3817/AB XXI.GP
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
Eingelangt am: 05.07.2002
In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage
Nr. 3838/J betreffend
Nachtarbeit, welche die Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Mag. Barbara Prammer
und Genossen am 7. Mai 2002
an mich richteten, stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 3 der Anfrage:
Österreich ist aufgrund des EU-Rechts zur Schaffung
geschlechtsneutraler Nacht-
arbeitsbestimmungen verpflichtet. Die Bundesregierung hat sich bereits im Re-
gierungsübereinkommen dazu bekannt, dass eine geschlechtsneutrale
Nachtarbeits-
regelung realisiert werden soll.
Neben
der Aufhebung des Frauennachtarbeitsgesetzes in Umsetzung der Gleich-
behandlungs-Richtlinie sollen in Umsetzung der Arbeitszeit-Richtlinie das
Arbeits-
zeitgesetz (AZG), das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) sowie das
Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996 (BäckAG) geschlechtsneutrale
Nachtarbeits-
regelungen erhalten. Dieses EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz wurde am 11. Juni
2002 im Ministerrat beschlossen und dem Parlament übermittelt.
Es sind folgende Arbeitnehmerrechte vorgesehen:
1.
Zusätzliche Ruhezeiten, wenn in den Fällen der Arbeitsbereitschaft
gemäß § 5
AZG die durchschnittliche tägliche Normalarbeitszeit der
Nachtarbeitnehmer
innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 26 Wochen mehr
als 8 Stunden
beträgt.
2. Die durchschnittliche Arbeitszeit
von Nachtschwerarbeitern darf an Nacht-
arbeitstagen innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 26 Wochen ein-
schließlich der Überstunden 8 Stunden nur dann überschreiten,
wenn dies durch
Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zugelassen wird. Auch für diesen
Fall
sind zusätzliche Ruhezeiten vorgesehen.
3. Nachtarbeitnehmer haben Anspruch
auf unentgeltliche Untersuchungen des Ge-
sundheitszustandes und zwar vor Antritt der Nachtarbeit und danach in Ab-
ständen von 2 Jahren.
Nach Vollendung des 50. Lebensjahres oder nach 10
Jahren Nachtarbeit besteht ein Anspruch auf Untersuchung in jährlichen Ab-
ständen.
4. Nachtarbeitnehmer haben auf
Verlangen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber
auf Versetzung auf einen geeigneten Tagesarbeitsplatz entsprechend den be-
trieblichen Möglichkeiten, wenn die weitere Verrichtung von Nachtarbeit
die Ge-
sundheit nachweislich gefährdet.
5. Nachtarbeitnehmer haben daneben
auch einen Versetzungsanspruch ent-
sprechend den betrieblichen Möglichkeiten, wenn die Bedachtnahme auf unbe-
dingt notwendige Betreuungspflichten gegenüber Kindern bis zu 12 Jahren
dies
erfordert.
6. Nachtarbeitnehmer haben das Recht
auf Information über wichtige Betriebs-
geschehnisse die die Interessen der Nachtarbeitnehmer berühren.
Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:
Eine
generelle Einschränkung von Nachtarbeit für beide Geschlechter per
Gesetz
wird abgelehnt, da dies vor allem im Bereich der Industrie den
Wirtschaftsstandort
Österreich massiv gefährden würde. Es gibt eine erhebliche
Anzahl von Unter-
nehmen mit vollkontinuierlichem Schichtbetrieb, bei denen Nachtarbeit
unabdingbar
ist. Diese Zahl wird durch neue technologische Entwicklungen auch in den
nächsten
Jahren weiter ansteigen.
Durchlaufende Betriebe können, abgesehen von einer
höheren wirtschaftlichen Auslastung, auch zusätzliche Vorteile
bringen wie geringere
Sicherheitsrisiken
bzw. Energieeinsparungen.
Aber auch im Dienstleistungssektor gibt es einige
klassische Nachtarbeitsbranchen
wie die Gastronomie, den Energiesektor, das Verkehrswesen und vor allem das Ge-
sundheitswesen. Die gesellschaftliche Nachfrage steigt auch hier weiter an,
insbe-
sondere im Bereich der neuen Medien und im Telekommunikationssektor.
Antwort zu den Punkten 5 bis 7 der Anfrage:
Auch in Hinkunft soll niemand gegen seinen/ihren Willen zur
Nachtarbeit verpflichtet
werden dürfen. Die Aufhebung des Frauennachtarbeitsverbotes bedeutet
nicht, dass
Frauen nunmehr generell gegen ihren Willen von Tages- auf
Nachtarbeitsplätze ver-
setzt werden können. Es ist darauf hinzuweisen, dass schon derzeit die
Lage der
Normalarbeitszeit nach § 19c des Arbeitszeitgesetzes zu vereinbaren ist,
soweit sie
nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegt wird.
Eine Versetzung auf einen Nachtarbeitsplatz würde vor
allem für Frauen mit Kinder-
betreuungspflichten im Regelfall eine verschlechternde Versetzung darstellen,
die
nach § 101 des Arbeitsverfassungsgesetzes der Zustimmung des Betriebsrates
be-
dürfte. Aufgrund der geltenden Rechtslage ist daher ausreichend
sichergestellt, dass
keine Versetzungen gegen den Willen der Betroffenen erfolgen können und
weiter-
gehende gesetzliche Maßnahmen daher nicht erforderlich sind.
Antwort zu den Punkten 8 bis 10 der Anfrage:
Der Zugang zu allen betrieblichen Informationen und zur
Weiterbildung soll für alle
Nachtarbeitnehmer uneingeschränkt möglich sein. In der
Regierungsvorlage ist des-
halb sogar ausdrücklich das Recht von Nachtarbeitnehmern auf Information
über
wichtige Betriebsgeschehnisse vorgesehen (§ 12d AZG, § 5d KA-AZG,
§ 8d
BäckAG). Aus der Informationspflicht ergibt sich ohnehin, dass
Nachtarbeiter von
Weiterbildungsmöglichkeiten
jedenfalls informiert werden.
Antwort zu den Punkten 11 bis 13 der Anfrage:
Eine
gesetzliche Normierung von Zeitguthaben ist nicht vorgesehen, weil die Arbeits-
zeit-Richtlinie nur die Gewährung von Ausgleichsruhezeiten als Ausgleichs-
maßnähme vorsieht. Im Übrigen handelt es
sich bei derartigen Zeitzuschlägen um
eine klassische Angelegenheit der Kollektivvertragsparteien, in die der
Gesetzgeber
nicht eingreifen sollte. Es stand den Kollektivvertragspartnern nämlich
ohnehin schon
bisher die Möglichkeit offen, Zeitguthaben für Nachtarbeit zu
vereinbaren. De facto
sehen aber die meisten geltenden Kollektivverträge derzeit
Geldzuschläge für
Nachtarbeit vor.
Antwort zu den Punkten 14 bis 16 der Anfrage:
Eine Ausweitung der Mitwirkungsrechte für
Betriebsräte und Personalvertreter ist
nicht vorgesehen, die bestehenden Mitwirkungsrechte hinsichtlich des
Abschlusses
von Betriebsvereinbarungen sind ausreichend.
Antwort zu den Punkten 17 und 18 der Anfrage:
Regelmäßige ärztliche Kontrollen des
Gesundheitszustandes sind im Artikel 9 der
Arbeitszeit-Richtlinie vorgesehen und werden daher in Umsetzung dieser
Richtlinie
auch im österreichischen Recht ausdrücklich normiert. Die
Regierungsvorlage sieht
im § 12b AZG (und analog
dazu auch im § 5b KA-AZG und § 8b BäckAG) den An-
spruch auf unentgeltliche
Untersuchungen des Gesundheitszustandes gemäß § 51
ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) vor. Vorgesehen ist, dass die Unter-
suchungen vor dem erstmaligen Antritt, danach im Abstand von zwei Jahren, nach
Vollendung des 50. Lebensjahres oder nach zehn Jahren als Nachtarbeitnehmer in
jährlichen Abständen zu erfolgen haben. Da die Verordnung über
die Gesundheits-
überwachung am Arbeitsplatz (VGÜ), BGBI. II Nr. 27/1997 derzeit nur Unter-
suchungen im Abstand von drei Jahren vorsieht, wird dadurch der gesetzliche
Mindestabstand zwischen zwei Untersuchungen deutlich reduziert, was eine
wesent-
lichen Stärkung des Präventivgedankens bedeutet.
Da
es sich um besondere Untersuchungen gemäß § 51 ASchG handelt,
hat gemäß
§ 57 ASchG der Arbeitgeber die Kosten dieser Untersuchungen zu tragen.
§ 58
Abs. 2 ASchG sieht
überdies vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für der-
artige Untersuchungen die
erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu
gewähren hat.
Antwort zu den Punkten 19 bis 21 der Anfrage:
Ein Anspruch auf Mehrurlaub für Nachtarbeiter ist aus
der Arbeitszeit-Richtlinie nicht
abzuleiten und daher auch nicht vorgesehen, weil dies
unverhältnismäßig hohe und
nicht gerechtfertigte Kosten für die Arbeitgeber bedeuten würde. Es
ist allerdings
darauf hinzuweisen, dass für Nachtschwerarbeiter schon derzeit in §
10a Urlaubs-
gesetz ein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht.
Antwort zu den Punkten 22 bis 24 der Anfrage:
Wie schon mehrfach betont, geht es in der Regierungsvorlage
lediglich um eine An-
passung an die Bestimmungen der Arbeitszeit-Richtlinie. Diese Richtlinie sieht
keinerlei Regelungen im Hinblick auf eine allfällige pensionsrechtliche
Besserstellung
von Nachtarbeitnehmern vor. Auch hier wäre jedoch darauf zu verweisen,
dass nach
der derzeitigen Rechtslage Nachtschwerarbeitern gemäß Art. X NSchG einen An-
spruch auf Sonderruhegeld haben. Die Zuständigkeit hiefür liegt beim
Bundes-
minister für soziale Sicherheit und Generationen.
Antwort zu den Punkten 25 und 26 der Anfrage:
Ein Akkordverbot während der Nachtschicht ist in der
Richtlinie nicht vorgesehen und
wurde daher in der Regierungsvorlage nicht berücksichtigt.
Antwort zu den Punkten 27 und 28 der Anfrage:
Zur Umsetzung der Arbeitszeit-Richtlinie sind die in der
Regierungsvorlage vorge-
sehenen zusätzlichen Ruhezeiten als Ausgleichsmaßnahmen für die
durch Nacht-
arbeit entstehenden Belastungen ausreichend, auf die Zuständigkeit der
Kollektiv-
vertragspartner
wird verwiesen.
Antwort zu den Punkten 29 und 30 der Anfrage:
Die
gesetzliche Normierung einer Verpflichtung für den Arbeitgeber, den
Transport
vom und zum Arbeitsplatz sicherzustellen, wird abgelehnt, weil eine solche
Maßnahme einerseits unverhältnismäßig
hohe Kosten für die Arbeitgeber zur Folge
hätte und andererseits auch nicht von der Richtlinie verlangt wird.
Derartige Sozialleistungen fallen in die Zuständigkeit
der Kollektivvertragspartner. So
ist schon derzeit im Kollektivvertrag für Arbeiter im Gastgewerbe Wien
derartiges
vorgesehen.
Antwort zu den Punkten 31 und 32 der Anfrage:
§ 28 Abs. 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG)
sieht vor, dass den Arbeit-
nehmern Einrichtungen zum
Wärmen und zum Kühlen von mitgebrachten Speisen
und Getränken zur Verfügung zu stellen sind. Damit ist ausreichend
sichergestellt,
dass Nachtarbeitnehmer warme Speisen zu sich nehmen können.
Antwort zu den Punkten 33 bis 36 der Anfrage:
Die Regierungsvorlage sieht einen Versetzungsanspruch auf
einen Tagesarbeits-
platz, nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkeiten, aus zwei
Gründen vor:
1. in Umsetzung des Art. 9 der
Arbeitszeit-Richtlinie, wenn die weitere Verrichtung
von Nachtarbeit die
Gesundheit nachweislich gefährdet und
2. wenn die Bedachtnahme auf
unbedingt notwendige Betreuungspflichten gegen-
über Kindern bis zu zwölf Jahren dies erfordert, für die Dauer
dieser Betreuungs-
pflichten.
Ein generelles Verbot von Nachtarbeit für Väter
und Mütter bis zum 6. Lebensjahr
des Kindes wird abgelehnt, weil er die Flexibilität der Arbeitnehmern
ungerechtfertigt
einschränkt. Es sollte den Familien selbst überlassen bleiben, ob sie
Modelle finden,
mit denen sich Nachtarbeit und Familie vereinbaren lassen. Es darf auch nicht
über-
sehen werden, dass gut bezahlte Nachtarbeit gerade für einkommensschwache
Jungfamilien finanzielle Vorteile bringen kann.
Ein
Kündigungs- und Entlassungsschutz für Arbeitnehmer wird für eine
bestimmte
Zeit nach der Inanspruchnahme dieses Versetzungsanspruchs als nicht
erforderlich
angesehen, weil im § 105 Abs. 3 ArbVG ein Motivkündigungsschutz
vorgesehen ist.
Danach darf niemand wegen der offenbar nicht unberechtigten
Geltendmachung von
Ansprüchen
gekündigt werden.
Antwort zu den Punkten 37 und 38 der Anfrage:
Einen Versetzungsanspruch von einem Nacht- auf einen
Tagesarbeitsplatz an die
Dauer der Nachtarbeit bzw. an das Lebensalter zu knüpfen erscheint deshalb
nicht
sinnvoll, weil sich weder aus der Dauer der Nachtarbeit, noch aus dem Erreichen
eines bestimmten Lebensalters jeweils für sich genommen eine Notwendigkeit
für
eine Versetzung ergibt, sondern ausschließlich aus gesundheitlichen
Gründen.
Antwort zu den Punkten 39 und 40 der Anfrage:
Art. 9 Abs. 1 lit. b der Arbeitszeit-Richtlinie sieht einen
Versetzungsanspruch auf eine
Tagesarbeitsstelle vor, der für Nachtarbeiter mit gesundheitlichen
Schwierigkeiten
gelten soll, wenn diese
Probleme nachweislich damit verbunden sind, dass sie
Nachtarbeit leisten. In Umsetzung dieser Bestimmung legt die Regierungsvorlage
in
§ 12c Z 1 AZG, § 5c Z 1 KA-AZG bzw. § 8c Z 1 BäckAG fest,
dass der Nachtarbeit-
nehmer auf Verlangen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Versetzung auf
einen geeigneten Tagesarbeitsplatz, nach Maßgabe der betrieblichen
Möglichkeiten,
hat, wenn die weitere Verrichtung von Nachtarbeit die Gesundheit nachweislich
ge-
fährdet.
Die Sicherung des bisherigen Verdienstes ist jedoch in der
Arbeitszeit-Richtlinie nicht
vorgesehen und wurde daher auch in der Regierungsvorlage nicht
berücksichtigt.
Diesbezüglich ist auch in diesem Fall nicht primär der Gesetzgeber
gefordert,
sondern die Kollektivvertragspartner.
Antwort zu den Punkten 41 und 42 der Anfrage:
Die
Forderung nach einer Beschränkung der Nachtarbeit auf sechs Stunden pro
Arbeitstag wird abgelehnt, weil sie über die von der
Arbeitszeit-Richtlinie vorge-
gebenen Beschränkungen der Arbeitszeit für Nachtarbeiter weit
hinausgeht und da-
mit einen eklatanten Wettbewerbs- und Standortnachteil
für Österreich bedeuten
würde.
Antwort zu den Punkten 43 und 44 der Anfrage:
Eine generelle Beschränkung von Nachtschichten auf
vier Tage pro Woche ist weder
in der Arbeitszeit-Richtlinie vorgesehen, noch wäre eine solche Begrenzung
durch
das Gesetz sinnvoll. Es steht den Kollektivvertragsparteien jedoch frei, im
Rahmen
von Verhandlungen derartige Modelle zu entwickeln.
Antwort zu den Punkten 45 und 46 der Anfrage:
Ein generelles Überstundenverbot bei Nachtarbeit ist
in der Regierungsvorlage nicht
vorgesehen, weil auch die Arbeitszeit-Richtlinie kein solches generelles Verbot
ent-
hält. Art. 8 Z 2 der Richtlinie legt lediglich fest, dass die Arbeitszeit
für Nachtschwer-
arbeiter, in einem 24-Stunden-Zeitraum in dem sie Nachtarbeit leisten, nicht
mehr als
acht Stunden betragen darf. Die Richtlinie sieht aber darüber hinaus im
Art. 17 Abs. 3 auch vor, dass im Wege von Tarifverträgen oder
Sozialpartner-
vereinbarungen von Art. 8 abgewichen werden darf.
Die
Regierungsvorlage setzt diese beiden Vorgaben im § 12a Abs. 5 AZG bzw. im
§ 8a Abs. 4 BäckAG richtlinienkonform um. Die durchschnittliche
Arbeitszeit von
Nachtschwerarbeitern an
Nachtarbeitstagen darf innerhalb eines Durchrechnungs-
zeitraumes von 26 Wochen einschließlich der Überstunden acht Stunden
nur dann
überschreiten, wenn dies durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung
zugelassen
wird.