3790/AB XXI.GP
Eingelangt am: 28.06.2002
BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Einem,
Kolleginnen und Kollegen vom
30. April 2002, Nr. 3818/J, betreffend innerösterreichische Vorbereitung
auf die Erweiterung
der Europäischen Union, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Hinsichtlich des Ausstiegs aus veralteten Kohlekraftwerken
möchte ich darauf hinweisen,
dass sich Österreich in den Verhandlungen zur Änderung der
Großfeuerungsanlagen
entgegen dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission gemeinsam
mit einigen
anderen Mitgliedstaaten nicht zuletzt im Hinblick auf die erwartete Erweiterung
der Euro-
päischen Union sehr stark für die Festlegung von Emissionsgrenzwerten
für Altanlagen in
der Großfeuerungsanlagenrichtlinie eingesetzt hat. Nach langwierigen Verhandlungen
konnte hiezu ein tragbarer Kompromiss erreicht werden. In den
Beitrittsverhandlungen
werden die Kandidatenländer auf diese neuen Anforderungen aufgrund der
geänderten
Großfeuerungsanlagenrichtlinie
(2001/80/EG) bereits aufmerksam gemacht. Hinzu kommt,
dass Feuerungsanlagen mit einer Brennstoffwärmeleistung größer
als 50 MW auch der
Richtlinie über die
integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
(96/61/EG) unterliegen, wonach eine Heranführung von Altanlagen an die
besten
verfügbaren Techniken zu erfolgen hat. Ich gehe davon aus, dass aufgrund
dieser beiden
Richtlinien und anderer künftig erforderlicher Maßnahmen zur
Erfüllung von
Gemeinschaftsrecht
veraltete Kohlekraftwerke mittelfristig mit entsprechenden
Rauchgasreinigungstechnologien nachgerüstet werden.
Realistischerweise ist ein europaweiter Ausstieg aus der
Kernenergie kurzfristig nicht zu
erreichen. Die österreichische Kernenergiepolitik steht daher unter dem
Leitmotiv, eine
“Schrittmacherfunktion" auf dem Weg zu einer kernenergiefreien
Energieversorgung
einzunehmen.
Auch in Entsprechung einschlägiger
Entschließungen und Stellungnahmen des Nationalrates
ist jedenfalls am Ziel eines
europaweiten Ausstiegs aus der energetischen Nutzung der
Kernenergie festzuhalten. Die konsequente Position Österreichs muss es
daher sein, unter
Hinweis auf die Risken der Kernenergie weiterhin jeden Ausstieg eines Landes
aus der
Kernenergie zu unterstützen und gleichzeitig auf europäischer Ebene
auch die Initiativen zur
Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards sowie die Festlegung
entsprechender Restlaufzeiten für noch in Betrieb befindliche
Kernkraftwerke mit Nachdruck
fortzusetzen.
Daraus resultiert eine “Drei Stufen-Strategie":
1.
Schließung von nicht nachrüstbaren Kernkraftwerken wie z.B. der
Reaktoren der ersten
Generation sowjetischer Bauart in Ignalina, Bohunice und Kosloduj.
2.
Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards für noch in Betrieb
befindliche
Kernkraftwerke.
3. Konsequente Verfolgung eines europaweiten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernkraft.
In Umsetzung dieser Strategie haben wir bis jetzt
konsequent und durchaus erfolgreich ge-
arbeitet.
Es
sei daran erinnert, dass Österreich bereits im Rahmen der Beitrittsverhandlungen
nukle-
are Sicherheit zu einem vorrangigen Thema machte. Die maßgeblichen
Positionen der Eu-
ropäischen Union wurden unter der österreichischen
Ratspräsidentschaft in der zweiten Jah-
reshälfte 1998 entwickelt und verabschiedet. Diese Grundsatzpositionen
führten im Jahre
2001 zum "Bericht über nukleare Sicherheit im Kontext der
Erweiterung" (AQG/WPNS-Be-
richt). Gegenwärtig prüft der Rat, ob und in welcher Art und Weise
die Beitrittskandidaten
den
Empfehlungen dieses Berichts zu entsprechen bereit sind. Auch darüber
liegt
zwischenzeitlich ein Dokument vor.
An dieser Stelle betone ich die Bedeutung der Erweiterung
der Europäischen Union auch in
Hinblick auf Fragen nuklearer
Sicherheit und europäischer Ausstiegsszenarien. Ich sehe es
als wichtige Aufgabe Österreichs, seine nuklearpolitischen Ziele in einer
erweiterten Union
konsequent
weiterzuverfolgen.
Insbesondere
auf Initiative Österreichs sind Ende 1999 jene Beitrittskandidaten, die
Reakto-
ren der ersten Generation sowjetischer Bauart betreiben,
Schließungsverpflichtungen ein-
gegangen. Daher befürwortet die Bundesregierung die Einrichtung der
International Decom-
missioning Support Funds zur Unterstützung der vorzeitigen
Schließung der beiden Blöcke
des KKW Bohunice V-1 in der Slowakischen Republik, der beiden Blöcke des
KKW Ignalina
in Litauen und der ersten
vier Blöcke des KKW Kosloduj in Bulgarien unter der Verwaltung
der EBRD. In diesem
Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass bisher nur fünf Mitglied-
staaten der Europäischen Union, darunter Österreich, Beiträge zu
allen drei “Schließungs-
fonds" geleistet haben. Insgesamt lassen also die finanziellen
Anstrengungen der Mitglied-
staaten im Zusammenhang mit Schließungsaktivitäten nach wie vor zu
wünschen übrig,
wiewohl hinsichtlich der Notwendigkeit der Schließung dieser Reaktoren
breiter Konsens
besteht.
Hinsichtlich europäischer Sicherheitsstandards konnte
Österreich beim Europäischen Rat
von Laeken einen ersten Erfolg verbuchen, da der Europäische Rat zusagte,
“in der Union
auch weiterhin ein hohes Maß an nuklearer Sicherheit zu
gewährleisten". Der Europäische
Rat betonte “mit Nachdruck, dass Schutz und Sicherheit von
Kernkraftwerken überwacht
werden müssen. Er bittet um die regelmäßige Vorlage von
Berichten der Atomenergieex-
perten der Mitgliedstaaten, die in engem Kontakt mit der Kommission bleiben
werden." Einen
weiteren Erfolg konnte die österreichische Initiative kürzlich
insofern verbuchen, als Kommis-
sarin DE PALACIO einen Kommissionsvorschlag zu europäischen
Sicherheitsstandards an-
kündigte. Erfreulicherweise wird dieser Vorstoß von
Erweiterungskommissar VERHEUGEN
unterstützt. Allerdings erfordern diesbezügliche Entscheidungen des
Rates aus heutiger
Sicht die Einstimmigkeit und einige Mitgliedstaaten stehen diesem Ansatz nach
wie vor
äußerst reserviert
gegenüber.
Hinsichtlich eines generellen europaweiten Ausstiegs aus
der Kernkraft, der von dieser Bun-
desregierung konsequent und in den verschiedensten Foren thematisiert wird, verweise
ich
insbesondere auf das Konzept der “Energiepartnerschaften", die
wesentlich dazu beitragen,
jene energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch Steigerung der Effizienz
der Ener-
gienutzung einerseits und durch die Forcierung vor allem erneuerbarer
Energieträger ande-
rerseits zu schaffen, die den Reformstaaten Mittel- u. Osteuropas einen
Verzicht auf die Nut-
zung der Kernkraft ermöglichen. Auf europäischer Ebene hat sich
Österreich im Rahmen der
EU - Förderprogramme PHARE und TACIS stets für Projekte zur
Steigerung der Effizienz
der Energienutzung sowie zur Unterstützung erneuerbarer Energieträger
eingesetzt und wird
auch in Zukunft konsequent
daran festhalten.
Darüber hinaus gilt es, ungerechtfertigte
Wettbewerbsvorteile jedweder Art zu thematisieren
und letztendlich zu eliminieren. Auch hier kann auf erste Erfolge verwiesen
werden; so wurde
aufgrund einer Initiative
Österreichs im Juli 2001 im Rahmen der COP 6 zum Thema Klima-
schutz festgelegt, dass allenfalls durch Kernenergie erzielte Emissionsreduktionen
nicht für
die “flexible mechanism" des Kyoto-Protokolls herangezogen werden
können. Dies bestätigt
auch die österreichische Auffassung, wonach Kernenergie nicht mit dem
Prinzip der
nachhaltigen Entwicklung vereinbar ist.
Zu den Fragen 4 und 5:
Die Umsetzung des EU-Umweltrechts und die Bereitstellung
der dafür notwendigen
Investitionen liegen im Hoheitsbereich der Kandidatenländer und sind
grundsätzlich von
diesen selbst zu leisten. Es gibt jedoch eine Reihe von
Unterstützungsprogrammen der
Europäischen Union: Phare, ISPA und im grenzüberschreitenden Bereich
insbesondere
Interreg 3c, wo Kooperationen im Umweltbereich stattfinden.
Die
Bedeutung der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene zur Verbesserung des
Umweltschutzes war mir immer ein wichtiges Anliegen. Als Beispiel für
meine Aktivitäten in
diesem Bereich möchte ich die Österreichisch-Slowakische
Gemeindekonferenz “Chancen
der EU-Erweiterung durch kommunale und regionale Partnerschaften im
Umweltsektor"
anführen, die ich im vergangenen Herbst mit meinem slowakischen
Amtskollegen und mit
den Gemeindebünden Österreichs und der Slowakei durchgeführt
habe. Dabei ging es
insbesondere
um die Bereiche Abfall und Wasser, wo Möglichkeiten regionaler
Zusammenarbeit und der Transfer von österreichischem Know-How diskutiert
wurden.
Für das Umweltkompartiment Wasser haben
Österreich und Deutschland im Rahmen des
Donauschutzübereinkommens (operatives Organ: Internationale Kommission zum
Schutz
der Donau) erfolgreich die EU-Wasserrahmen-Richtlinie als prioritären
Arbeitsschwerpunkt
verankert. Diesem Ziel haben sich auch die im Donaueinzugsgebiet gelegenen
Beitrittsländer verpflichtet. Dieses Rechtsinstrument sieht eine
einzugsgebietsorientierte und
europaweit vereinheitlichte Erfassung des Gewässerzustandes nach
primär ökologischen
Kriterien und nach Feststellung der Defizite die Ausarbeitung von
Maßnahmenprogrammen
zur Erreichung eines zumindest “guten Gewässerzustandes" bis
2009 vor. Die Programme
müssen bis 2015 umgesetzt werden. Der Internationalen Kommission zum
Schutz der
Donau kommt bei der Umsetzung eine Koordinationsrolle zu. In allen hiezu
eingerichteten
Expertengremien arbeitet Österreich aktiv mit. Durch diese engagierte
Unterstützung der
Umsetzung der EU-Wasserrahmen-Richtlinie leistet Österreich einen
wesentlichen Beitrag
zur Verbesserung der aquatischen Umweltsituation im gesamten Donauraum.
Ein geeignetes Instrument zur Finanzierung von Umwelt- und
Energiemaßnahmen in vier
östlichen Nachbarländern stellt die bereits seit 1991 bestehende, zum
BMLFUW
ressortierende Umweltförderung im Ausland (UFA) dar. Aufgrund dieser
Förderungen sind
zahlreiche Maßnahmen realisiert worden, die auch zu einer spürbaren
Verbesserung der
österreichischen Umweltsituation geführt haben. Der sinnvolle und
ordnungsgemäße Einsatz
der Steuermittel für die UFA wurde 1997 und 2002 vom
Rechnungshof geprüft und für in
Ordnung befunden.
Insbesondere
aufgrund der Energieproblematik bzw. der Möglichkeiten der Anwendung von
flexiblen Instrumenten innerhalb des sogenannten “Kyoto-Prozesses"
hat das BMLFUW be-
reits reagiert und das
Umweltförderungsgesetz (UFG) 1993 dahingehend novelliert, dass
nunmehr auch andere mittel- u. osteuropäische Länder in den
Teilnehmerkreis der UFA auf-
genommen werden können. Dieses Gesetz trat per 27. März 2002 in Kraft
(BGBI. l Nr.
47/2002), die bezughabenden Förderungsrichtlinien werden noch dieses Jahr
novelliert und
sollen Ende 2002 den besonderen Erfordernissen der Beitrittskandidaten entsprechen.
Da
das Budget für die Umweltförderung im In- und Ausland in den letzten
Jahren kontinuier-
lich gestiegen ist, um die österreichischen Kyoto-Verpflichtungen zu
erfüllen, sind auch sub-
stantiell mehr Mittel für die UFA verfügbar als in den Vorjahren.
Infolge des Informationsvor-
sprungs über dieses Förderungsinstrument sowie den know-how-Vorsprung
in den Energie-
technologien ist es der österreichischen Umwelttechnikindustrie gelungen -
trotz gleicher
Wettbewerbsbedingungen - einen hohen Anteil der Aufträge bei den von
Österreich geför-
derten Anlagen zu lukrieren.
Insbesondere im Biomasse- und Kraft-Wärmekopplungssektor
konnten zahlreiche Projekte realisiert werden, die in Folge wieder
österreichische Auftrag-
nehmer mit der Durchführung betraut haben.
Zu den Fragen 6 und 7:
Die Errichtung oder Sanierung von Abwasserreinigungsanlagen
durch Österreich in den
Kandidatenländern wird in aller Regel ökonomisch nicht vertretbar
sein, da Österreich infolge
seiner zumeist gegebenen Oberliegerposition aus der Förderung kaum einen
direkten Vorteil
aus den erreichbaren Verbesserungen der Gewässerbeschaffenheit lukrieren
kann. Die Ent-
wicklung eines spezifischen Sanierungsprogramms durch Österreich erscheint
auch wegen
der diesbezüglich im Donauraum bereits laufenden internationalen
wasserwirtschaftlichen
Kooperation entbehrlich. Im internationalen Kontext ist auf die
Förderprogramme der
Europäischen Union und auf das gemeinsame Aktionsprogramm 2001-2005 der
Internationalen Kommission zum Schutz der Donau zu verweisen. Dabei handelt es
sich um
ein Sofortprogramm für die Errichtung oder Sanierung von Kläranlagen
im
Donaueinzugsgebiet, welches 1999/2000 unter österreichischer Mitarbeit
entstanden ist.
Auch für
diesen Bereich wurden bisher Mittel aus der UFA herangezogen. Insbesondere jene
Nachbarstaaten, die nach Österreich entwässern bzw. gemeinsame
Grenzflüsse mit
Österreich haben, konnten Mittel aus der UFA lukrieren. Ein neues
Sofortprogramm für die
Errichtung und Sanierung von Kläranlagen war daher weder erforderlich noch
mangels
gesetzlicher Voraussetzung möglich. Aufgrund der in der Antwort zu Frage 4
näher
beschriebenen neuen gesetzlichen Möglichkeiten innerhalb der UFA ist
nunmehr die
Förderung energierelevanter Maßnahmen wie z. B. Biogasverwertung bei
Kläranlagen
prinzipiell in allen Kandidatenländern möglich.
Im
Rahmen der Beitrittsverhandlungen der Kandidatenländer spielt Umweltschutz
und hier
insbesondere die Abwasserwirtschaft eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen.
Aufgrund
des enormen finanziellen Aufwandes wurden bereits bisher verschiedene
Übergangsbe-
stimmungen von den Kandidatenländern gegenüber der EU-Kommission
angemeldet und
teilweise auch akzeptiert. Da maßgebliche
Unterstützungsmaßnahmen zur Errichtung von
Kläranlagen auf europäischer Ebene zur Verfügung gestellt werden
(z. B. ISPA-Programm)
leistet auch Österreich durch seine Beiträge an die EK seinen Teil am
Aufbau der Abwas-
serinfrastruktur in den Kandidatenländern. Aufgrund der Größe
des Problems sollten derar-
tige Unterstützungsmaßnahmen sowohl finanzieller als auch
administrativer Natur weiterhin
auf europäischer Ebene gelöst werden um nicht die Gesamtstrategie der
EU zu
konterkarieren.