542/A (E) XXI.GP
Eingelangt am: 21.11.2001
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde
betreffend die Schaffung einer bundeseinheitlichen
Rahmengesetzgebung für
die Sozialhilfe
Nach Art. 12.
Abs. 1 Z 1 B-VG ist das Armenwesen eine Materie, in der an sich die
Gesetzgebung über die Grundsätze Bundessache ist und nur
Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung Landessache sind. Bereits in den
fünfziger und sechziger Jahren legte der Bund Entwürfe zu einem
Grundsatzgesetz
vor, die aber von den Ländern abgelehnt wurden. 1968 erklärte der
Bund seinen
Verzicht, im Bereich des "Armenwesens' gesetzgeberisch tätig zu
werden. Daher
kann derzeit die Landesgesetzgebung diese Angelegenheiten selbst regeln. Diese
Landesgesetzgebung in den einzelnen Bundesländern hat dazu geführt,
dass die
unterschiedlichsten Bestimmungen in den einzelne österreichischen
Ländern zum
Tragen kommen. Einerseits gibt es große Unterschiede in der Höhe der
jeweils
maximalen Sozialhilferichtsätze. So hat beispielsweise der Richtsatz
für
Hauptunterstützte in den einzelnen Bundesländern derzeit eine
Bandbreite zwischen
4.085,- (Salzburg) und 6030,- (Oberösterreich). Dies noch dazu in zwei
angrenzenden Bundesländern. Andererseits gibt es aber auch extrem
unterschiedliche Zugangsbestimmungen (Regress,
Vermögensverwertung,
Zumutbarkeitsbestimmungen)
und Regelungen betreffend Wohnkosten.
Daneben muss
festgestellt werden, dass bundesgesetzliche Regelungen der letzten
Jahre vermehrt dazu geführt haben, den Kreis von Sozialhilfeempfängern
zu
vergrößern. Erwähnt seien hier nur verschlechternde
Bestimmungen im
Arbeitslosenversicherungsbereich, die vermehrt zur Inanspruchnahme von
Sozialhilfe zwingen. Diese Leistungsreduktionen auf Bundesebene führen zu
strukturellen
Defiziten, die derzeit von Ländern, Gemeinden und Familien abgedeckt
werden
müssen.
Des weiteren ist
eine Zunahme von Personen zu konstatieren, die neben einem
Erwerbseinkommen noch zusätzlich auf die Sozialhilfe angewiesen sind. Die
bundesgesetzlichen Maßnahmen, die dazu geführt haben
Kosteneinsparungen des
Bundes teilweise mit Mehrbelastungen der Länder zu kompensieren, die
daraus
resultierenden noch restriktiveren Zugangsbedingungen, die in den einzelnen
Ländern äußerst unterschiedlich gehandhabt werden und nicht zuletzt,
die
bestehenden enormen monetären Unterschiede in einem so kleinen Land wie
Österreich, machen aus unserer Sicht eine Grundsatzgesetzgebung des Bundes
unerlässlich.
Der
Bedarf an einer Bundesgesetzgebung und die Notwendigkeit einer
bundeseinheitlichen Regelung der Sozialhilfe wird in der von der
Bundesregierung in
Auftrag gegebenen rechtswissenschaftlichen Studie "Vergleich der
Sozialhilfesysteme
der österreichischen Bundesländer" (Ao. Univ. Prof. DR. Walter
J. Pfeil, Wien 2001) hinreichend belegt.
Den
Änderungsbedarf im Bereich Sozialhilfe grundsätzlich anerkannt hat
auch
Bundesminister Haupt (etwa gegenüber der APA am 24. September 2001), ohne
jedoch zielführende Vorschläge präsentiert zu haben.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die
Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für soziale Sicherheit
und
Generationen, wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Bundesgesetz, das die
Grundsätze der Sozialhilfe regelt,
vorzulegen.
Ein solches Grundsatzgesetz muss
• den Rechtsanspruch auf Sozialhilfe sichern und erweitern;
• jene Leistungen und deren Umfang
festschreiben, auf die ein unbedingter
Rechtsanspruch bestehen soll;
• sozialpolitisch problematische Niveauunterschiede
in den einzelnen Ländern
verhindern und einheitliche Richtsätze in ausdifferenzierten
Richtsatzkategorien
vorgeben, die als nicht unterschreitbare Mindeststandards definiert sind;
• den zur Deckung des Wohnbedarfs notwendigen
Geldbetrag vom Richtsatz für
Hauptunterstützte entkoppeln und an Hand bundeseinheitlicher Kriterien
nach
regionalen Gesichtspunkten eindeutig festlegbar machen;
• den faktischen Aufenthaltsort einer Person als
Voraussetzung für den Erhalt von
Leistungen aus der Sozialhilfe festlegen;
• in Zusammenhang mit der
Sozialhilfe festgestellten Bedarf jenseits des
Lebensunterhalts erfassen und notwendige Maßnahmen und Richtsätze
zur
Bedarfsdeckung
festlegen (etwa bei Krankheit, Schwangerschaft, Entbindung,...);
• vom AVG abweichende verfahrensrechtliche
Regelungen (etwa hinsichtlich der
Manuduktionspflicht und des Rechtsschutzes) sowie Möglichkeiten zur
Sicherstellung einer leistungsfähigen und serviceorientierten Vollziehung
schaffen
(Fachlichkeitsgebot,
Supervisionsmöglichkeit für Mitarbeiterinnen);
• die verfahrensrechtliche Position
der Hilfesuchenden verbessern und die
Verfahren
beschleunigen;
• den Kreis der
anspruchsberechtigten Personen auf die Wohnbevölkerung mit
anderer als österreichischer Staatsbürgerschaft ausdehnen;
• den Regress auf Körperschaften und
Institutionen beschränken. Regress beim
Hilfeempfänger selbst ist zu streichen (Außer für
Vermögensübertragungen der
letzten
drei Jahre und bei Vermögen aus Erbschaft, soll es keinen Regress auf
Vermögen
von Familienangehörigen geben);
• die Sozialhilfekosten zwischen Bund (im Falle von "sozialhilfebelastender"
Gesetzgebung),
Ländern und Gemeinden gerecht aufteilen und auf diese Weise
die Gemeinden entlasten und sozialen Druck auf Antragstellerinnen verhindern;
• die Zumutbarkeitsbestimmungen für
die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
einheitlich
festlegen;
• die
Zuständigkeit für die Sozialhilfe einer einheitlichen und von den
Gemeinde-
bzw. Bezirksbehörden getrennten Behörde übertragen, um
indirekten sozialen
Druck
auf Antragsstellerinnen auszuschließen und potentiellen
Antragstellerinnen
die Angst vor sozialer Stigmatisierung zu
nehmen.
In
formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für Arbeit
und Soziales
vorgeschlagen
sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei
Monaten verlangt.