3839/AB XXI.GP
Eingelangt am: 08.07.2002
BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 3854/J-NR/2002 betreffend Koralmbahn, die die
Abgeordneten Mag. Maier und
GenossInnen am 8. Mai 2002 an mich gerichtet haben, beehre ich
mich wie folgt zu beantworten:
Zum Motiventeil:
Im
Generalverkehrsplan steht das Gesamtinteresse des Bundes vor spezifischen
unternehmeri-
schen Zielen der ÖBB,
was auch die erheblichen Bundeszuschüsse zur SchlG-Finanzierung recht-
fertigt. In diesem Sinne sind für die Realisierung der Koralmbahn weniger
die Verbesserungen des
Bahnbetriebs, sondern vor allem die Strukturverbesserungen für den
Standort Südösterreich ent-
scheidend. Dieses Projekt ist damit als ein strategisches Kernstück der
österreichischen Verkehrs-
politik von staatspolitischer Relevanz zu verstehen.
Im europäischen Schienennetz ist die
ca. 126 km lange Koralmbahn Graz - Klagenfurt Teil der
Pontebbana-Achse Polen - Wien - Italien sowie einer künftigen Verbindung
Ungarn - Italien über
Südösterreich. Als Teil einer zukünftigen modernen Südbahn
wird sie im nationalen Netz eine gra-
vierende Lücke, nämlich zwischen den beiden benachbarten
Landeshauptstädten Graz und Kla-
genfurt,
schließen. Damit trägt die Koralmbahn wesentlich zur vollwertigen
Integration des ver-
kehrsgeographisch
benachteiligten Südens Österreichs in das Transeuropäische
Schienennetz bei
und wertet diese Region als Wirtschaftsstandort auf.
Der Süden und der Südosten
Österreichs ist - insbesondere auf der Schiene - deutlich schlechter
erreichbar als die übrigen Zentralräume des Bundesgebiets. Insgesamt
sind davon rund 1,3 Millio-
nen Österreicher betroffen. Vor allem das Grazer Becken (Graz,
Weststeiermark, Oststeiermark
und Südburgenland) ist räumlich durch natürliche Barrieren
(Koralm, Gleinalm, Wechsel) von den
wichtigsten übrigen Zentren Österreichs und des westlichen Auslands
getrennt.
Der
Beitrag allein der Koralmbahn zur Behebung der Erreichbarkeitsmängel, die
auch auf die Kon-
figuration und den Ausbauzustand der Südbahn zurückzuführen
sind, wurde vom Institut für Stadt-
und Regionalforschung der TU mit ca. 170 Mio. € pro Jahr beziffert. Die
volkswirtschaftliche Renta-
bilität dieses Projekts
übersteigt somit beträchtlich die betriebswirtschaftliche
Rentabilität Vieler
anderer Schieneninvestitionen.
Da die Hauptwirkung
der Koralmbahn in der Herauslösung des Grazer Raumes aus seiner ver-
kehrsgeographischen
Benachteiligung und der Erreichbarkeitsverbesserung der südlichen
Bundesländer beruht, andererseits aber zumindest in den ersten Jahren
Verkehrsbelastungen in
der Höhe von maximal 100-120 Zügen pro Tag zu erwarten sind, ist eine
schrittweise Umsetzung
nach einem Phasenkonzept möglich, wobei für den Zulauf auf
steirischer und Kärntner Seite zum
Teil bestehende eingleisige Strecken (GKE, Jauntalbahn) nutzbar sind.
Zu den Fragen 1,2, 3, 4 und 5:
Sehen Sie eine
Möglichkeit, für die Planung, Errichtung bzw. Ausbau der Bahnstrecke
zwischen ,
Graz und Klagenfurt, von der EU Fördergelder zu bekommen?
Wenn ja, in welcher
Höhe?
Haben Sie darum bereits bei
der EU angesucht?
Wenn ja, wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Wenn nein, weshalb nicht?
Antwort:
Hinsichtlich der EU-Fördergelder
für die Koralmbahn Graz-Klagenfurt darf ich festhalten, dass die
Koralmbahn derzeit bereits durch EU-Zuschüsse für
transeuropäische Netze (TEN-Zuschüsse)
gefördert wird. Mit Entscheidung der Europäischen Kommission vom 2.
Juli 1999 wurde für die
Koralmbahn ein TEN-Zuschuss in Höhe von 3,5 Millionen Euro zugesprochen.
Hierbei handelt es
sich um einen Zuschuss zu den Planungen im Rahmen des
Umweltverträglichkeitsprüfungsverfah-
rens.
Was
Zuschüsse für die Errichtung ("Baukostenzuschuss")
betrifft, kann ich mitteilen, dass im Jahr
2002 neben anderen
Schienenvorhaben auch für einen Teilabschnitt der Koralmbahn (Graz - Pun-
tigam) ein Antrag auf Gewährung eines direkten Zuschusses
("Baukostenzuschuss") gestellt wur-
de. Falls dieses Vorhaben von der Europäischen Kommission für einen
Zuschuss ausgewählt wird,
würde die entsprechende Entscheidung der Kommission bis Ende des Jahres
erfolgen. Die Aus-
sichten auf Zuschüsse für den Bereich außerhalb des Indikativen
Mehrjahresprogrammes sind
aber im Jahr 2002 für alle Mitgliedstaaten eher gering, da der
größte Teil der für 2002 zur Verfü-
gung stehenden TEN-Mittel
bereits im Rahmen des Indikativen Mehrjahresprogramms 2001 bis
2006 (MIP), aus welchem Österreich bereits Zuschüsse zugesprochen
wurden, gebunden sind und
die Europäische Kommission für den Bereich außerhalb des MIP
bereits im Vorjahr angekündigt
hat, dass die zur Verfügung stehenden
Mittel in erster Linie für Europäische Projekte (u.a. Europä-
isches Zugsteuerungssystem und EGNOS) verwendet werden sollen.
Ansonsten ist im Zusammenhang mit Zuschüssen zur
Errichtung zu bemerken, dass der größte
Teil der Koralmbahn sich noch im Planungsstadium befindet.
Zu Frage 6:
Welche Haltung nehmen Sie zu Aussagen ein, dass der Bau der
Koralmbahn, ohne den Bau des
Semmering-Basistunnel, aus überregionaler verkehrspolitischer Sicht als
nicht sinnvoll bezeichnet
wird?
Antwort:
Derartige Aussagen sind nicht nachvollziehbar, sie lassen
völlig außer acht, dass die wichtigsten
Effekte der Koralmbahn, die massive Aufwertung verkehrsgeographisch
benachteiligter Regionen
im Südosten des Landes unabhängig vom Ausbauzustand des Semmeringabschnittes
ergeben.
Verbesserungen zwischen Wien und Graz würden sich in ihren positiven
Auswirkungen im Fern-
verkehr allerdings zu jenen zwischen Graz und Klagenfurt addieren. Es ist aber
aufgrund der
Planungen jedenfalls davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Fertigstellung
der Koralmbahn
auch im Abschnitt Wien - Graz eine wesentliche Verbesserung der
Betriebsqualität erreicht sein
wird.
Zu Frage 7:
Welche
sachliche Begründung haben Sie, die ohnehin knapp bemessenen Gelder
für Verkehrsinf-
rastrukturmaßnahmen, zu diesem Zeitpunkt für die Errichtung der
Koralmbahn einzusetzen?
Antwort:
Gerade für die Koralmbahn ist,
wie bereits dargestellt, das Geld gut investiert, zumal ein Vollaus-
bau über die gesamte Länge nicht unmittelbar erforderlich ist. Die
Standortaufwertung, die in einer
Studie der TU Wien mit ca. 170 Mio. €
pro Jahr beziffert wurde und die mehr als 1 Million Österrei-
cherinnen und Österreichern zugute kommen wird, ergibt sich schon mit der
ersten verkehrswirk-
samen Durchbindung und ist ein entscheidender Beitrag des Bundes zur
Chancengleichheit der
Regionen, indem der Wirtschaft in den Räumen Graz, Weststeiermark,
Unterkärnten (insbesonde-
re dem Lavanttal) und Klagenfurt wesentlich verbesserte Standortbedingungen
geboten werden.
Zu den Fragen 8 und 9:
Halten Sie den Bau der Koralmbahn für ein überwiegend regionales Verkehrsprojekt?
Wenn nein, welchen überregionalen Charakter hat dieses
Projekt? Welche überregionalen Ver-
kehrsströme werden in Zukunft auf dieser Strecke verlaufen?
Antwort: '
Die Koralmbahn hat einen
extrem hohen regionalwirtschaftlichen Nutzen. Sie ist aber Teil des Süd-
bzw. Pontebbanakorridors, ist großräumig auch als Verbindung Ungarn
- Italien wirksam und ist
daher Teil der
Transeuropäischen Netze. Auf nationaler Ebene kommt der Koralmbahn,
derzeit
noch "missing link" zwischen Graz und Klagenfurt, die Bedeutung eines
Schlüsselprojekts zu.
Zu Frage 10:
Auf Grund welcher zu
erwartender Verkehrsströme zwischen Graz und Klagenfurt, halten Sie die
Investitionen für das Projekt Koralmbahn jetzt für notwendig?
Antwort:
Die Entscheidung umfasst zwei
Ebenen: Der Zusammenhang von Raumstruktur, Erreichbarkeit
und Standortqualität und die Einbettung in ein übergeordnetes,
großräumiges Korridoretzwerk
entscheidet über die Netzkonfiguration, die zu erwartenden Verkehrsmengen
über die Dimensio-
nierung, also über die Anzahl der Gleise. Die Prognosen des
Generalverkehrsplans gehen von
rund 8000 Reisenden pro Tag,
in den Zulaufstrecken entsprechend mehr, und rund 7 Mio. Tonnen
Güter
pro Jahr aus.
Zu Frage 11:
Halten sie das Projekt
"Koralmbahn" im Zuge der kommenden EU-Erweiterung für ein
prioritäres
Verkehrsprojekt?
Antwort:
Als Folge der EU-Erweiterung ist mittel-
bis langfristig ein starkes Anwachsen der Verkehrsströme,
insbesondere auch in der für die Koralmbahn relevante Richtung
Nordost-Südwest, zu erwarten.
Und die Standorteffekte infolge der
Neuausrichtung und Verbesserung der Erreichbarkeitsverhält-
nisse im Süden und Südosten des Bundesgebiets sollten
jedenfalls in Österreich lukriert werden,
zumal gerade die betroffenen Regionen an einer noch länger spürbaren
Wohlstandskante nach
Wegfall der EU-Außengrenze verstärkt einer sozialen Erosion
ausgesetzt sein könnten.
Zu den Fragen 12,13 und 14:
Sind Sie in dieser
Frage bei den zuständigen Stellen der EU, bezüglich entsprechender
Fördergel-
der im Zuge der
Osterweiterung, vorstellig geworden?
Wenn ja, wann und mit welchen Ergebnissen?
Wenn nein, weshalb nicht?
Antwort:
Wie sicherlich bekannt ist, hat die
Europäische Kommission im Juli 2001 eine Mitteilung über die
Auswirkungen der Erweiterung für die an Beitrittsländer angrenzenden
Regionen und Gemein-
schaftsaktionen für
Grenzregionen vorgelegt.
In dieser Mitteilung kündigte die Europäische
Kommission (EK) im Zusammenhang mit dem trans-
europäischen
Verkehrsnetz (TEN) zusätzliche Mittel für die JEN in den
Grenzregionen zu den Bei-
trittsländern an.
Im Oktober 2001 hat die Europäische
Kommission schließlich einen entsprechenden Vorschlag zur
Änderung der
TEN-Finanzierungsverordnung (Verordnung Nr. 2236/95/EG geändert durch Ver-
ordnung Nr. 1655/99/EG) vorgelegt, der derzeit unter Federführung
des Bundesministeriums für
Finanzen im Rat verhandelt wird.
Dieser Vorschlag sieht zur Ergänzung
der EU-Förderung auf dem Territorium der Beitrittsländer
vor, dass innerhalb der EU im Zeitraum 2003 bis 2006 zusätzliche
TEN-Mittel für die allerdrin-
gendsten Verbesserungen der
grenzüberschreitenden Verkehrsinfrastruktur mit den Beitrittslän-
dern eingesetzt werden. Der Vorschlag der Kommission wird derzeit im Rat
verhandelt und es wird
sich erst zeigen, ob sich dafür im Rat
eine entsprechende Mehrheit findet und wie diese Förder-
möglichkeit konkret ausgestaltet ist. Jedenfalls würden allfällige
Zuschüsse aus den genannten
zusätzlichen TEN-Mitteln
erst ab dem Jahr 2003 gewährt werden und die Anträge hierfür
können
zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gestellt werden.
Zu den Fragen 15,16,17 und 18:
Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass in
der europäischen Verkehrsplanung (TEN-Projekte) die
Koralmbahn nicht einmal erwähnt wird?
Werden Sie Initiativen auf europäischer Ebene
ergreifen, dass die Koralmbahn in die TEN-Projekte
der EU aufgenommen wird?
Wenn ja, welche und wann?
Wenn nein, weshalb nicht?
Antwort:
Die Behauptung,
wonach die Koralmbahn in der europäischen Verkehrsplanung nicht einmal er-
wähnt wird, ist nicht
nachvollziehbar. Die Koralmbahn ist Teil des transeuropäischen
Verkehrsnet-
zes und in der Entscheidung Nr. 1692/96/EG
über Leitlinien für ein transeuropäisches Verkehrs-
netz als Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausgewiesen.
Diese Behauptung dürfte insofern auf
einem Missverständnis beruhen, als die Entscheidung Nr.
1692/96/EG über Leitlinien für
ein transeuropäisches Verkehrsnetz, in welcher das transeuropäi-
sche Verkehrsnetz festlegt wird, nur einen kleinen Teil der
TEN-Vorhaben, nämlich die vorrangigen
Vorhaben von Essen und Dublin, wozu
für Österreich die Brennerachse gehört, namentlich auf-
listet. Alle übrigen TEN-Vorhaben, die nicht zu den vorrangigen
Vorhaben von Essen und Dublin
gehören, ergeben sich aus den Karten in Anhang l der Entscheidung Nr.
1692/96/EG.
Tatsache
ist, dass die Koralmbahn im Leitschema des transeuropäischen
Verkehrsnetzes in An-
hang l Abschnitt 3 der Entscheidung Nr. 1692/96/EG als geplante
Hochgeschwindigkeitsstrecke
ausgewiesen und damit ein TEN-Vorhaben ist.
Die Tatsache, dass die
Koralmbahn ein TEN-Vorhaben und für die europäische Verkehrsplanung
von Bedeutung ist, ergibt sich auch daraus, dass wie oben angeführt,
für die Koralmbahn bereits
ein TEN-Zuschuss gewährt wurde. Voraussetzung für einen TEN-Zuschuss
ist, dass es sich bei
dem geförderten Vorhaben um ein TEN-Vorhaben handelt. Denn Artikel 2
Absatz 1 der Verord-
nung Nr. 2236/95 über die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen
für transeuropäische Netze
sieht vor, dass ein TEN-Zuschuss nur für Vorhaben von gemeinsamem
Interesse gewährt werden
kann, die im Rahmen der Leitlinien für ein transeuropäisches Verkehrsnetz ausgewiesen werden.