1801/AB XXI.GP

Eingelangt am:28.03.2001

 

BUNDESNINISTERIUM für

WIRTSCHAFT und ARBEIT

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1855/J betreffend

Kündigungsschutz, welche die Abgeordneten Dietachmayr und Genossen am

1. Februar 2001 an mich richteten, stelle ich fest:

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Die Kündigung sowie die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses

bedarf grundsätzlich keiner Schriftform. Diese Formfreiheit entspricht der Rechtsnatur

der Kündigung als einer einseitigen und empfangsbedürftigen Willenserklärung. Ich

stimme aber zu, dass es eines entsprechenden Formzwanges dann bedarf, wenn in

der Person des Arbeitnehmers gelegene Umstände eine besondere Schutzwürdigkeit

bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich machen.

 

Diesen Schutz gewährleistet aber das Arbeitsrecht bereits. Die Kündigung des

Arbeitsverhältnisses von Mitgliedern des Betriebsrates und von Arbeitnehmern, die

dem besonderen Kündigungs - und Entlassungsschutz des Mutterschutzgesetzes

(MSchG), des Eltern - Karenzulaubsgesetzes (EKUG) und des Arbeitsplatzsicherungs -

gesetzes (ArbPlSG) unterliegen, bedarf der Zustimmung des Arbeits - und

Sozialgerichts bzw. im Fall eines behinderten Arbeitnehmers im Sinne des

Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) der Zustimmung des Behindertenaus -

schusses.

Das Erfordernis zur Einholung der Zustimmung eines Gerichts (Behindertenaus -

schuss) stellt meines Erachtens einen entsprechenden Schutz bei Kündigung des

Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dar. Die einvernehmliche Beendigung des

Arbeitsverhältnisses bedarf in der Regel deswegen nicht der Schriftform, da diese

vom eindeutigen Willen beider Vertragsparteien getragen sein muss. Der Gefahr,

dass ein Arbeitnehmer vorschnell einer angebotenen einvernehmlichen Beendigung

seines Arbeitsverhältnisses zustimmt, wirkt § 104a Arbeitsverfassungsgesetz ent -

gegen. Nach dieser Bestimmung kann der Arbeitnehmer verlangen, sich vor

Abschluss einer solchen Vereinbarung mit dem Betriebsrat zu beraten.

Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitnehmern, die

dem Kündigungs - und Entlassungsschutz des MSchG, des EKUG und des ArbPlSG

unterliegen, bedarf hingegen zwingend der Schriftform.

Die einvernehmliche Beendigung von Lehrverhältnissen im Sinne des Berufsaus -

bildungsgesetzes (BAG) bedarf zu ihrer Wirksamkeit sogar der Bescheinigung eines

Gerichts oder der zuständigen Kammer für Arbeiter und Angestellte über die erfolgte

Belehrung des Lehrlings über die Schutzbestimmungen des BAG.

 

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

 

Bevor Überlegungen zur Einführung einer generellen Begründungspflicht von

Kündigungen von Arbeitsverhältnissen durch den Arbeitgeber angestellt werden, sollte

überprüft werden, ob in diesem Bereich tatsächlich Bedarf nach Änderungen im Sinn

einer Verbesserung des Kündigungsschutzes besteht. Dabei ist auch zu bedenken, ob

eine Begründungspflicht von Arbeitgeberkündigungen überhaupt zu einer

Verbesserung des Kündigungsschutzes im Vergleich zum bestehenden Kündigungs -

recht führen würde.

Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsvertrag kann - wie auch jedes

andere auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Dauerschuldverhältnis - von beiden

Vertragsparteien grundsätzlich ohne Angabe von Gründen durch Kündigung beendet

werden. Die Kündigung hat unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektiv - oder

einzelvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen und - termine zu erfolgen. Sowohl

Kündigungsfrist als auch - termin erfüllen eine Schutzfunktion. Das Arbeitsverhältnis

endet dadurch nicht sofort mit Ausspruch der Kündigung, dem Arbeitnehmer bleibt

entsprechend der Dauer der Kündigungsfrist Zeit, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Im Fall einer frist - und/oder terminwidrigen Arbeitgeberkündigung hat der

Arbeitnehmer Anspruch auf eine ,,Kündigungsentschädigung“, d.h. auf das Entgelt für

jenen Zeitraum, der bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch eine

ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen.

 

Gemäß § 105 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) hat der Arbeitgeber den Betriebsrat

vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers zu verständigen und diesem Zeit zur

Stellungnahme einzuräumen. Vor Ablauf dieses Zeitraums kann der Arbeitnehmer

nicht rechtswirksam gekündigt werden. In der Folge besteht die Möglichkeit, die

Kündigung beim Arbeits - und Sozialgericht anzufechten, wenn sie sozial

ungerechtfertigt ist oder aus einem im ArbVG angeführten verwerflichen Motiv erfolgt

ist. Bei erfolgreicher Anfechtung der Kündigung ist diese als rechtsunwirksam

aufzuheben.

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz ist noch der besondere Kündigungsschutz

für bestimmte Arbeitnehmer zu nennen.

Für die in der Beantwortung der Frage 1 angeführten Arbeitnehmergruppen ist im

Hinblick auf ihre spezifische Situation oder Tätigkeit in den bereits genannten

Gesetzen ein besonderer Kündigungs - und Entlassungsschutz festgelegt.

Kündigungen von Arbeitnehmer, die diesem besonderen Kündigungsschutz unter -

liegen, bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Arbeits - und Sozialgerichts bzw.

des Behindertenausschusses. Die Zustimmung darf in der Regel nur bei Vorliegen

bestimmter Gründe erteilt werden.

Das österreichische Arbeitsrecht weist hinsichtlich der Kündigung von Arbeitnehmern

einen hohen sozialen Standard auf, der auch den Vergleich mit den Regelungen

anderer Mitgliedstaaten der EU nicht zu scheuen braucht.

Zuletzt möchte ich im Hinblick auf ältere Arbeitnehmer auf die mit dem Arbeitsrechts -

änderungsgesetzes 2000 (ARÄG 2000) geschaffene Regelung des § 15 Abs. 3

Arbeitsvertragsrechts - Anpassungsgesetz (AVRAG) hinweisen, nach der Arbeitnehmer

in nicht betriebsratspflichtigen Betrieben die Möglichkeit haben, eine sozial

ungerechtfertigte Kündigung bei Gericht anzufechten.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

 

§ 9 Angestelltengesetz sowie § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz sehen vor, dass der

Arbeitnehmer im Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber

während eines Krankenstandes seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im

Krankheitsfall für die nach diesen Bundesgesetzen vorgesehene Dauer auch dann

behält, wenn das Arbeitsverhältnis vorher endet.

Mit dieser Regelung wird verhindert, dass sich der Arbeitgeber von seiner Pflicht zur

Entgeltfortzahlung dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das

Arbeitsverhältnis durch Kündigung löst. Ohne diese Regelung hätte es ein Arbeitgeber

in der Hand, die über die Kündigungsfrist zeitlich hinausgehenden Entgeltansprüche

des Arbeitnehmers zunichte zu machen. Die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers

während des Urlaubs des Arbeitnehmers ist hingegen durch die ihn treffende

Fürsorgepflicht und den Urlaubszweck erheblich eingeschränkt. Wurde eine

Urlaubsvereinbarung getroffen, hat der Arbeitnehmer das Recht, den Urlaub zur

ungestörten Erholung und beliebigen Gestaltung seiner Freizeit zu verwenden, der

Arbeitgeber ist auf Grund seiner Fürsorgepflicht angehalten, alles zu unterlassen, was

den Urlaubszweck beeinträchtigen könnte. Wird vom Arbeitgeber während des

Urlaubs des Arbeitnehmers eine Kündigung zeitlich so ausgesprochen, dass die

gesamte oder der überwiegende Teil der Kündigungsfrist in den Urlaub fällt, ist diese

Kündigung nach ständiger Rechtsprechung des OGH unzulässig und zeitwidrig, da

der Urlaubszweck unterlaufen wird. Diese unzulässige und ,,zeitwidrige“ Kündigung

beendet das Arbeitsverhältnis zwar zum erklärten Zeitpunkt, begründet aber einen

Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers auf jenes Entgelt, dass ihm im Fall einer

termingemäßen Kündigung zustehen würde.

Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung ist aber stets der

ordnungsgemäße Zugang der Kündigungserklärung. Nach ständiger OGH - Judikatur

ist aber in dem Fall, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer während seiner

urlaubsbedingten Abwesenheit zugeht und die Kündigungsfrist während seiner

Abwesenheit abläuft, der Zugang mit dem Zeitpunkt der postordnungsgemäßen

Zustellung nur dann zu fingieren, wenn dem Arbeitnehmer der Zugang einer

Auflösungserklärung zu dieser Zeit durch den Arbeitgeber erkennbar angekündigt

wurde oder er eine solche nach den Umständen erwarten musste und seine

Urlaubsanschrift nicht bekanntgegeben hat. Sind diese Voraussetzungen nicht

gegeben, ist der Zugang mit dem Zeitpunkt anzusetzen, zu dem das Schriftstück dem

Arbeitnehmer tatsächlich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub zugekommen ist.

Diese vom OGH restriktiv verstandene „Zugangsfiktion“ schützt den Arbeitnehmer

insbesondere davor, dass die Frist zur Anfechtung der Kündigung nach § 105

Arbeitsverfassungsgesetz ungenützt in Folge der Unkenntnis des Arbeitnehmers von

der Zustellung der Kündigung abläuft, da die Anfechtungsfrist erst mit dem

ordnungsgemäßen Zugang der Kündigung an den Arbeitnehmer nach dessen

Rückkehr aus dem Urlaub zu laufen beginnt.

 

Antwort zu den Punkten 4, 5 und 6 der Anfrage:

 

§ 105 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) sieht die Möglichkeit vor, eine Kündigung

anzufechten, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Als sozial ungerechtfertigt gilt jede

Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn,

der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung

 

• durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die

   betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder

 

• durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers

   entgegenstehen, begründet ist.

 

Eine Beeinträchtigung der wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers liegt nicht erst

vor, wenn die Existenzgrundlage durch dauernde Arbeitslosigkeit gefährdet ist,

sondern bereits dann, wenn durch die Kündigung eine finanzielle Schlechterstellung

für die Zukunft zu erwarten ist. Dabei sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse

des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

 

Bei älteren Arbeitnehmern sind kraft gesetzlicher Anordnung sowohl eine vieljährige

ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen als auch die

wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der

Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen.

Sind durch die Kündigung zwar wesentliche Interessen des Arbeitnehmers

beeinträchtigt, so kann die Anfechtung dennoch scheitern, wenn der Betriebsinhaber

nachweist, dass die Kündigung subjektiv bedingt oder betriebsbedingt ist.

 

Welche Maßnahmen der Betriebsinhaber als Reaktion auf eine wirtschaftlich

ungünstige Unternehmenslage setzt, liegt grundsätzlich allein in seiner

Entscheidungskompetenz. Spricht der Betriebsinhaber jedoch im Zuge der Betriebs -

änderung Kündigungen aus, so hat das Gericht zu überprüfen, ob diese Änderung

zusammen mit der übrigen betrieblichen Rahmensituation die Kündigungen

tatsächlich notwendig macht oder ob nicht vielmehr eine Verwendung an anderen

Arbeitsplätzen, u.U. verbunden mit Umschulungen, in Betracht kommt.

 

Auch ein systematischer Austausch von älteren Arbeitnehmern wird kaum die

Betriebsbedingtheit der Kündigung rechtfertigen können.

 

Werden also durch die Kündigung einerseits wesentliche Interessen des

Arbeitnehmers beeinträchtigt, wendet der Arbeitgeber aber andererseits Umstände,

die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind, und/oder wirtschaftliche

Erfordernisse ein, so ist durch die Vornahme einer Interessenabwägung zu unter -

suchen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Im Rahmen dieser Prüfung werden

auch Überlegungen dahingehend anzustellen sein, inwieweit es dem Betriebsinhaber

zumutbar gewesen wäre, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz und/oder

Umschulungsmaßnahmen anzubieten bzw. inwieweit ein solches Angebot tatsächlich

erfolgt ist.

 

Es ist jedoch zu betonen, dass die Dispositionsfreiheit des Betriebsinhabers in

organisatorischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht unangemessen

eingeschränkt werden darf.

 

Hinsichtlich der angeregten Verpflichtung des Arbeitgebers vor der Kündigung eines

Arbeitnehmers bestimmte Maßnahmen zu ergreifen und dieses auch nachzuweisen,

ist zu bemerken, dass ein solches Vorgehen massive Beweisprobleme und

Abwägungsschwierigkeiten mit sich bringt. So wäre z.B. zu beurteilen, ob eine

Maßnahme angemessen und ausreichend war.

Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass jegliche Verstärkung eines

Kündigungsschutzes einen umgekehrten negativen Effekt haben kann, insoweit als

bereits arbeitslos Gewordene noch stärker vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bzw.

Personen, die kurz vor der Erreichung der für den Kündigungsschutz maßgebenden

Kriterien (Z.B. bestimmtes Alter) stehen, vermehrt von Arbeitslosigkeit bedroht werden

können. Neben dem Ausbau des individuellen Kündigungsschutzes sind daher

arbeitsmarktpolitische Maßnahmen notwendig, um diesen Effekt auszuschließen und

das Problem der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer wirksam zu bekämpfen.

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

Im Zusammenhang mit der Pensionsreform wurde mit Wirkung ab 1. Oktober 2000

eine Verstärkung des Bonus - Malus - Systems in der Arbeitslosenversicherung

durchgeführt. Dadurch soll vermieden werden, dass die stufenweise Erhöhung des

Pensionsalters ältere Arbeitnehmer dem Risiko aussetzt, durch den Arbeitgeber in die

Arbeitslosigkeit gedrängt zu werden. Gleichzeitig wurde aber auch die aktive

Vermittlungsunter - stützung älterer Arbeitnehmer ausgebaut.

 

Hinsichtlich einer Verstärkung des Anreizsystems zur Beschäftigung Älterer entfällt bei

der Einstellung von Personen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben nunmehr der

Dienstgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zur Gänze. Weiters wurde der

bestehende Malus (Verpflichtung zur Zahlung eines einmaligen Arbeitslosenver -

sicherungsbeitrages bei der Freisetzung von Personen, die das 50. Lebensjahr

vollendet haben) spürbar angehoben. Der Grundbetrag des Malus wurde verdoppelt,

der Vervielfachungsfaktor durch die Monate bis zur neuen gesetzlichen Altersgrenze

erhöht.

 

Eine weitere Erhöhung der Malus - Zahlungen halte ich nicht für zielführend, da diese

zu dem negativen arbeitsmarkpolitischen Effekt führen könnte, dass die

Beschäftigungschancen der über 50 - jährigen Personen eingeschränkt würden.