3080/AB XXI.GP

Eingelangt am: 17.01.2002

 

 


Die Bundesministerin

für auswärtige Angelegenheiten

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Caspar Einem und GenossInnen haben am
21. November 2001 unter der ZI. 3092/J-NR/2001 an mich eine schriftliche Anfrage
betreffend die Aussage des Generalsekretärs Rohan zum NATO-Beitritt u.a. gerichtet.

Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:

Zu Fragen 1,2, 7 und 11:

Über Wunsch von Generalsekretär Rohan wurde vom Veranstalter in den einführenden
Worten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vortrag die persönliche Meinung des
Vortragenden wiedergibt.

Zu Fragen 3 und 4:

In ihrem Arbeitsprogramm vom 3. Februar 2000 hat sich die Bundesregierung folgendes
Ziel gesetzt:

“Österreich wird seine eigenen Beziehungen zur NATO weiterentwickeln, wie es den
Erfordernissen seiner Sicherheit und seiner vollen und gleichberechtigten Teilnahme an
der europäischen Sicherheitsarchitektur entspricht. Die Option einer späteren
Mitgliedschaft wird eröffnet."

Die Haltung der Bundesregierung zum NATO-Beitritt ist auch in der vom Nationalrat am
12. Dezember 2001 beschlossenen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin dargelegt.


Zu Fragen 5 und 6:

Von dieser Option würde die Bundesregierung nur dann Gebrauch machen, wenn die
nötigen innerstaatlichen und internationalen Voraussetzungen gegeben sind.

Zu den internationalen Faktoren, die zur Beurteilung der Frage eines österreichischen
NATO-Beitritts maßgebend sind, zählen vor allem die weitere Entwicklung der
europäischen und euroatlantischen Sicherheitsarchitektur. Derzeit kann davon
ausgegangen werden, dass die NATO bei ihrem nächsten Gipfeltreffen im November
2002 in Prag eine Reihe von Kandidatenländern zum Beitritt einladen wird. Es wird
angenommen, dass sich die Zahl der NATO-Mitglieder in den nächsten Jahren von derzeit
19 auf 24 bis 26 erhöhen wird. Sollte dieses Szenario eintreten, so wäre Österreich fast
nur noch von NATO-Staaten umgeben. Diesem Erweiterungsprozess der NATO wird, wie
es scheint, eine grundlegende Neugestaltung der Beziehungen zwischen der NATO und
Russland vorausgehen.

Die Ereignisse des 11. September haben die Russische Föderation dazu bewogen, in
wichtigen sicherheitspolitischen Fragen mit den USA und ihren europäischen Verbündeten
zusammenzuarbeiten. Als Reaktion darauf hat der britische Premierminister Blair im
Einvernehmen mit US-Präsident Bush eine Einbindung Russlands in wichtige NATO-
Entscheidungen und einen neuen institutionellen Rahmen für die künftigen Beziehungen
zwischen der NATO und Russland vorgeschlagen. Diese neue Partnerschaft NATO-
Russland soll bis zur NATO-Ministerratstagung im Mai 2002 in Reykjavik - also rechtzeitig
vor dem NATO-Erweiterungsgipfel in Prag - verwirklicht werden. Eine mit Russland
partnerschaftlich verbundene NATO, der die meisten Staaten Zentral- und Osteuropas als
neue Mitglieder angehören, wäre eine gesamteuropäische Sicherheitsorganisation mit
zentraler Verantwortung für die Stabilität und Sicherheit unserer Kontinentes. Der parallele
Erweiterungsprozess der Europäischen Union dürfte zu einer immer größeren Identität der
Mitgliedschaften in beiden Organisationen und zu einer Verschränkung der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (ESVP) mit der NATO führen.

Zur Wahrung seiner politischen Mitgestaltungsmöglichkeiten wird auch Österreich diesen
Entwicklungen zu gegebener Zeit Rechnung tragen müssen.


Zu Frage 8:

Österreichs Weg zur gemeinsamen europäischen Sicherheit führt über eine aktive
Mitwirkung unseres Landes in der OSZE, über einen adäquaten Solidarbeitrag zur
Entwicklung der gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
(ESVP) im Rahmen der EU, über eine Verdichtung unserer Beziehungen zur NATO unter
Nutzung aller Möglichkeiten, welche die Partnerschaft für den Frieden (PfP) und der
Euroatlantische Partnerschaftsrat (EAPC) bieten, sowie schließlich über eine sorgfältige
Prüfung des Nutzens eines österreichischen NATO-Beitritts im Lichte der europäischen
Entwicklungen.

Zu Fragen 9 und 10:

Die gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) sowie eine
allfällige gemeinsame europäische Verteidigung im Rahmen der EU, die von der
Bundesregierung im Sinne ihres Arbeitsprogramms befürwortet wird, können aus heutiger
Sicht nur im Einklang mit der NATO verwirklicht werden.

Eine Abkoppelung von den USA wird von keinem EU-Staat gewünscht.

Zu Frage 12:

Ja.

Zu Frage 13:

Am 29. November 2001 wurden mit der Tschechischen Republik unter Mitwirkung von
Erweiterungskommissar Günter Verheugen “Schlussfolgerungen des Melker Prozesses
und follow up" vereinbart, welche Bestimmungen zur Info-Hotline, zum Frühwarnsystem,
zur Energiepartnerschaft, zu Sicherheitsfragen und zur Umweltverträglichkeitsprüfung
umfassen. Weiters ist man übereingekommen, die Schlussfolgerungen und damit die
Zusagen der Tschechischen Republik auch hinsichtlich der Sicherheitsstandards und der
Umweltverträglichkeit in die Beitrittsakte der Tschechischen Republik aufzunehmen, und
sie damit rechtsverbindlich zu machen. Die konsequente Haltung der Bundesregierung hat
dazu geführt, dass die Tschechische Republik ihre bisherige Haltung geändert hat und ein
wichtiger Schritt - insbesondere auf EU-Ebene - in die richtige Richtung getan wurde.


Die Bundesregierung wird auf die Umsetzung der in den Schlussfolgerungen festgelegten
Punkte durch die Tschechische Republik achten und behält sich vor, im Rahmen der
Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik, insbesondere im Lichte der
Ergebnisse der “Peer-Review" der AQG/WPNS sowie der von der Tschechischen
Republik bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen gesetzten Maßnahmen, auf das
Kapitel “Energie" zurückzukommen.

Die nachhaltigen und beharrlichen Bemühungen der Bundesregierung haben konkrete
Verpflichtungen zur Verbesserung der Sicherheit des KKW Temelin im Interesse der
Bevölkerungen erzielt. Hingegen hätte das Verlangen der Anfragesteller, das
Energiekapitel mit der Tschechischen Republik nicht vorläufig abzuschließen, dazu
geführt, dass Temelin auf dem jetzigen Niveau in Betrieb genommen würde. Damit wäre
den Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung nicht gedient gewesen.