1718/AB XXI.GP

Eingelangt am: 09 03 2001

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1789/J betreffend

Europäischer Rat in Nizza - Auswirkungen auf nationale Politik, welche die

Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen am 19. Jänner 2001 an mich

richteten, stelle ich fest:

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Die Grundlage der Österreichischen Position in den Verhandlungen zum Vertrag von

Nizza bildete die von der Bundesregierung am 1.2.2000 beschlossene

Grundsatzposition, die unter der Federführung vom Bundeskanzleramt und

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten mit allen zuständigen

Bundesministerien, den Sozialpartnern, den Ländern, der Österreichischen

Nationalbank, dem Österreichischen Gemeindebund, dem Österreichischen

Städtebund und anderen betroffenen Stellen abgestimmt wurde. Die darin

festgesetzten grundsätzlichen Positionen bildeten den Rahmen für die konkrete

Österreichische Position in Nizza, die entsprechend dem Verhandlungsfortgang

weiterentwickelt wurde und in Einklang mit der Stellungnahme des

Hauptausschusses vom 6.12.2000 stand.

 

Im einzelnen wurden zu den Agenden des BMWA folgende Positionen

eingenommen:

 

Ausdehnung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung: Beim Europäischen Rat von

Nizza stand Österreich einer Ausdehnung der Entscheidungen im Rat mit

qualifizierter Mehrheit grundsätzlich positiv gegenüber, forderte aber für einige

besonders sensible Bereiche erfolgreich die Beibehaltung der Einstimmigkeit. Im

Ressortbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sprach sich

Österreich im Hinblick auf die gemeinsame Handelspolitik (Art. 133 EGV) beim

Handel mit Dienstleistungen und Handelsaspekten des geistigen Eigentums für eine

Beibehaltung der Einstimmigkeit in für Österreich sensiblen Bereichen aus, ohne

dabei jedoch die Handlungsfähigkeit einer erweiterten Gemeinschaft in diesem so

wichtigen Politikbereich aus den Augen zu verlieren.

 

Europäische Beschäftigungsstrategie: Österreich sprach sich für die Annahme des

Beschäftigungspaketes 2000 aus, das sich aus folgenden Teilen zusammensetzt:

 

• Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die beschäftigungspolitischen

   Leitlinien der Mitgliedstaaten im Jahr 2001

• Entwurf des Gemeinsamen Beschäftigungsberichtes 2000

• Empfehlung der Kommission für eine Empfehlung des Rates zur Durchführung

   der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten

 

Europäische Aktiengesellschaft (SE): Österreich sprach sich für eine ehestmögliche

Annahme des Verordnungsvorschlages zur SE (Zuständigkeit BMJ) und dem

entsprechenden Richtlinienvorschlag über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der

SE (Zuständigkeit BMWA) aus.

 

Sozialpolitische Agenda: Österreich begrüßte die Europäische Sozialagenda, in der

die prioritären sozialpolitischen Maßnahmen der kommenden fünf Jahre festgelegt

sind. Sie bildet im Sinne des Europäischen Rates von Lissabon die Grundlage für die

Weiterentwicklung des europäischen Sozialmodells und stellt die Weichen für

zahlreiche Zukunftsfragen der europäischen Sozialpolitik.

 

Europäischer Innovationsraum: Österreich begrüßte die Initiative der französischen

EU - Präsidentschaft betreffend die Schaffung eines Europäischen Innovationsraumes

sowie die diesbezügliche Mitteilung der Kommission. Die Fortschritte der in diesem

 

Bereich durchgeführten Arbeiten auf EU - Ebene wurden dem Europäischen Rat von

Nizza zur Kenntnis gebracht.

 

Antwort zu den Punkten 2 und 3 der Anfrage:

 

Ausdehnung der qualifizierten Mehrheitsentscheidung: Betreffend die Bereiche, in

denen Österreich die Einstimmigkeit im Rat beibehalten wollte, mussten so gut wie

keine Abstriche vorgenommen werden. So konnte das Einstimmigkeitsprinzip auch

für jene Bereiche der geistigen Eigentumsrechte, die der ausschließlichen nationalen

Kompetenz unterliegen, gewahrt bleiben. Durch den Übergang vom

Einstimmigkeitsprinzip auf die qualifizierte Mehrheit beim Handel mit

Dienstleistungen sowie bei den geistigen Eigentumsrechten ist zwar mit einer

Einschränkung des nationalen Handlungsspielraumes zu rechnen, die aber nicht

überbewertet werden sollte. Schon in der Vergangenheit hat sich nämlich gezeigt,

dass bei kritischen Fragen im Zusammenhang mit dem Dienstleistungshandel oder

den geistigen Eigentumsrechten ein Mitgliedstaat in der Regel nicht isoliert bleibt.

Der in Nizza erzielte Kompromiss ist also als den österreichischen Interessen

entsprechend anzusehen.

 

Bezüglich der anderen unter Punkt 1 genannten Bereiche mussten keine Abstriche

von den österreichischen Positionen vorgenommen werden.

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Die Beschlüsse in den unter Punkt 1 und 2 genannten Bereichen haben

Auswirkungen auf die Angelegenheiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und

Arbeit. Darüber hinaus haben jene Beschlüsse des Europäischen Rates von Nizza,

die Änderungen des Primärrechtes betreffen, Auswirkungen auf alle Ressorts, wie

zum Beispiel das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit oder die Beschlüsse

betreffend den Reformprozess und die Zukunft der Europäischen Union.

 

Antwort zu den Punkten 5 bis 7 der Anfrage:

 

Wie sich aus Artikel 4 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) ergibt, ist

der Europäische Rat in erster Linie als politisches Steuerungsorgan konzipiert, das

zwar über eine grundlegende politische Richtlinienkompetenz verfügt, von wenigen

Ausnahmen (vgl. Art. 13 Abs. 2 EUV, Art. 17 Abs. 1 EUV) abgesehen aber nicht zum

Erlass verbindlicher Rechtsakte befugt ist. Für die Mitgliedstaaten ergeben sich

daher aus den Beschlüssen des Europäischen Rates keinerlei unmittelbar wirksame

Umsetzungsverpflichtungen, und auch die Gemeinschaftsorgane, denen die

Umsetzung der Schlussfolgerungen in erster Linie obliegt, werden durch sie im Sinne

des Kohärenzgebots nur in politischer, nicht jedoch in rechtlicher Hinsicht gebunden.

Die Frage der Ergreifung nationaler legislativer Maßnahmen zur unmittelbaren

Umsetzung der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates stellt sich

daher so nicht.

 

Antwort zu Punkt 8 der Anfrage:

 

Im Mittelpunkt der Tagesordnung des Europäischen Rates in Stockholm am 23./24.

März 2001 wird weitgehend der Themenkomplex ,,Follow - up zum Europäischen Rat

von Lissabon" stehen. Der Europäische Rat von Lissabon hat im März 2000 einen

umfassenden Maßnahmenkatalog zu Beschäftigung, Wirtschaftsreform und

sozialem Zusammenhalt beschlossen. Dabei wurde vereinbart, dass im Rahmen der

jährlichen Frühjahrstagung - erstmals in Stockholm im März 2001 - die

Umsetzungsfortschritte ermittelt werden sollen. Das Bundesministerium für

Wirtschaft und Arbeit bereitet derzeit einen Bericht vor, in dem der Stand der

Arbeiten der einzelnen Aktionen des Maßnahmenkataloges dargestellt werden soll.

Seitens des Bundeskanzleramtes wird ein österreichischer Beitrag für den

Europäischen Rat in Stockholm vorbereitet, an dem das BMWA im Rahmen seiner

Zuständigkeiten mitwirkt. Wie bisher wird der Hauptausschuss wenige Tage vor dem

Europäischen Rat vom Herrn Bundeskanzler über den aktuellsten Stand informiert

werden.

 

Antwort zu Punkt 9 der Anfrage :

 

Die Staats - und Regierungschefs der Europäischen Union haben auf dem

Europäischen Rat von Nizza eine Reform der europäischen Institutionen

beschlossen und damit den Weg für die Erweiterung der EU auf bis zu 27

Mitgliedstaaten geebnet.

Sowohl bei den zentralen Punkten der Zusammensetzung der Europäischen

Kommission und dem Reformprozess der EU als auch bei den in der Beantwortung

genannten Themen, die in den Bereich des BMWA fallen, mussten von der

akkordierten österreichischen Verhandlungsposition wenige Abstriche vorgenommen

werden, weshalb der Gipfel für Österreich jedenfalls einen erfolgreichen Verlauf

genommen hat.