3900/AB XXI.GP

Eingelangt am: 19.07.2002

BM für Justiz

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen haben an
mich eine schriftliche Anfrage betreffend “Massengrab auf der Liegenschaft Wien 14,
Flachgasse 7" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Einleitend ist festzuhalten, dass parlamentarische Anfragen zum gleichen Gegen-
stand auch an das Bundesministerium für Inneres, ZI. 3906/J-NR/2002, und an das
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, ZI. 3908/J-NR/2002, ge-
richtet wurden. Zur Vermeidung von Wiederholungen beantworte ich daher die vor-
liegende Anfrage nur, soweit das Justizressort unmittelbar berührt ist und mir ent-
sprechende Informationen zur Verfügung stehen; im Übrigen verweise auf die Be-
antwortung durch die ebenfalls befassten Ressorts.

Zu 1:

Unter den sichergestellten Skelettteilen befanden sich 17 Schädel bzw. Schädel-
fragmente, von denen vier Männern, sieben Frauen und zwei Kindern zugeordnet
werden konnten; bei vier Schädeln war eine Zuordnung nicht möglich.

Zu 2 und 3:

Der Fundort wurde durch den vom Landesgericht für Strafsachen Wien beauftragten

gerichtsmedizinischen Sachverständigen am 4. Dezember 1997 besichtigt, wobei
weitere Schädelfragmente und Knochen gefunden wurden. Im Übrigen verweise ich


auf die korrespondierenden Antworten zu den Anfragen ZI. 3906 und 3908/J-
NR/2002.

Zu 4:

Die Fundstelle lag in einer Tiefe von etwa 1,2 m.

Zu 5:

Da laut den Ergebnissen des gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens

die Liegezeit der Skelette mit etwa 270 bis 350 Jahren anzunehmen ist, kann ein
Zusammenhang der Funde mit Verbrechen des Nationalsozialismus ausgeschlossen
werden.

Zu 6:

Nein, zumal es sich nicht um die primäre Grabstätte gehandelt hat. Auch das vom

Bundesdenkmalamt, Abteilung für Bodendenkmale, und vom Bundesministerium für
Inneres, Abteilung für Kriegsgräberfürsorge, in Auftrag gegebene Gutachten des
Vereins ASINOE kommt zu dem Schluss, dass die fragliche Kalkschicht in keinem
direkt erkennbaren Zusammenhang mit jener Schicht steht, in der die Skelettteile ge-
funden wurden.

Zu 7:

Ja, doch handelt es sich dabei um eine Vorgangsweise, die häufig bei Massenbe-
stattungen zu beobachten ist.

Zu 8 bis 11:

Nachdem am 24. November 1997 eine mündliche Sachverhaltsdarstellung an den

Journalstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Wien erging, wurde von diesem beim
Landesgericht für Strafsachen Wien ein Antrag auf gerichtsmedizinische Untersu-
chung der Funde - insbesondere zur Klärung der Todesursache und des Zeitpunktes
des Ablebens - gestellt. Der diesbezügliche gerichtliche Beschluss zur Begutachtung
der Skelettfunde durch das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien wur-
de noch am selben Tag gefasst. Die Besichtigung des Fundortes durch den ge-
richtsmedizinischen Sachverständigen erfolgte am 4. Dezember 1997. Er erstattete
das Gutachten am 14. Mai 1999.


Zu 12 und 13:

Verletzungen, die todesursächlich gewesen sein könnten, waren an den Skelettteilen

nicht nachzuweisen. Die knöchernen Verletzungen an den Schädeln wiesen keine
charakteristischen Merkmale von Schussdefekten am Knochen auf und sind laut
Sachverständigengutachten auf Grund ihrer Form und Beschaffenheit mit großer
Wahrscheinlichkeit bei nachträglichen Manipulationen an den Skelettteilen (in einem
Fall etwa auch im Rahmen der Bergung) hervorgerufen worden.

Zu 14:

Auf Grund des hohen Alters der Funde und des Fehlens von Hinweisen auf Fremd-
verschulden wurden keine Erhebungen zur Ausforschung allfälliger Täter durchge-
führt. Die Staatsanwaltschaft Wien hat im Hinblick auf die Ergebnisse des Sachver-
ständigengutachtens am 28. Mai 1999 beim Untersuchungsrichter des Landesge-
richtes für Strafsachen Wien die Erklärung gemäß § 90 Abs. 1 StPO abgegeben
(Verfahrenseinstellung).

Zu 15:

Als Untersuchungsmethoden zur Feststellung der Liegezeit der Skelettfunde dienten

die Messung des Stickstoffgehaltes und die Bestimmung von Aminosäuren in ver-
schiedenen Skelettteilen, wobei Vergleichsuntersuchungen mit Knochen mit bekann-
ter Liegezeit zwischen zehn und 560 Jahren herangezogen wurden. Im Rahmen der
Vergleichsproben konnte an Hand des untersuchten Schädelskeletts auf eine Min-
destliegedauer von rund 270 Jahren und an Hand des Beckenskeletts auf eine ma-
ximale Liegedauer von knapp 500 Jahren geschlossen werden. Die am untersuchten
Oberschenkel festgestellten Stickstoffkonzentrationen wiesen auf eine Liegedauer
von etwa 350 Jahren hin.

Von einer Übermittlung sämtlicher Untersuchungsergebnisse im vollen Wortlaut se-
he ich vorerst ab, weil der zunächst angenommene zeitgeschichtliche Zusammen-
hang mit dem Nationalsozialismus offenkundig nicht vorliegt.

Zu 16:

Auf Grund der Lage der Knochen im Erdreich und des Fehlens von Wirbelknochen

und kleinen Extremitätenknochen zog der gerichtsmedizinische Sachverständige
den Schluss, dass die Skelettteile durch Umbettung in die vorgefundene Lage ge-
kommen sind und es sich somit um eine sekundäre Grabstätte gehandelt hat.


Zu 17:

Im Hinblick auf das Fehlen eines zeitgeschichtlichen Bezuges dieser Skelettfunde

zum Nationalsozialismus, der für die Strafverfolgungsbehörden von Interesse hätte
sein können, wurden Untersuchungen zu den Besitzverhältnissen und zur Nutzung
der gegenständlichen Liegenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus nach meinen
Informationen nicht angestellt.

Zu 18:

Jene Skelettteile, die vom Gerichtssachverständigen begutachtet worden sind, be-
finden sich für allfällige weitere wissenschaftliche Untersuchungen noch immer im
Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien.