einigermaßen verärgert war ich über das Vorblatt zum Gesetz. Denn wenn uns darin wortwörtlich mitgeteilt wird: "Alternativen: Keine", dann muß ich sagen, das stimmt nicht! Es war bereits in der Präsidiale - basierend auf einer Information des Präsidenten - sehr wohl von mehreren Alternativen die Rede. Diese hat man offenbar politisch nicht gewollt. Aber zu schreiben, daß es keine Alternativen gegeben hätte, ist falsch. Ich wünsche eigentlich nicht, daß von Regierungsseite derart falsche Informationen an das Parlament weitergeleitet werden.

Auch in bezug auf die Kosten steht in diesem Vorblatt: "Kosten: Keine." - Das ist ebenfalls falsch. Denn selbst, wenn es dabei nur um die verfassungsmäßige Grundlage geht, ist festzuhalten, daß jeder gesetzgeberische Akt selbstverständlich Kosten im Sinne der Kostenrechnungsrichtlinien des Bundes verursacht.

Sie sollten sich diese Richtlinien bessern anschauen! Denn ich finde, es ist ein starkes Stück, daß das Parlament immer wieder die Einhaltung des Bundeshaushaltsrechts moniert und auf § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes hinweist, man sich in der Praxis um diese Regelung jedoch offenbar überhaupt nicht kümmert.

Aus diesen drei Gründen können wir dem vorliegenden Regierungsentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

23.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt jetzt noch eine Wortmeldung der Frau Abgeordneten Dr. Gredler vor. 7 Minuten Redezeitbegrenzung. - Bitte.

23.31

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mir die Freiheit herausnehmen und - wie Herr Ex-Außenminister Mock - über den Inhalt des Vertrages sprechen.

Zunächst zitiere ich Frau Ursula Stenzel, die gesagt hat: "Ein Berg hat gekreißt, und eine Maus wurde geboren." - Wie recht sie hat! Wir alle sind enttäuscht über die Amsterdamer Ergebnisse. Wir alle haben uns mehr erwartet, und einige Reformen vermissen wir sehr.


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