335/A XXI.GP

Eingelangt am: 30.11.2000

 

 

Antrag

 

der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Grabner, Ing. Gartlehner

und GenossInnen

betreffend Änderung des Forstgesetzes sowie der Straßenverkehrsordnung

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch das

BGBl. Nr. 419/1996, sowie die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt

geändert durch das BGBl. I Nr. 134/1999, geändert werden

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

1. Das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr.

     419/1996, wird wie folgt geändert:

 

1. § 33 Abs 1 lautet:

 

      „(1) Jedermann darf unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 und des § 34

Wald zu Erholungszwecken betreten, sich dort aufhalten und Forststraßen mit einer

Mindestbreite von 1,5 Metern mit dem Fahrrad befahren.“

 

 

2. § 174 Abs. 1 lit. b Z 4 lautet:

 

      „4. das gemäß § 33 Abs. 1 und 4 vorgesehene Befahren von Forststraßen nicht

duldet;“

 

3. In § 176 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

 

„Auf Forststraßen, die nur gemäß § 33 Absatz 1 zur allgemeinen Benützung durch Radfahrer

gekennzeichnet sind und nicht als Naturradwege (§ 2 Absatz 1 Z 11 c StVO) gelten, treffen

den Forststraßenerhalter gegenüber Radfahrern keine umfangreicheren Erhaltungs -  und

Betreuungspflichten und keine umfangreichere Haftung als gegenüber Fußgängern.“


 

II. Die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch das

      BGBl. I Nr.134/1999, wird wie folgt geändert:

 

1.   § 1 Abs. 2 lautet:

 

      „(2) Auf Forststraßen (§ 59 Absatz 2 des Forstgesetzes), die als Straßen mit

öffentlichem Verkehr gelten, kommen nur die Vorschrifien des I. und II. Abschnittes dieses

Bundesgesetzes zur Anwendung. Dies gilt nicht, wenn Forststraßen Naturradwege im Sinne

des § 2 sind.“

 

2. § 1 Abs. 2 (alt) erhält die Bezeichnung Abs. 3 (neu).

 

3. In § 2 Abs. 1 wird folgende Ziffer 1 lc eingefügt:

 

     „1 l c.  N a t u r r a d w e g: ein Privatweg, der wegen einer rechtsgeschäftlichen

Willenserklärung und gesonderter Kennzeichnung auf Grund anderer Rechtsvorschriften

neben privatem und allgemeinem Fußgängerverkehr sowie privatem Fahrzeugverkehr auch

für den allgemeinen Falrrradverkehr bestimmt ist;“

 

4. In § 8 wird folgender Abs. 4a eingefügt:

 

          "(4a) Auf Forststraßen haben sich Radfahrer so zu verhalten, dass andere

Verkehrsteilnehmer weder gefährdet noch behindert werden. Bei der Begegnung mit

Fußgängern haben sie ihre Geschwindigkeit dem Fußgängerverkehr anzupassen.“

 

III. Dieses Bundesgesetz tritt mit ...... Kraft.

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Sportausschuss

Erläuterungen:

 

1. Allgemeines

 

Die Abgeordneten Dr. Kräuter, Grabner, Ing. Gartlehner haben sowohl in der XIX. als auch in

der XX. Gesetzgebungsperiode diesbezügliche Anträge eingebracht, deren Beschlussfassung

von Seiten der ÖVP verhindert wurde. Nunmehr wurde neuerlich in der XXI.

Gesetzgebungsperiode der Antrag 134/A eingebracht, der die Öffnung von Forststraßen mit

einer Mindestbreite von 1,5 m für Radfahrer vorsieht.

 

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

 

Seit Entwicklung des Skilaufs ist das Radfahren mit Sicherheit die großte Sportbewegung

Österreichs. Mindestens drei Millionen Österreicher benützen regelmaßig dieses Sportgerät.

Mehr als 1 Million Radfahrer besitzt ein Mountain - Bike, wovon wiederum rund 50% dieses

auch auf Forststraßen benützen wollen. Bei der derzeitigen Gesetzeslage ist die Benützung

nur auf wenigen Strecken erlaubt - weit mehr als hunderttausend Kilometer an Fortsstraßen

dürfen von Freizeitradlern nicht befahren werden.

 

Das defacto herrschende Mountain - Bike - Verbot stellt aber auch die österreichische

Tourismuswirtschaft vor ein ernstes Problem. Im Gegensatz zu Österreich ist die Benützung

von Forststraßen nämlich in Bayern, der Schweiz, Südtirol, Italien, Frankreich und

Liechtenstein grundsätzlich erlaubt. Da Österreich mit den genannten Ländern in einem

touristischen Wettbewerb steht, soll dieser Nachteil beseitigt werden.

 

Der vorliegende Initiativantrag soll lediglich ermöglichen, daß sich das Parlament mit

diesem

Thema befaßt. In den Ausschußberatungen wird nicht nur zu beraten sein, inwieweit das

Befahren von Forststraßen mit Fahrrädern ermöglicht werden soll, sondern auch, welche

begleitenden Maßnahmen insbesondere im Bereich des Zivilrechts notwendig sind, etwa

betreffend die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB und eine allfällige Gefährdungshaf -

tung von Mountainbikern gegenüber Fußgängern.

 

 

In einem Hearing am 31. Oktober 2000 wurde der Antrag 134/A umfassend besprochen,

wobei die Mehrheit der geladenen Sachverständigen sich für eine Änderung der strikten

Verbotssituation ausgesprochen hat.

Von Seiten der sozialdemokratischen Abgeordneten wurde für die nächste Sitzung des

Sportausschusses im Dezember 2000 die Einbringung eines Antrages betreffend begleitende

Maßnahmen zur Öffnung der Forststraßen angekündigt; diese Ankündigung wird mit dem

gegenständlichen Antrag umgesetzt.

 

2. Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Änderung des Forstgesetzes

 

a) Grundbemerkung und § 33 Abs 1

 

Die legistischen Vorschläge sollen für den Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter,

Grabner, Ing. Gartlehner und Genossen auf Änderung des § 33 Abs 1 des Forstgesetzes

ergänzende Begleitmaßnahmen darstellen. Der oberste Grundsatz bei der Erstellung dieser

Vorschläge ist ihre rechtliche und politische Umsetzbarkeit. Es wurde vom Gedanken einer

„minimal invasiven Operation“ in Bezug auf die Gesamtrechtsordnung ausgegangen.

 

b) Strafbestimmungen

 

Analog zur Änderung des § 33 Abs 1 sollte auch der Straftatbestand in § 174 Abs 1 lit b z 4

entsprechend erweitert werden, um eine verwaltungsstrafrechtliche Handhabe gegen das

unbefugte Aussperren von Radfahrern zu haben.

Durch eine Änderung der Forstlichen Kennzeichnungsverordnung (zuletzt geändert mit BGBI

II, 1997/67) könnte auch auf diesem Gebiet eine Anpassung durchgeführt werden.

Sichergestellt sollte werden, dass die derzeit aufgestellten Fahrverbotstafeln mit den

Zusatztafeln „Gilt auch für Radfahrer“ durch solche, die dem neuen § 33 Abs 1 konform sind,

ersetzt werden. Gedacht wäre etwa an eine Tafel „Gilt nicht für Radfahrer“ oder

„Ausgenommen: Radfahrer“. Im Gesetzgebungsprozess wäre abzuklären, ob dafür nicht eine

zusätzliche Verordnungsgrundlage etwa in einem neuen § 33 Abs 7 („Wenn die

Unzulässigkeit des Befahrens einer Forststraße gekennzeichnet wird, ist durch eine

Zusatztafel auf die Ausnahme für Radfahrer hinzuweisen. Das Nähere bestimmt der

Bundesminister für Land -  und Forstwirtschaft durch Verordnung“) zu schaffen wäre, da

zweifelhaft ist, ob die derzeitige Verordnungsermächtigung des § 34 Abs 10 das abdecken

kann.

c) Allgemeine Haftungsbestimmungen

 

Es wäre verlockend, eine scheinbar „glatte“ Lösung zu wählen: Mountainbiking auf eigene

Gefahr. Das hätte entweder durch eine Ausdehnung des allgemeinen Haftungsregimes des §

176 Abs 1 („hat selbst auf alle ihm durch den Wald, im besonderen auch durch die

Waldbewirtschaftung drohenden Gefahren zu achten“) auf die Forststraßenbenützung erreicht

werden können oder dadurch, dass man dem § 1319a ABGB einen weiteren Absatz angefügt

hätte, der die Haftung aus dem Verschuldensgrund der groben Fahrlässigkeit auf Forststraßen

ausgeschlossen hätte. Damit hätte man aber eine Ausnahme von der Wegehalterhaftung des §

1319a ABGB geschaffen, die nicht nur einen groben Eingriff in die Einheit der

zivilrechtlichen Haftungsordnung gebracht hätte, sondern auch verfassungsrechtlich (bei einer

Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz) problematisch gewesen wäre. Ein

mindestens ebenso gravierender Nachteil wäre gewesen, dass damit die Rechtsposition der

Wanderer auf Forststraßen gegenüber der derzeitigen Rechtslage enorm verschlechtert

worden wäre.

 

Es wurde daher eine Lösung gewählt, die der derzeitigen Rechtslage, wie sie auf Grund der

Rechtsprechung des OGH besteht, denkbar nahe kommt und keinen gravierenden Eingriff in

das bestehende Rechtssystem bewirkt. Der OGH hat in Auslegung des § 1319a Abs 1 letzter

Satz ABGB judiziert, dass zwar entsprechend dem Gesetzeswortlaut für den mangelhaften

Zustand eines Weges nicht gehaftet werden muß, wenn der Schaden bei einer unerlaubten,

besonders auch widmungswidrigen, Benützung des Weges entstanden ist, dass man sich aber

dennoch dann auf den mangelhaften Zustand des Weges als Anspruchsgrundlage berufen

kann, wenn der Schaden auch bei einer erlaubten, widmungsgemäßen Benützung entstanden

wäre.

 

Der Kern der vorgeschlagenen Lösung ist, dass der Gefahr einer Erweiterung des

Haftungsrisikos für Forststraßenerhalter durch die generelle Öffnung aller Forststraßen mit

einer Mindestbreite von 1,5 m für Radfahrer nicht durch eine Änderung des

Verschuldensgrades (auf bloße Vorsatzhaftung), sondern durch eine gesetzliche Festlegung

des Haftungsumfanges begegnet wurde. Das bedeutet, dass Forststraßenerhalter ihre Straßen

weiterhin nur in so einem Zustand halten müssten, dass Fußgänger nicht gefährdet werden.

Eine darüber hinausgehende Pflicht, auch für die wesentlich schnelleren und möglicherweise

unfallgefährdeteren Radfahrer Vorkehrungen bezüglich des Wegezustandes zu treffen,

bestünde nicht.

Eine besondere Schwierigkeit, die sich heute im Gegensatz zu früheren legistischen

Bemühungen in Sachen Radfahren auf Forststraßen stellt, ist, dass der Tatsache Rechnung

getragen werden muß, dass zur Zeit einige Forststraßen auf Grund einer rechtsgeschäftlichen

Erklärung bereits für die Allgemeinheit freigegeben sind. Für die Benützung dieser Straßen

wird (wenn auch zumeist noch nicht von den Radfahrern selbst) ein Entgelt geleistet.

Unabhängig von der hier nicht zu klärenden Frage, ob allenfalls ein derartiger Vertrag zu

Gunsten Dritter die strenge Vertragshaftung auslösen würde, wäre es ungerecht und

wahrscheinlich auch gleichheitswidrig, hier den Forststraßenerhalter auch von der ohnehin

relativ milden Wegehalterhaftung zu entbinden. Für ,,Naturradwege“ würde daher weiterhin §

1319a ABGB gelten. Dort (Abs 2) ist u.a. normiert, dass die Frage, ob der Zustand eines

Weges mangelhaft ist, sich danach richtet, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner

Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.

 

Änderung der StVO

 

a) Geltungsbereich

 

Ähnliches gilt für die Neuregelung des StVO - Geltungsbereiches. Auch hier würden

,,Naturradwege“ von der „Privilegierung“ einer reduzierten StVO - Geltung ausgenommen. Für

die auf Grund des Gesetzes freigegebenen Forststraßen ist eine „Rumpf - StVO“, die im

Wesentlichen die allgemeinen Fahrregeln umfasst, ausreichend. Das hätte Vorteile für die

Forststraßenerhalter (keine Anbringungs -  und Kostentragungspflicht für Einrichtungen zur

Regelung und Sicherung des Verkehrs, keine Notwendigkeit einer straßenpolizeibehördlichen

Bewilligung zur Benützung der Straße zu verkehrsfremden Zwecken, keine

Kennzeichnungspflicht für Verkehrshindernisse, keine Möglichkeit zur Entfernung von

Verkehrshindernissen durch die Straßenpolizeibehörde, keine Bewilligungspflicht für

Arbeiten auf oder neben der Straße und keine Ausästungspflicht), aber auch für die Radfahrer,

für die auch der VI. Abschnitt (Besondere Vorschriften für den Verkehr mit Fahrrädern und

Motorfahrrädern) nicht gelten würde. Für das Mountainbiking auf ,‚Naturradwegen“, wo ja

die volle StVO gelten würde, wäre zu überlegen, ob nicht auch hier geringere

Ausstattungserfordernisse für die Mountainbiker betreffend die Ausrüstung der Fahrräder

vorgesehen werden könnten. Rechtstechnisch ließe sich das durch die Übernahme von

Mountainbikes in die Rennfahrradverordnung erreichen.

 

Freilich wäre es auch denkbar gewesen, die Forststraßen generell von der StVO

auszunehmen. Auf Grund der Anordnung der subsidiären Geltung durch den derzeitigen § 1

Abs 2 wäre damit ein ähnliches Ergebnis erzielt worden. Diesen Straßen, auf denen

unzweifelhaft „öffentlicher (Fußgänger - )Verkehr“ stattfindet, mit einem Federstrich

willkürlich die StVO - Geltung abzuerkennen, wäre aber wohl ein nicht zu rechtfertigender

Eingriff in die Einheit der Rechtsordnung gewesen. Nur am Rande sei noch darauf

hingewiesen, dass es ein umfassendes Problem der ,‚merkwürdigen“ Geltung der StVO auf

bestimmten Landflächen gibt: Kraft gesetzlicher Anordnung und der Rechtsprechung des

Verwaltungsgerichtshofes gilt die StVO derzeit auf Wegen innerhalb von Parkanlagen ebenso

wie auf hochalpinen Wanderwegen. Es wäre u. U. zu überlegen, hier die Kluft zwischen der

Rechtslage und der Vollziehbarkeit zu schließen.

 

b) Begriffsbestimmungen

 

Die Einführung des „Naturradweges“ in die StVO bietet die gesicherte rechtliche Basis für

gekennzeichnete Mountainbikestrecken im Wald, wie sie zur Zeit auf Grund von

Vereinbarungen mit den Forststraßenerhaltern bereits bestehen. Überdies sollte es damit

ermöglicht werden, dass auch landwirtschaftliche Güterwege in ähnlicher Weise zur

Verfügung gestellt werden können. Für Naturradwege würde die StVO in vollem Umfang

gelten. Eine Kennzeichnung von Mountainbikestrecken sollte aber nur durch „neutrale"

Tafeln oder Tafeln nach der Forstlichen Kennzeichnungsverordnung (BGBl 1976/179 idF

1997/67) erfolgen, nicht jedoch mit der StVO - Tafel "Radweg“, weil § 8 Abs 4 StVO das

Befahren von derart gekennzeichneten Wegen mit anderen Fahrzeugen verbietet (und damit

der forstliche Bringungsverkehr rechtlich verunmöglicht würde). Auf anderen Privatwegen

müßte auf den zulässig bleibenden Fahrzeugverkehr (z.B. zu Bewirtschaftungszwecken oder

Hauszufahrt) vorsichtshalber ausdrücklich hingewiesen werden.

 

c) Fahrordnung auf Straßen mit besonderen Anlagen

 

Der neue Absatz 4a des § 8 StVO würde weitgehend wortgleich dem letzten Satz des § 68

Abs 1 (Verhalten der Radfahrer) bzw. dem § 88a Abs 3 (Rollschuhfahren) der StVO

entnommen und soll für den Nutzungskonflikt mit Fußgängern durch eine klare

Vorrangregelung für Wanderer Vorsorge treffen. Durch diese gesetzliche Regelung könnte

wohl eine gegenseitige Beeinträchtigung der verschiedenen Gruppen von potentiellen

Forststraßenbenützern vermieden werden, wodurch der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen

würde, dass er das Ziel im Auge hat, den Erholungswert des Waldes insgesamt möglichst

hoch zu halten. Dies würde auch der verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Thema ,,§ 33

Forstgesetz und verfassungsrechtlicher Gleichheitssatz“ entgegenkommen.