3637/AB XXI.GP

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Eingelangt am: 17.05.2002

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3664/J-NR/2002 betreffend Koedukation im
Sportunterricht, die die Abgeordneten Beate Schaschnig, Kolleginnen und Kollegen am
21. März 2002 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

Ad 1.:

Koedukation kann nach Maßgabe der an einzelnen Schulen unterschiedlichen Voraussetzungen -

einen positiven Beitrag im Sportunterricht leisten.

Ad 2.:

Aktionsplan    2003    -    Gender    Mainstreaming    &    Frauenförderung    in    der    Schule    und

Erwachsenenbildung löst den Aktionsplan 2000 ab.

Informationsblatt für Schulbildung und Gleichstellung

Bewusste Koedukation & Geschlechtssensible Pädagogik

Unterrichtsprinzip "Erziehung zu Gleichstellung von Männern und Frauen"

Bewusste Koedukation in den Lehrplänen

Reihe: Schulqualität und geschlechtssensible Lernkultur

Bundes-Expertlnnengruppe "Burschen- und Mädchenbildung" an Berufsschulen

MädchenFrauen in Technik und Naturwissenschaften

FIT - Frauen in der Technik

Aktion MiT an den technischen Schulen

Webseite LISE - Mädchen & Physik [http://www.thp.univie.ac.at/~lise/indexl.html]

Weitere Links "MädchenFrauen und Technik"


Geschlechtssensible Berufsorientierung

Aktion Geschlechter - Kultur macht Schule

Schülerinnen fragen Fachfrauen und -männer in untypischen Arbeitsbereichen BIZ-Veranstaltungen

Tipps zur Berufswahl:

Folder zur Berufsorientierung von Mädchen

Ad 3.:

Die Studien werden vor allem in Deutschland erstellt. In Österreich gibt es
Frauenforschungsschwerpunkte an der Universität Wien und im Auftrag der Bundes-
Sportorganisation. In allen Fällen wirkt das bm:bwk über die Abteilung Bewegungserziehung und
Sportlehrwesen mit.

Aus der weiterführenden Literatur seien hier einige Beispiele genannt:

Geschlechtspezifische Unterschiede in der Körper-, Bewegungs-, und Sportentwicklung - ihre

Ursachen und Folgen

Obwohl sich die Lebenswelten und die Spielpräferenzen der Kinder im letzten Jahrhundert in
vielerlei Hinsicht verändert haben, gibt es nach wie vor eine geschlechtsspezifische Ausprägung im
Hinblick auf Körperlichkeit und Spielpräferenzen, Bewegungs- und Raumverhalten. Dies
korrespondiert mit der Kontinuität der zweigeschlechtlichen Organisierung unserer Gesellschaft,
gerade auch ihrer kulturellen Deutungsmuster hinsichtlich der 'Männlichkeits- und
Weiblichkeitsbilder'.

Geschlechtsspezifische Raum- und Bewegungserfahrungen

•    Die öffentlichen Räume, d. h. Spielplätze mit Sportangeboten, Straßen, Gärten, Hinterhöfe,
Baustellen, Grünflächen, Flussläufe werden eher von Jungen oder Jungengruppen erobert
und besetzt (expansiveres räumliches Verhalten - motorische Raumerweiterung).

•    Jungen zeigen in der Regel ein stärkeres Interesse an der Exploration von Dingen und Orten.

•    Die Räume, die Mädchen in ihrer freien Zeit nutzen, sind in der Regel kleiner als die der
Jungen. Sie bewegen sich eher im nahräumlichen Bereich, wie z. B. in Hinterhöfen, Gärten
am Haus.

•    Mädchen zeigen in der Regel eine stärkere Personenorientierung.

•    Mädchen und Jungen unterscheiden sich in der Art und Nutzung von Spiel- und
Bewegungsräumen.

•    Mädchen und Jungen nutzen den sozialen Raum "Sportverein" unterschiedlich.


Ursachen und Hintergründe für die geschlechtsspezifischen Konstruktionen von Bewegungs-
und Sportpräferenzen

•    Mädchen werden eher behütet als Jungen.

•    Mädchen werden in der Regel stärker zu Anpassung und Empathie sozialisiert als Jungen.

•    Mädchen verfugen im Durchschnitt über weniger freie Zeit als Jungen.

•    Mädchen und Jungen lernen auch am Vorbild ihrer Mütter und Väter einen spezifischen
'weiblichen' und 'männlichen' Umgang mit dem Körper und dem sozial-räumlichen Umfeld.

•    Spielzeug, das eher Mädchen als Jungen angeboten wird, regt weniger zu motorischen
Aktivitäten und explorativem Verhalten an.

•    Durch die Medien werden subtil und manifest einseitige geschlechtsspezifische Bilder
vermittelt und verstärkt.

•    Jungen und Mädchen werden zu geschlechtsspezifischen sportlichen Aktivitäten von ihrer
Umwelt ermuntert.

•    Der Sportunterricht in der Schule und die Sport- und Bewegungsangebote im Verein
verstärken bisher eher die unterschiedlichen Vorerfahrungen der Mädchen und Jungen als
dass sie abgebaut werden.

Geschlechtsspezifische Benachteiligungen von Mädchen im Sportunterricht

•    Es lässt sich festhalten, dass Mädchen in einem koedukativen Sportunterricht in der Regel:

•    weniger Aufmerksamkeit durch die Lehrerinnen und Lehrer erfahren als die Jungen,

•    ihre Interessen weniger stark durchsetzen können als es Jungen tun,

•    in ihrem Sporttreiben weniger wertgeschätzt werden als Jungen,

•    auf einen traditionell 'weiblichen' Sport zurückgeworfen werden (auch dadurch, dass sie
diesen fordern),

•    von manchen Jungen in ihren persönlichen Grenzen nicht geachtet werden,

•    sich im Vergleich zu den Jungen leistungsmäßig schlechter erleben,

•    mit zunehmendem Alter eher an Selbstwertgefühl verlieren als dass dieses zunimmt,

•    lernen sich anzupassen, anstatt ihren Interessen Geltung zu verschaffen,

•    Identitätskonflikte in der Art erleben, dass sie lieber Junge sein mögen und ihre Identität als
Mädchen eher ablehnen.

Geschlechtsspezifische Benachteiligungen von Jungen im Sportunterricht

•    Gerade im Sportunterricht gilt für Jungen der "Überlegenheitsimperativ" (Jungen müssen
sich anderen Jungen, insbesondere aber Mädchen und Frauen gegenüber stärker und
überlegener zeigen als sie tatsächlich sind.)


•    Traditionellerweise gilt Sport als ,männliche' Domäne, die durch Kampf, Einsatz, Risiko
und Härte gekennzeichnet ist. Jungen, die diesem Bild nicht entsprechen können oder
wollen, laufen Gefahr, entwertet zu werden.

•    Das geschlechtshierarchische Bild vom Sport wird durch die Medien (starke Konzentration
auf Sportarten wie Fußball, Basketball, Motorsport) immer wieder bestätigt und verfestigt.
Den Jungen wird es schwer gemacht, ihr einseitiges Sportverständnis und
Verhaltensrepertoire zu erweitern.

Literatur:

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Anmerkungen zur Bedeutung des Geschlechts als soziale Kategorie. In: Pühse, U. (Hrsg.): Soziales
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Funke, Jürgen: Ringen und Raufen, in: Sportpädagogik, Heft 4, 1988

Hagemann-White, Carol: Sozialisation: Weiblich - männlich? Alltag und Biografie von Mädchen.
Bd. l.Opladen 1984


Happ, Sigrid: Zweikämpfen mit Kontakt. In: Sportpädagogik, Heft 5, 1998
Jakob, Matthias: Wenn Mädchen kämpfen. In Sportpädagogik, Heft 5, 1998
Keller, Rudolf: Ballspielen lernen. Zürich 1991.

König, Stefan: Basketball - Ein Vermittlungskonzept für die Schule. In: Lehrhilfen für den
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Kruß, André: Die Bedeutung von Regeln und Ritualen bei der pädagogischen Erschließung des
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Kugelmann, Claudia: Ein Spiel auch für Mädchen. In: Sportpädagogik 1 (1995), S.58-64.

Kugelmann, Claudia: Mädchen im Sportunterricht heute - Frauen in Bewegung morgen. In:
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Kurz, Dieter: Zur pädagogischen Grundlegung des Schulsports in NRW. In: LSW Soest,
Curriculumrevision im Schulsport, Werkstattberichte, Heft 3, 1997

LSW: Lehrplan Sport Grundschule, Entwurf Stand 1999

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Müller, Bernd: Ball-Grundschule: Förderung von Ball-Fertigkeiten und koordinativen Fertigkeiten.
Teil 1: Theoretische Einführung. Teil 2: Übungssammlung. In: Lehrhilfen für den Sportunterricht
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Müller, Bernd: Fußball spielen mit der "Regelkiste". In: Sportpädagogik Sonderdruck: Kleine
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Palzkill, Birgit: Was hat sexuelle Gewalt mit Sport(abstinenz) zu tun? Körper- und
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Pirnau, Lutz: Kindgemäße Entspannung. Ein Skript nicht nur für den Schulalltag. (Zu bestellen bei:
Lutz Pirnau, Horster Park 47, B - Lichtenbusch, 0032/87/866651)

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Scheffel, Heidi: MädchenSport und Koedukation. Aspekte einer feministischen Sportpraxis.
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Schmerbitz, Helmut/ Seidensticker, Wolfgang: Sportunterricht und Jungenarbeit. In:
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Schnack, D./Neutzling, R.: Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit.
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Schubarth, Wilfried: Gewaltprävention in Schule und Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen -
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Sobiech, Gabriele: "Mit der Pubertät kam der Zwang zum Mädchen" - Handlungsspielräume und
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Sobiech, Gabriele. Der Natur auf der Spur? Körperkult und Fitnesswahn und ihre Auswirkungen
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Sobiech, Gabriele: Grenzüberschreitungen. Körperstrategien von Frauen in modernen
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Städtler, Hermann: Werfen-Fangen-Spielen. In: Sportpädagogik Sonderdruck: Kleine Spiele,
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Teubler-Gioiella, Zaira/Sigg, Bettina: "Kämpfen" in der Schule. In: Lehrhilfen für den
Sportunterricht, Heft 1, 1998


Ad 4.:

Koedukativer Unterricht in Schulen mit sportlichem Schwerpunkt verfolgen die oben dargestellten
Überlegungen, aber vor allem auch eine organisatorische Auflage von Training und Wettkampf.
Dies ist eines der besonderen Merkmale von Schulen mit sportlichem Schwerpunkt. Es muss aber
auch berücksichtigt werden, dass eine Vielzahl von Schulen andere Schwerpunkte setzt und auch
nicht über die entsprechenden Voraussetzungen für den im sportlichen Schwerpunkt möglichen
koedukativen Unterricht verfügt.