202/A XXI.GP
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Abschaffung der §§ 188 und 248 StGB - Herabwürdigung religiöser
Lehren sowie des Staates und seiner Symbole
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) BGBl 60/1974 idF BGBl 1
153/1998 geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) BGBl 60/1974 idF BGBl 1
153/1998 geändert wird
Artikel I
1. § 188 (Herabwürdigung religiöser Lehren) entfällt.
2. § 248 (Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole) entfällt.
Artikel II
Inkrafttreten
Dieses Bundesgesetz tritt mit 1.1.2001 in Kraft
Begründung:
1. Geschütztes Rechtsgut der Strafbestimmung des § 188 StGB ist der religiöse
Friede. „Angriffsobjekte" sind Personen, Sachen, Glaubenslehren, Bräuche und
Einrichtungen von Kirchen und Religionsgesellschaften.
Anders als bei § 189 StGB (Störung einer Religionsausübung) geht es bei § 188 um
die Verletzung des religiösen Gefühls durch Herabwürdigung religiöser Lehren.
Damit macht sich der Staat zum Hüter der Lehren der in Österreich anerkannten
Religionsgemeinschaften. Derartige Überbleibsl des Sekulärstaates Österreichs
sollten wir so rasch wie möglich
beseitigen.
Diese Bestimmung räumt anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften einen
höheren (strafrechtlichen) Schutz ein, als allen anderen Weltanschauungen.
Davon abgesehen müssen Strafbestimmungen aufgrund des Rechtsstaatsprinzipes
der Bundesverfassung in Verbindung mit der Europäischen
Menschenrechtskonvention einen erhöhten Bestimmtheitsgrad aufweisen (Art 18 B -
VG iVm Art 7 EMRK). Das Rechtsstaatsprinzip verlangt vom Gesetzgeber, daß er
klar und deutlich zum Ausdruck bringt, wann jemand mit einer strafrechtlichen
Verurteilung zu rechnen hat. Es muß für den einzelnen klar vorhersehbar sein, ob
er/sie für ein bestimmtes Verhalten möglicherweise vom Strafgericht verurteilt wird
oder nicht. Was ist „das religiöse Gefühl“, daß verletzt sein muß? Muß das
berechtigte Ärgernis bei allen Angehörigen des Bekenntnisses erregt worden sein
oder genügt es, wenn bei einigen wenigen die religiösen Gefühle verletzt wurden?
Wie ist es zu beurteilen, wenn der Täter dem Bekenntnis, dessen Glaubenslehre er
verletzt hat, selbst angehört? Diese Fragen zeigen auf, daß die gegenständliche
Strafrechtsbestimmung im Sinne der Judikatur des zu Art 18 B -VG iVm mit Art 7
EMRK verfassungsrechtlich bedenklich ist.
Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte des Bekenntnisses sind
ausgeschlossen (Art 7 B -VG). Warum gewährt der Gesetzgeber eines sekulären
Staates religiösen Lehren anerkannter Religionsgemeinschaften erhöhten
strafrechtlichen Schutz als anderen?
Das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit darf zwar in gewissem Rahmen
gesetzlich eingeschränkt werden, jedoch nur zu bestimmten Zwecken. Eine
gesetzliche Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit wird zB vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nur dann für notwendig erachtet,
wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht. Gibt es in Österreich
wirklich ein dringendes soziales Bedürfnis, die Meinungsäußerungsfreiheit unter
Hinweis auf Herabwürdigung religiöser Lehren zu beschränken?
Der Verfassungsgerichtshof fordert eine restriktive Handhabung von
Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit und stellt fest, daß eine
demokratische Gesellschaft oft bestimmte Handlungen hinnehmen kann, ohne daß
die öffentliche Ordnung und Moral Schaden erleidet. Es steht wohl außer Zweifel,
daß (die Streichung des § 188 StGB) die demokratische Gesellschaft in Österreich
ohne Schaden überleben würde.
§ 188 StGB schränkt darüber hinaus auch den künstlerischen Freiraum
unverhältnismäßig ein, obwohl der Verfassungsgesetzgeber bei Einführung des
Grundrechtes auf Freiheit der Kunst jenen erweitern wollte. Aus den Erläuterungen
sowie der parlamentarischen Behandlung zu Art 17a StGG läßt sich folgende
Intention des Verfassungsgesetzgebers klar erkennen: Es sollte mit dieser
Bestimmung eine Garantie des freien künstlerischen Schaffens für alle Formen der
Kunst geschaffen werden. Diese Bestimmung bedeutet eine Absage an jegliche
Form staatlichen Kunstrichtertums sowie auch ein Schutz jener Manifestationen
künstlerischen Schaffens, die nicht allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz
genießen, sondern entgegen den Geschmack der Mehrheit neue Dimensionen
künstlerischer Ausdrucksweise in die
Kunstlandschaft einbringen wollen.
2. Laut erläuternden Bemerkungen zur Bestimmung des § 248 StGB
(Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole) wird der Anspruch des Staates
auf allgemeine Achtung durch seine Herabwürdigung und die seiner Symbole
verletzt. Strafbar sind Herabwürdigungen, die einer breiten Öffentlichkeit bekannt
werden und die in gehässiger Weise vor sich gehen.
Abs 2 sieht die Bestrafung der Herabwürdigung österreichischer Symbole vor. Auch
hier ist die Begehung auf gehässige Weise Voraussetzung der strafbaren Handlung.
Die Debatten in den letzten Tagen haben gezeigt, dass insbesondere Vertreter der
Regierungsparteien, das politische Interesse haben, kritische oppositionelle
PolitikerInnen mittels dieser Strafbestimmung mundtot zu machen.
Derartige Straftatbestände sind üblicherweise Bestandteil autoritärer
Regierungssysteme, einer demokratischen Republik aber nicht würdig. Die
Bestimmung sollte daher ersatzlos gestrichen werden. Das Ansehen eines Staates
kann man nicht durch Strafbestimmungen sondern nur durch verantwortungsvolles
demokratiepolitisches Handeln schützen.
In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den
Justizausschuss vorgeschlagen.