518/AB XXI.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Fr. MMag. Dr. Petrovic, Freundinnen und
Freunde haben am 14.03.2000 unter der Nr. 486/J eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend "autonome Polizisten“ an mich gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich aufgrund der mir vorliegenden Informationen wie
folgt:
Zu Frage 1:
Da mich auch bei parlamentarischen Anfragen die Pflicht zur Wahrung der
Amtverschwiegenheit trifft, werden Sie verstehen, dass ich personenbezogene Daten
vertraulich behandeln muss und daher die Polizeiberichte nicht im Original
zugänglich machen kann.
Der relevante Sachverhalt, der sich aus mehreren solcher Polizeiberichte aus dem
Bereich der zuständigen Bundespolizeidirektion Wien ergibt, stellt sich mir
zusammenfassend wie folgt dar:
Am 2.3.2000 erfolgte über Anforderung der Abteilung I ein verdeckter Einsatz von
Kriminalbeamten der Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst (SEK) im Rahmen der
Überwachung der Demonstration anlässlich des Opernballs 2000 mit dem Auftrag,
strafbare Handlungen festzustellen und die Täter zur Anzeige zu bringen.
Um den Einsatz erfolgreich gestalten zu können, hatten sich die Kriminalbeamten
der SEK dem „Gegenüber", das vermummt oder maskiert auftrat, anzupassen und
traten ebenfalls vermummt auf. Diese polizeiliche Maßnahme entsprach daher
durchaus den bestehenden Gesetzen und hatte den Zweck, in die Nähe der
vermummten Manifestanten gelangen und deren Aktivitäten beobachten zu können.
Gegen 22.00 Uhr wurden die Beamten mit den Dienstnummern 4349, 4386 und 4324
auf eine Gruppe von vermummten Personen
aufmerksam, welche in der Folge im
Zuge der Demonstration folgende strafbare Handlungen setzten:
Gegen 23.30 Uhr im Bereich Operngasse: Abschuss von Feuerwerksraketen, sowie
Werfen von Steinen und Flaschen auf die Sicherheitswachebeamten, welche den
Sperrkreis um die Oper sicherten;
Gegen 24.00 Uhr im Bereich Kärntner Straße - Walfischgasse: Abschuss von
Feuerwerksraketen sowie Werfen von Knallkörpern gegen jene
Sicherheitswachebeamten, welche im Bereich Kärntner Straße - Annagasse eine
Absperrung zur FPÖ - Zentrale hin absicherten, sowie Werfen von Steinen gegen die
Sicherheitswachebeamten in der Walfischgasse.
Die Aktivistengruppe, welche die beschriebenen Straftaten setzte, bestand aus ca.
25 vermummten Personen.
Die Anweisungen zur Durchführung dieser Straftaten kamen von dem Angezeigten
Werner S., der sich stets im Hintergrund, das heißt, nicht im unmittelbaren Bereich
der vermummten und gewalttätigen Aktivisten aufhielt.
S. war erstmalig um 22.30 Uhr aufgefallen, als er im Bereich Kärntner Straße ganz
offensichtlich Einsatzanweisungen an die Vermummten gab, da unmittelbar darauf
durch diese Steine geworfen wurden.
Aus diesem Grunde wurde S., der sich mit einem silberfarbenen Motorradhelm mit
der Aufschrift HJC getarnt hatte, von den Beamten mit den Dienstnummern 4349,
4386 und 4324 bis zu seiner Festnahme lückenlos überwacht.
S. bewegte sich im Bereich Kärntner Straße - Goethegasse - Schillerplatz -
Operngasse und war dabei ausschließlich im Hintergrund tätig.
In dieser Zeit nahmen laufend vermummte Aktivisten mit S. Kontakt auf, worauf nach
jeder Kontaktaufnahme sowohl von den vermummten Aktivisten als auch von S.
Ferngespräche über Handies erfolgten. Aus etwa 20 Anweisungen des S. an die
vermummte ,,Kampftruppe“ wurden vom Beamten mit der Dienstnummer 4349
zumindest drei konkrete Anweisungen bzw. Aufforderungen zu Gewalttaten gegen
die Sicherheitswache mitgehört, wobei die Entfernung des Beamten zu S. jeweils
einen bis zwei Meter betrug:
Um 22.35 Uhr im Bereich Kärntner Straße - Maysedergasse: „Schießt‘s mit den
Raketen auf die Bullen!“
Um 23.15 Uhr ebenfalls im Bereich Kärntner Straße - Maysedergasse: „Was habt‘s
noch zum Schmeißen? Nehmt‘s alles, was ihr finden könnt‘s. Steine oder Flaschen,
wurscht, was!“
Um 23.52 Uhr im selben Bereich: „Ihr müsst‘s näher ran gehen; sammelt‘s die
Steine, rennt‘s hin, die stehen eh hinterm Gitter und traun sich nicht raus.“
Im Anschluss an diese letzte Aufforderung liefen ca. 10 Aktivisten auf die
Polizeisperre in der Kärntner Straße - Annagasse zu und warfen Wurfgegenstände
aller Art gegen dieselbe.
Gegen 00.15 Uhr zerstreuten sich die Demonstranten und S. ging zusammen mit
drei weiteren Aktivisten durch die Krugerstraße in Richtung Schwarzenbergplatz.
Durch die Einsatzleitung, Beamter mit der Dienstnummer 1034, wurde die
Identitätsfeststellung dieser Aktivistengruppe angeordnet, worauf um 00.26 Uhr in
der Mahlerstraße, Ecke Schwarzenbergstraße die Anhaltung erfolgte, nachdem die
vier Personen ein Taxi besteigen wollten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte S. seinen silberfarbigen Helm noch immer auf, mit
welchem er auch das Taxi besteigen wollte.
Der Zugriff erfolgte unter Bedachtnahme auf die Eigensicherung gemäß § 3 RLV,
wobei der Beamte mit der Dienstnummer 4349 die Dienstwaffe gezogen hatte, da
alle vier Personen zu diesem Zeitpunkt noch vermummt waren und unmittelbar
vorher durch vermummte Aktivisten gewalttätige Straftaten begangen worden waren,
sodass eine Bewaffnung dieser Personen bzw. Widerstand durch dieselben
befürchtet werden musste.
Die Beamten mit den Dienstnummern 4324 und 4401 wiesen sich mit ihrer
Dienstkokarde als Polizeibeamte aus, der Beamte mit der Dienstnummer 4349 trug
seine Dienstkokarde an einer Halskette deutlich sichtbar um den Hals.
Die Aufforderung zur Ausweisleistung, zum Stehenbleiben bzw. zum Aussteigen aus
dem Taxi erfolgte mit den Worten „Polizei! Aussteigen!“
S. saß zu diesem Zeitpunkt hinter dem Fahrer links hinten im Fahrzeug, wobei er den
Motorradhelm noch immer auf hatte und die Fahrzeugtür offen stand Als unmittelbare
Reaktion auf die polizeiliche Anhaltung trat S. sofort durch die geöffnete Autotür
gegen das Schienbein des Beamten mit der Dienstnummer 4386, wobei er folgende
Worte gebrauchte: „Geht‘s scheißen, ihr Bullen, was wollt‘s von mir, ich hab‘
überhaupt nichts gemacht“, wodurch sich ergibt, dass er die einschreitenden
Beamten sofort als Polizisten erkannte, also die Legitimation der einschreitenden
Beamten völlig ausreichend war. Der Beamte mit der Dienstnummer 4386 zog S.
nunmehr unter Anwendung von Körperkraft aus dem Auto, wobei er ihn an der Jacke
erfasste. Als S. aus dem Auto heraußen war, schlug er mit beiden Händen massiv
auf den Beamten mit der Dienstnummer 4386 ein und versuchte weiters, den
Beamten in den Unterleib zu treten. Als S. aufgefordert wurde, seinen Widerstand
einzustellen, schlug er als Reaktion darauf mit seinem nach wie vor behelmten Kopf
mehrmals gegen den Kopf des Beamten mit der Dienstnummer 4386. Unter
Anwendung der Armwinkelsperre konnte S. zur Hausmauer in der
Schwarzenbergstraße gebracht und vorläufig dort fixiert werden, wobei S. nach wie
vor mit seinem behelmten Kopf um sich schlug und den Beamten mit der
Dienstnummer 4386 im Gesicht zu treffen versuchte.
Der Beamte mit der Dienstnummer 4386 konnte den gefährlichen Angriff des S.
gegen seine Person alleine nicht beenden, worauf ihm der Beamte mit der
Dienstnummer 4324 zu Hilfe kam.
Dieser hatte zunächst versucht, zwei der drei anderen Aktivisten, die sich noch nicht
im Auto befunden hatten, zur Ausweisleistung aufzufordern. Dabei stellte es sich
heraus, dass es sich um Frauen handelte. Diese schrieen lauthals um Hilfe, wodurch
es ihnen gelang, die Aufmerksamkeit weiterer abströmender Demonstrantengruppen
zu erregen, sodass die einschreitenden Beamten in kürzester Zeit von zahlreichen
Sympathisanten umringt waren, von denen einige die gesamten Vorgänge mit
Kameras filmten.
Der Beamte mit der Dienstnummer 4324 konnte schließlich eine Fixierung des S. an
der Hausmauer durchführen, worauf dem S. durch den Beamten mit der
Dienstnummer 4386 endlich der Motorradhelm abgenommen werden konnte. S. trug
unter dem Helm eine nur mit Augenschlitzen versehene schwarze Unterziehmaske,
die ihm ebenfalls abgenommen wurde. Nachdem unterstützende
Sicherheitswachebeamte eingetroffen waren,
wurde der Widerstand durch S. endlich
eingestellt.
Währenddessen wurde durch den Beamten mit der Dienstnummer 4349 auch die
vierte vermummte Person zur Ausweisleistung aufgefordert, wobei der Beamte die
gezogene Dienstwaffe in der Hand hielt. Diese Person saß zu diesem Zeitpunkt
ebenfalls bereits im Taxi, und zwar rechts hinten. Die Person stieg selbständig aus,
worauf der Beamte mit der Dienstnummer 4349 seine Dienstwaffe versorgte.
Daraufhin begann die Person, es handelte sich, wie durch die Perlustrierung
schließlich festgestellt werden konnte, um den Angezeigten Hermann R., sofort
gegen den Beamten mit der Dienstnummer 4349 zu treten und gezielte Faustschläge
gegen den Kopf des Beamten abzufeuern. Zunächst konnte R. nur durch ständiges
Zurückweichen auf Distanz gehalten werden, wurde aber schließlich durch den
Beamten mit der Dienstnummer 4349 durch Anwendung angemessener Körperkraft
im Bereich eines dort befindlichen Containers fixiert und bis zum Eintreffen der
Unterstützungskräfte so festgehalten.
R. war an der Kreuzung Kärntner Straße - Maysedergasse um 00.05 Uhr vom
Beamten mit der Dienstnummer 4349 dabei beobachtet worden, wie er auf einen
sogenannten Signalstift eine Patrone montierte, welche er zuvor aus der Innentasche
seiner Jacke genommen hatte. Anschließend schoss er diese Patrone in die Luft ab.
Sofort nach dem Abfeuern dieser Patrone montierte er eine neue auf seiner
Abschussvorrichtung und schoss auch diese wiederum in die Luft ab. Dabei ging er
in der Kärntner Straße in Richtung Walfischgasse. Dort angekommen, beschoss er
gezielt die in der Walfischgasse zur Absperrung postierten Polizeibeamten. Der erste
Schuss strich über die Köpfe der Beamten in der Sperrkette hinweg, der zweite
Schuss jedoch traf ein Plexiglasschild eines der sichernden Beamten. Dies
beobachtete der Beamte mit der Dienstnummer 4349 aus einer Entfernung von ca.
15 Metern. Dies konnte er deshalb tun, weil er ebenfalls vermummt war und
deswegen von R. für einen Gesinnungsgenossen gehalten wurde. Nach diesen
beiden gezielten Schüssen entfernte sich R. in Richtung Maysedergasse. R.‘s
Vermummung bestand aus einer Sturmhaube mit rot umrandeten Sehschlitzen
und einem Palästinensertuch.
Bei seiner Festnahme trug R. noch immer die selbe Vermummung.
Den Festgenommenen S. und R. konnten um 00.30 Uhr gemäß § 26 Abs. 2
Anhalteordnung die Handfesseln angelegt werden.
Daraufhin wurde versucht, die beiden Festgenommenen gemäß § 40 Abs. 1 SPG zu
visitieren. Hiebei konnte vom Beamten mit der Dienstnummer 4349 in einer
Außentasche der Jacke des R. ein blauer Signalstift mit aufgeschraubter grüner
Signalpatrone vorgefunden werden. Mittlerweile waren die einschreitenden Beamten
jedoch von zahlreichen Demonstranten umringt, die durch das Schreien der beiden
anderen vermummten Aktivistinnen - wie sich herausstellte, der Daniela B. und der
Barbara Z., herbeigelockt worden waren. Diese wurden in der Form tätlich, dass sie
den Beamten mit der Dienstnummer 4349 an seiner Kleidung wild herumrissen,
sodass der Beamte gezwungen war, den Signalstift wieder in der Jackentasche des
R. zu versorgen. B. und Z. stürzten sich auf den mit den Händen auf dem Rücken
gefesselten R. und den ihn festhaltenden Beamten mit der Dienstnummer 4349 und
versuchten, den R. dem Beamten zu entreißen. Dabei schrieen sie: „Lass eam aus,
du Sau! Lass eam gehen, du Arsch!“ Es gelang B. und Z. tatsächlich, den R. dem
Beamten zu entreißen. Dieser hielt nämlich R. an seiner Handschelle fest, wobei
dem Beamten durch den entstehenden Zug ein solcher Schmerz zugefügt wurde,
dass er loslassen musste. Die beiden Frauen
versuchten nun mitsamt dem
gefesselten R. zu flüchten, gaben jedoch dieses Vorhaben schließlich auf, weil die
mittlerweile eingetroffene Sicherheitswache unterstützend eingriff und die Lage unter
Kontrolle brachte. In diesem Tumult war es anscheinend den beiden Frauen
gelungen, den belastenden Signalstift aus der Jackentasche des R. zu entnehmen
und verschwinden zu lassen. Bei der schließlich möglich gewordenen endgültigen
Visitierung des R. wurde lediglich Verpackungsmaterial für Leuchtkugeln
vorgefunden.
Es wurde schließlich Daniela B. mit größter Wahrscheinlichkeit als diejenige Person
ausgeforscht, welche dem R. den Signalstift aus der Jackentasche genommen und
an sich gebracht hat.
Jene Demonstranten, die den festgenommenen R. in der oben geschilderten Weise
befreien wollten, wollten in gleicher Weise auch S. befreien. Auch dabei gelang es
den Aktivisten, in nicht mehr nachvollziehbarer Weise Gegenstände auszutauschen
So hatte, als es endlich zur Visitierung kam, S., der zuvor mittels Handy vielfach die
Aktivisten dirigiert hatte, plötzlich kein Handy mehr bei sich, während bei B. zwei
Handies vorgefunden werden konnten. Überdies wurde im Helm des S. der
Reisepass der Z. vorgefunden.
Die Festnahme des S. und R. wurde von den einschreitenden Beamten dem
Journaldienst der Abteilung I der Bundespolizeidirektion Wien zur Kenntnis gebracht,
es erfolgte jedoch keine Übernahme der Amtshandlung durch die Abteilung I, sodass
die weitere Amtshandlung im Bezirkspolizeikommissariat 16 geführt wurde. Um einer
eventuell zu gewärtigenden Gefahr einer Befreiungsaktion durch andere Aktivisten
vorzubeugen, erfolgte die Verbringung der Verdächtigen zum
Bezirkspolizeikommissariat 16 und nicht zum örtlich zuständigen
Bezirkspolizeikommissariat 1.
Der Zentraljournaldienst versehende Beamte der Bundespolizeidirektion Wien
ordnete die Abgabe von S. und R. in den Arrest an.
Zu den Fragen 2, 3 und 4:
Der Informationsfluss war in der Weise gestaltet, dass die zuständigen Stellen
rechtzeitig und ausreichend informiert wurden bzw waren.
Zu Frage 5:
Der Behördenleiter.
Zu Frage 6:
An den Demonstrationen haben keine vermummten Polizisten teilgenommen.
Zu Frage 7:
Nein.
Zu den Fragen 8 , 9 und 10:
Die Teilnahme der Polizeikräfte erfolgte in Ausübung ihrer Amts - bzw Dienstpflichten.
Zu Frage 11:
Alle Polizisten werden im Rahmen ihrer Aus - und Fortbildung über die einschlägigen
Rechtsvorschriften informiert.
Zu Frage 12:
Ein externes Filmteam wurde von den festnehmenden Beamten wahrgenommen;
eine Störung war dadurch nur insofern gegeben, als der bereits festgenommene S.
von diesem Team interviewt wurde und auch Fragen beantwortete.
Zu den Fragen 13,14 und 15:
Die gewählte Vorgangsweise entspricht polizeitaktisch internationalem Standard und
entspricht auch den geltenden gesetzlichen Vorschriften.
Zu Frage 16:
Nein.
Zu Frage 17:
Landeshauptmann Dr. HAIDER hat am 19.2.2000 von der Abteilung I der
Bundespolizeidirektion Wien Personenschutz durch Kriminalbeamte erhalten.
Aufgrund polizeitaktischer Überlegungen wurde der Besuch des Lokales in Wien 8
keiner weiteren Dienststelle außerhalb der Abteilung 1 mitgeteilt. Es lag somit kein
Kommunikationsmangel vor.
Zu Frage 18:
Hinweise, die diese Vermutung stützen würden, liegen mir nicht vor.
Zu Frage 19:
Im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien hat es in den Monaten Februar und März
2000 insgesamt 121 Beschwerdevorbringen gegeben.
Zu Frage 20:
Hier darf ich auf die einschlägigen Rechtsvorschriften (SPG, RLV) verweisen.
Zu Frage 21:
Seitens der Bundespolizeidirektion Wien wurden keine Strumpfmasken und auch
keine anderen Mittel zur Vermummung angekauft.